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UN: Immer mehr Flüchtlinge interniert

13. Juni 2016

"Riesige Zwangshafteinrichtungen" seien Hotspots für Migranten, sagt der Hochkommissar für Menschenrechte. Die EU müsse öffentlich machen, wie viele Menschen dort einsitzen - die Zahlen würden die Welt "schockieren".

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Protestierende Flüchtlinge in einem Hotspot auf der griechischen Insel Lesbos (Archivbild: dpa)
Protestierende Flüchtlinge in einem Hotspot auf der griechischen Insel Lesbos (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/O.Panagiotou

Der UN-Menschenrechtsbeauftragte hat die EU-Praxis der Zwangsinternierung von Flüchtlingen in Auffanglagern scharf kritisiert. Die Zahl der Inhaftierungen nehme auf "besorgniserregende" Weise zu, selbst unbegleitete Minderjährige würden eingesperrt, sagte Said Raad Al-Hussein zur Eröffnung der neuen Sitzungsperiode des UN-Menschenrechtsrates in Genf. Er stützte sich auf Daten, die Mitarbeiter der Vereinten Nationen entlang der Hauptflüchtlingsrouten im Mittelmeerraum und auf dem Balkan gesammelt haben.

Immer mehr Migranten würden in Europa festgesetzt, auch in den sogenannten Hotspots in Griechenland und Italien, sagte Al-Hussein. Diese Registrierzentren seien "im wesentlichen riesige Zwangshafteinrichtungen". Selbst unbegleitete Jugendliche würden in Gefängniszellen untergebracht oder in Zentren, die mit Stacheldraht umzäunt seien. Eine Inhaftierung sei aber niemals im Sinne des Kindeswohls.

2900 Ertrunkene in diesem Jahr

Al-Hussein forderte die Europäische Union auf, die Inhaftierungen von Migranten statistisch zu erfassen. "Ich fürchte, diese Zahlen werden sehr schockierend sein." Im vergangenen Jahr flohen nach UN-Angaben mehr als eine Million Menschen Richtung Europa. Die meisten von ihnen stammen aus Syrien und anderen Regionen des Nahen und Mittleren Ostens. Seit Januar kamen noch einmal rund 208.000 weitere Flüchtlinge hinzu. Bei Überfahrten über das Mittelmeer verloren allein in diesem Jahr mehr als 2850 Flüchtlinge ihr Leben.

Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Tunesien (Archivbild: dpa)
Abschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Tunesien (Archivbild)Bild: picture alliance/dpa/S. Willnow

Unterdessen setzt die Bundesregierung im Konflikt um die Einstufung der Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer weiter auf eine Einigung. Zweifellos erfüllten Algerien, Marokko und Tunesien die Voraussetzungen für diesen Status, sagte Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin. Er hoffe, dass sich bis zur Abstimmung des Bundesrates am Freitag die Vernunft durchsetze und ein Weg gefunden werde.

"Es gibt keinen Deal"

Ohne Stimmen aus Bundesländern, in denen die Grünen an der Regierung beteiligt sind, gibt es im Bundesrat jedoch keine Mehrheit. Die Grünen hegen insbesondere wegen der Verfolgung von Homosexuellen im Maghreb Bedenken. Parteichefin Simone Peter lehnte weitere Verhandlungen mit der Bundesregierung über das Thema ab. "Es gibt keine Bereitschaft für einen Deal", sagte sie der "Saarbrücker Zeitung". Sie gehe davon aus, dass die Gesetzesvorlage in der Länderkammer keine Mehrheit finde.

Auch Menschenrechtsorganisationen protestierten erneut gegen eine Einstufung der drei Staaten als sichere Herkunftsländer, wie sie der Bundestag im Mai beschlossen hatte. Amnesty International und Pro Asyl appellierten an die Ländervertreter in einem offenen Brief: "Sie entscheiden, ob Deutschland in Zukunft schwere Menschenrechtsverletzungen in Algerien, Marokko und Tunesien billigend in Kauf nimmt."

Wegen Homosexualität verbannt

In den drei Staaten gebe es Folter, und die politische Opposition werde unterdrückt. "Die Menschenrechte werden in den Maghreb-Staaten nicht eingehalten", heißt es in dem Brief. In Tunesien etwa seien 2015 sechs Männer aufgrund ihrer Homosexualität zu drei Jahren Haft und anschließender fünfjähriger Verbannung verurteilt worden.

jj/sti (dpa, afp, epd)