COP29: Wer bezahlt die Anpassung an den Klimawandel?
11. November 2024"Als ein Land, das reich an fossilen Brennstoffen ist, werden wir das Recht der übrigen Länder verteidigen, diese Brennstoffe zu fördern und in sie zu investieren," ließ sich Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev auf dem Berliner Petersberger Klimadialog im April zitieren. Damit gab das Staatsoberhaupt die Marschroute vor, die sein Land bei den bevorstehenden Klimaverhandlungen verfolgen könnte.
Staats- und Regierungschefs aus fast 200 Ländern treffen sich zur 29. Weltklimakonferenz, der COP29, um über Maßnahmen für mehr Klimaschutz zu beraten. Verhandlungsführer: Gastgeber Aserbaidschan.
In einem Jahr, in dem Millionen von Menschen durch immer extremere Klimakatastrophen geschädigt wurden, findet die Klimakonferenz in einem Gas- und Ölland statt, das wenig Interesse daran hat, seine klimaschädlichen Rohstoffe im Boden zu lassen. Trotz des großen Potenzials für Erneuerbare Energien in Aserbaidschan machen Gewinne aus Öl und Gas 60 Prozent der Staatseinnahmen aus.
Woher kommt das Geld für den Klimaschutz?
Neben der drastischen Reduzierung der Emissionen steht die internationale Klimakonferenz dieses Jahr vor einer herausfordernden Aufgabe: Die Staats- und Regierungschefs müssen darüber entscheiden, wie viel finanzielle Unterstützung Entwicklungsländer bekommen sollen, um die zunehmenden Folgen des Klimawandels zu bewältigen und den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu schaffen.
Wohlhabende Länder, darunter die USA, Japan und die Staaten der EU, hatten sich bereits vor Jahren dazu verpflichtet, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar bereitzustellen, um Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen. Dieses Ziel wurde jedoch erst 2022 erreicht. Ein erheblicher Teil der Mittel wurde in Form von Krediten mit hohen Zinsen angeboten, was zu scharfer Kritik und Vorwürfen gebrochener Versprechen führte.
Niklas Höhne vom New Climate Institute, einer deutschen Nichtregierungsorganisation zu Klimapolitik, schätzt, dass man sich auf einen Betrag zwischen 200 und 700 Milliarden Dollar pro Jahr einigen könnte. "Dann gäbe es einen fairen Finanzausgleich zwischen den wohlhabenden Ländern, die wirklich für den Klimawandel verantwortlich sind, und den weniger wohlhabenden Ländern, die vor allem unter dem Klimawandel leiden", so Höhne.
Afrikanische und andere Entwicklungsländer, darunter Indien, hatten schon mehrfach eine jährliche Summe von rund einer Billion Dollar gefordert, was einer Verzehnfachung der bisherigen Zusage entspräche. Die Industrieländer halten diese Zahlen für unrealistisch. Sie wollen gleichzeitig, dass die ölreichen Golfstaaten und China die finanzielle Last mittragen.
Streitpunkt - wer zahlt die Rechnung?
Auch wenn reiche Länder historisch den weitaus größten Teil zur Klimakrise beigetragen haben, ist inzwischen China das Land, das die meisten klimaschädlichen Gase erzeugt. In den offiziellen Dokumenten wird die Großmacht aber immer noch als Entwicklungsland geführt, das theoretisch Klimageld bekommt, anstatt ärmere Länder, die kaum zur Klimakrise beitragen, zu unterstützen.
Auch im vergangenen Jahr fanden die Verhandlungen in einem Öl-Land statt. Die Vereinigten Arabischen Emirate fungierten als Gastgeber. Auch sie gelten formell noch immer als Entwicklungsland. Sie sicherten ärmeren Ländern finanzielle Unterstützung bei der Energiewende und beim Wiederaufbau nach Klimakatastrophen zu. Beobachter nahmen dies als Hoffnungsschimmer wahr, dass sich nun auch wohlhabende Entwicklungsländer zunehmend in der Verantwortung sehen könnten.
In den VAE verständigte sich die Weltgemeinschaft letztes Jahr erstmals langfristig darauf, die Ursache für die Klimakrise anzugehen und auf das Verbrennen von Kohle, Öl und Gas zu verzichten. Dennoch erwärmt sich der Planet derzeit weiter. Im Pariser Klimaabkommen hatten sich 197 Länder geeinigt, die Erderwärmung auf 1.5 Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten zu begrenzen. Davon ist man aber weit entfernt.
