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KonflikteNahost

UN kritisieren israelischen Militäreinsatz im Westjordanland

29. August 2024

Den zweiten Tag in Folge geht Israel militärisch gegen militante Palästinenser im Westjordanland vor. Die UN sehen dabei "tödliche Kriegstaktiken" im Einsatz.

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Ein Palästinenser durch eine zersplitterte Autoscheibe gesehen
Dschenin steht im Fokus des israelischen Militäreinsatzes - in dem Flüchtlingslager werden militante Palästinenser vermutetBild: /picture alliance

UN-Generalsekretär António Guterres hat sich zutiefst besorgt über die explosive Lage im Westjordanland und Israels großangelegten Militäreinsatz in dem besetzten Palästinensergebiet gezeigt. Er verurteile auf das Schärfste den Verlust von Menschenleben, darunter auch Kinder, erklärte sein Sprecher Stéphane Dujarric. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen fordere die sofortige Beendigung dieser Einsätze. Israel müsse seinen Verpflichtungen nach dem humanitären Völkerrecht nachkommen und Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung ergreifen.

Die Menschen in der besetzten Region seien zunehmend "tödlichen Kriegstaktiken" ausgesetzt, die "die internationalen Standards für die Strafverfolgung zu überschreiten scheinen", erklärte Dujarric weiter. Nach Medienberichten setzte das Militär neben zahlreichen Infanteristen auch Drohnen und Scharfschützen ein, zerstörte Infrastruktur mit Bulldozern und sperrte sämtliche Zufahrtswege nach Dschenin und Tulkarem. Israelischen und palästinensischen Medien zufolge umstellten Einsatzkräfte auch Krankenhäuser in beiden Städten und blockierten Krankenwagen. Die Armee kontrolliere den Zutritt zu den Klinikgebäuden, um zu verhindern, dass sich Militante dort verschanzten, sagte ein israelischer Armeesprecher. 

Inzwischen mindestens 15 Todesopfer

Israel hatte den großangelegten Militäreinsatz im nördlichen Westjordanland am Mittwoch begonnen, bei dem nach offiziellen palästinensischen Angaben am ersten Tag mindestens zehn Menschen getötet wurden. Inzwischen hat sich die Zahl der Todesopfer um fünf weitere erhöht. "Nach einem Feuergefecht töteten die Streitkräfte am Donnerstagmorgen fünf Terroristen, die sich in einer Moschee in Tulkarem versteckt hatten", so die Angaben des israelischen Militärs. Einer der Getöteten sei ranghoher Anführer eines Terrornetzwerks in dem örtlichen Flüchtlingsviertel gewesen. Mohammad Dschaber wurde vorgeworfen, an mehreren Anschlägen beteiligt gewesen zu sein.

Hintergrund des Einsatzes sei eine zuletzt deutlich gestiegene Anzahl von Anschlägen auf Israelis, die im nördlichen Westjordanland ihren Ursprung gehabt hätten, sagte der Armeesprecher. Er verwies dabei auch auf die jüngste Explosion eines Sprengsatzes in Tel Aviv, bei dem der Attentäter getötet und ein Passant verletzt worden waren. Nach israelischer Darstellung ist das Ziel des großangelegten Einsatzes vor allem in Dschenin und Tulkarem ein vom Iran unterstütztes Terrornetzwerk. Beide Städte gelten als Hochburgen militanter Palästinenser.

Warum Iran und Israel Feinde sind

EU-Sanktionen gegen israelische Minister?

Die Entwicklungen im Israel-Hamas-Krieg beschäftigen an diesem Donnerstag auch die Außenminister der Europäischen Union in Brüssel. Der Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Regierungen der 27 EU-Staaten einen Vorschlag für Sanktionen gegen israelische Regierungsmitglieder unterbreitet. Mit Strafmaßnahmen belegt werden sollen demnach Finanzminister Bezalel Smotrich und Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, wie mehrere EU-Beamte der Deutschen Presse-Agentur kurz vor dem EU-Außenministertreffen bestätigten. 

Sowohl Smotrich als auch Ben-Gvir sorgten zuletzt mit Äußerungen gegen Palästinenser für Empörung. Sie sind rechtsextreme Koalitionspartner von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Zudem sind beide Verfechter der aus Sicht des höchsten UN-Gerichts illegalen Siedlungspolitik in besetzten Gebieten im Westjordanland.

Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich applaudieren auf der Regierungsbank
Scharfmacher im israelischen Kabinett: Itamar Ben-Gvir (2.v.r.) und Bezalel Smotrich (r.)Bild: AMIR COHEN/REUTERS

Extreme Äußerungen zum Israel-Hamas-Krieg

Ben-Gvir hatte sich zuletzt unter anderem dafür ausgesprochen, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu stoppen, um die dort herrschende Terrororganisation Hamas zum Aufgeben zu bewegen. Ähnlich äußerte sich Finanzminister Smotrich. Er bezeichnete eine mögliche Blockade von Hilfsgütern bis zur Freilassung aller israelischen Geiseln der Hamas als moralisch und gerechtfertigt, selbst wenn dies den Hungertod von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bedeute.

Die Hamas hat nach israelischer Zählung derzeit noch 107 Geiseln in ihrer Gewalt. Mindestens ein Drittel davon gilt als tot. Insgesamt verschleppten palästinensische Terroristen am 7. Oktober vergangenen Jahres mehr als 250 Menschen aus Israel in das Küstengebiet. Rund 1200 Menschen wurden bei dem beispiellosen Terroranschlag getötet. Israels Armee reagierte mit verheerenden Angriffen in Gaza, bei denen nach palästinensischen Angaben bereits mehr als 40.000 Menschen getötet wurden. Die Angaben lassen sich unabhängig nicht überprüfen.

Umsetzung der Sanktionen ungewiss

Dem Vorstoß Borrells zufolge könnten die Sanktionen gegen Smotrich und Ben-Gvir wegen Aufstachelung zu Hass und Menschenrechtsverletzungen verhängt werden. Demnach müssten von ihnen in der Europäischen Union vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden und sie dürften nicht mehr in die EU einreisen. Ob der Vorschlag umgesetzt werden kann, ist allerdings noch unklar. Hintergrund ist, dass Sanktionsbeschlüsse in der EU einstimmig gefasst werden müssen und Länder wie Deutschland, Tschechien und Ungarn Sanktionsforderungen gegen Israel bislang eher kritisch gegenüberstanden. 

fab/se/wa (dpa, afp, rtr)

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