Kein "Club der Gutmenschen"
10. September 2018Venezuela befindet sich seit Monaten in einer politischen und wirtschaftlichen Krise. Die Hyperinflation führt zu immer mehr Armut und Hunger, die Menschen fliehen zu Hunderttausenden in die Nachbarländer. Die Opposition wird oftmals bedroht und unter Druck gesetzt. Menschenrechtsorganisationen kritisieren das Land immer wieder. Am 11. September will der venezolanische Außenminister Jorge Arreaza sein Land vor dem UN-Menschenrechtsrat verteidigen. Doch das Gremium steht selbst immer wieder in der Kritik.
Der Menschenrechtsrat wurde 2006 als Nachfolgeorganisation der UN-Menschenrechtskommission ins Leben gerufen. Bei der Abstimmung über die Gründung des Gremiums in der UN-Generalversammlung enthielt sich Venezuela der Stimme. Die Hauptaufgabe des Rates besteht darin, die Menschenrechtsaktivitäten der Vereinten Nationen zu koordinieren und die internationale Zusammenarbeit in Menschenrechtsfragen zu fördern. Er hat auch Möglichkeiten, Beschwerden von Einzelpersonen, Gruppen oder NGOs aufzunehmen und auf dieser Basis Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen. Der Rat arbeitet auch eng mit dem Büro der Hohen Kommissarin für Menschenrechte (OHCHR), Verónica Michelle Bachelet, zusammen.
Auch Deutschland wurde bereits untersucht
Der Rat besteht aus 47 wechselnden Mitgliedsstaaten, die von der UN-Vollversammlung für je drei Jahre gewählt werden. Sie werden nach Regionen ausgewählt: Afrika sowie die asiatisch-pazifischen Staaten haben jeweils 13 Sitze, Lateinamerika und die Karibik acht. Westeuropa und weiteren Staaten stehen sieben Sitze zu, den osteuropäischen Staaten sechs. Das Gremium kommt drei Mal im Jahr zusammen. Alle 193 UN-Mitglieder müssen sich regelmäßig von ihm überprüfen lassen. Maßstäbe für die Überprüfung sind die UN-Charta, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte sowie weitere UN-Menschenrechtsabkommen. Bei der Evaluierung legt das jeweilige Land dem Rat einen aktuellen Bericht über die Umsetzung von menschenrechtlichen Verpflichtungen vor. Zudem können die anderen Mitglieder Fragen stellen. Nach der Überprüfung werden Empfehlungen ausgesprochen, die jedoch nicht rechtlich bindend sind. Auch Deutschland wurde bereits von dem Gremium untersucht. Im Mai forderte es die Bundesrepublik auf, stärker gegen Rassismus vorzugehen.
Kritik an Zusammensetzung des Rates
Für Kritik sorgen regelmäßig die Mitgliedschaften bestimmter Länder im Rat - Länder, die selbst immer wieder Menschenrechtsverletzungen begehen. Als Ratsmitglieder können sie Abmahnungen ihrer eigenen Menschenrechtsverletzungen selbst verhindern. 2010 etwa wurde Libyen in das Gremium gewählt - ein Land, das damals noch autoritär von Muammar al-Gaddafi regiert wurde. 2011 wurde es nach anhaltenden Protesten von Menschenrechtsgruppen von der UN-Generalversammlung wieder aus dem Gremium ausgeschlossen. Derzeit wird vor allem die Mitgliedschaft Saudi-Arabiens kritisiert. Aber auch die Mitgliedschaften von China oder Kuba sind umstritten.
Austritt der USA
Die USA - die schon 2006 gegen die Gründung des Gremiums gestimmt hatten - waren im Juni dieses Jahres als erstes Land aus dem Menschenrechtsrat ausgetreten. Sie werfen ihm "Verlogenheit" und eine israelfeindliche Haltung vor. So steht bei jeder Sitzung des Rates als einzige Region "Palästina und andere besetzte arabische Gebiete" als ständiger Punkt auf der Tagesordnung. Alleine in diesem Jahr wurden dabei fünf Resolutionen gegen Israel verabschiedet, "mehr als gegen Nordkorea, Iran und Syrien zusammen", kritisierte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley. Zudem würden immer wieder Menschenrechtsverletzer in den Rat gewählt. "Die unmenschlichsten Regime der Welt entgehen so einer genauen Überprüfung", so Haley. Zeitgleich standen die USA selbst in der Kritik, weil sie an der mexikanischen Grenze Kinder von illegal Eingewanderten von ihren Eltern trennten.
"Wichtiger Baustein der internationalen Ordnung"
Die deutsche Bundesregierung bedauerte den Austritt der USA - forderte aber auch Reformen des Menschenrechtsrates. "Auch Deutschland betrachtet die anti-israelischen Tendenzen im Menschenrechtsrat mit Sorge", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert im Juni. Trotzdem müsse der Rat von innen reformiert werden. Die Menschenrechtsbeauftrage der Bundesregierung, Bärbel Kofler, bezeichnete den Rat als "wichtigen Baustein der internationalen Ordnung". Sie verwies auf Erfolge, wie etwa beim Aussöhnungsprozess in Sri Lanka oder bei der Dokumentation schwerer Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Auch Diplomaten in Genf verteidigen das Gremium: Es sei wichtig, mit allen Ländern im Gespräch zu bleiben - ein "Club von Gutmenschen" allein könne wenig ausrichten.
Die 39. Sitzung des Menschenrechtsrates beginnt am Montag, den 10. September 2018, und endet am 28. September. Dabei wollen sich die Mitglieder nicht nur mit Venezuela beschäftigen, sondern unter anderem auch mit der Lage in Syrien, Burundi oder Myanmar.