Mit derzeitigen Klimapolitik rechnen Wissenschaftler mit einer Erderwärmung von 3.2 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts.
Kein Klimaschutz ohne weniger Emissionen
"Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen der Rhetorik und der Realität, wenn behauptet wird, dass man sich an 1.5 Grad Celsius orientiert und dann eine der zentralen Aufgaben nicht erfüllt ist", sagt Alden Meyer, leitender Experte beim internationalen Think Tank E3G, spezialisiert auf US-amerikanische und internationale Klimapolitik.
Sowohl die VAE als auch Aserbaidschan und der nächste Gastgeber der UN Klimakonferenz, Brasilien, hätten Pläne, die Produktion fossiler Brennstoffe auszubauen, erklärt Meyer. Denselben Trend sehe man in den USA, in Kanada, Norwegen, Australien und dem Vereinigten Königreich.
Vor allem die EU drängt darauf, dass mit mehr Geld für Entwicklungsländer auch mehr Klimaschutz verbunden sein müsse. Die Mitglieder des Pariser Klimaabkommens müssten im nächsten Jahr neue Klimaziele vorlegen, dennoch gäbe es von den meisten bisher nicht mal einen Entwurf, so Höhne.
Meyer erwartet außerdem, dass auch eine Verdopplung der Gelder zur Anpassung an den Klimawandel durch Industrieländer auf der Agenda der COP stehen wird. Dies könnten Frühwarnsysteme bei Stürmen oder Überflutungen sein, Maßnahmen für den Küstenschutz, Grünflächen gegen Hitze in Städten oder Sicherungsmaßnahmen für Kraftwerke in Sturm oder Flutgebieten.
Im Gespräch seien dafür 40 Milliarden jährlich. Zusätzlich soll der neue Fond für Schäden und Verluste weiterentwickelt und seine Umsetzung vorangetrieben werden. Über eine Aufstockung der ursprünglichen Zusagen dafür von 800 Millionen Dollar soll verhandelt werden.
Die neun schlimmsten Katastrophen in Entwicklungsländern 2023 haben laut der parteinahen Stiftung der Grünen Parteiin Deutschland, der Heinrich-Böll-Stiftung, alleine 37 Milliarden Dollar Schaden verursacht.
Die Debatte, ob Länder wie China oder Öl-Staaten sich hier beteiligen sollen, wird in Baku weitergehen.
US-Wahlen, Krieg - ist das 1.5 Grad-Ziel dennoch erreichbar?
Verschärft wird das Tauziehen um das Geld in diesem Jahr auch durch die weiterhin angespannten Haushalte der Länder als Folge der COVID-Pandemie, von wirtschaftlicher Unsicherheit und des Krieges in der Ukraine, der weltweit zu einer massiven Aufstockung von Militärbudgets geführt hat.
Auch der Wahlsieg von Donald Trump in den USA, der größten Volkswirtschaft und dem zweitgrößten Verursacher klimaschädlicher Emissionen, wird sich auf die Verhandlungen auswirken. Der Wahlausgang besorgt diejenigen, die sich für mehr und schnelleren Klimaschutz einsetzen.
Donald Trump hatte nicht nur während seiner ersten Amtszeit die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaft angezweifelt, eine Reihe von Umweltgesetzen zurückgenommen und das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt. Er hat bereits angekündigt, dass er im Falle einer zweiten Amtszeit seiner Linie als Anti-Klima-Präsident treu bleiben will und die Förderung von Kohle, Öl und Gas unter ihm Priorität genießen werden.
"Sein Vorstoß zur Ankurbelung der Förderung fossiler Brennstoffe, seine Missachtung internationaler Vereinbarungen und seine Weigerung, Klimafinanzierung bereitzustellen, werden die Krise verschärfen und Leben und Existenzgrundlagen gefährden", kommentiert Harjeet Singh, Klimaaktivist und Mitglied der Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty Initiative. Die Initiative setzt sich für das Ende fossiler Brennstoffe ein.
Durch Trumps Abrücken von der Klimazusagen der USA drohe das Vertrauen in die internationalen Systeme zu schwinden, so Singh weiter.
Damit das 1.5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch irgendwie erreicht werden kann, müssen die weltweiten Emissionen noch vor 2025 ihren Höchststand erreicht haben. Das könnte laut Analysten gerade noch rechtzeitig eingehalten werden.