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KonflikteNahost

UN warnen vor Hungertod Hunderttausender Palästinenser

22. Dezember 2023

Die 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen sind von einer "unmittelbaren Hungersnot" bedroht. Zahlreiche Hilfsorganisationen sprechen nach einer neuen Studie von einer "weltweit beispiellosen Lage" in Gaza.

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Zahlreiche Menschen halten einem Mann leere Töpfe und Schüsseln hin
Ein Helfer einer Wohltätigkeitsorganisation im Gazastreifen versorgt Hunderte hungrige Menschen mit einer warmen Mahlzeit Bild: Mohammed Talatene/picture alliance/dpa

576.600 Menschen im überwiegend von Palästinensern bewohnen Gazastreifen hungern bereits. Darauf weisen insgesamt 23 Organisationen der Vereinten Nationen (UN) und Nichtregierungsorganisationen in einer neuen Studie hin. "Wir warnen seit Wochen davor, dass jeder Tag, der vergeht, angesichts der Entbehrungen und der Zerstörung nur noch mehr Hunger, Krankheit und Verzweiflung für die Menschen im Gazastreifen mit sich bringt", schreibt UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths im Onlinedienst X, vormals Twitter.

Laut der UN-Studie zur fünfstufigen Skala für Ernährungsunsicherheit ist das "wahrscheinlichste Szenario", dass bis Anfang Februar die gesamte Bevölkerung im Gazastreifen - 2,2, Millionen Menschen - von Hunger betroffen sein wird. Arif Husain, Chefökonom des Welternährungsprogramms (WFP) der UN, sagte: "Ich habe noch nie etwas in dem Ausmaß gesehen, wie es in Gaza geschieht. Und in dieser Geschwindigkeit." 

UN-Vertreter sprechen von einer "weltweit beispiellosen Lage" in Gaza. Es brauche dringend mehr Hilfslieferungen, damit die hohe Zahl Tausender ziviler Opfer nicht weiter steige. "Wir können nicht darauf warten, dass eine Hungersnot ausgerufen wird, bevor wir handeln", betonte die New Yorker Sprecherin des Welternährungsprogramms, Shaza Moghraby.

Auswärtiges Amt: Hunger nährt den Terror

Das Auswärtige Amt in Berlin erklärt auf X, es sei notwendig, dass Israel "einen besseren Zugang für Hilfslieferungen gewährt, seine militärische Strategie anpasst und humanitäre Pausen zulässt". Das Ministerium warnt davor, dass "Hunger den Terror nährt".

Der israelische Präsident Isaac Herzog sagte, Israel arbeite daran, die Hilfsgütertransporte für Gaza auf 300 bis 400 Lastwagen pro Tag zu erhöhen. Die Menge der Hilfsgüter könnte sich verdreifachen, "wenn die UN, anstatt sich den ganzen Tag zu beschweren, ihre Arbeit machen würden", sagte Herzog weiter ohne näher darauf einzugehen.

Israel hatte den Gazastreifen nach dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober abgeriegelt. Hunderte Hamas-Terroristen waren an dem Tag in israelische Orte eingedrungen, hatten rund 1200 Menschen ermordet und etwa 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Die Hamas wird von Israel, den USA, der EU und einigen arabischen Staaten als Terrororganisation gelistet.

Als Reaktion bombardieren die israelischen Streitkräfte seither Ziele in Gaza und starteten eine Bodenoffensive. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 20.000 Menschen getötet.

Ein Mädchen streitet sich mit einem Jungen um eine Wasserflasche, eine Frau freut sich über zwei Flaschen Trinkwasser
In Chan Junis werden von einem Lastwagen Flaschen mit Trinkwasser an die Menschen verteilt Bild: Abed Zagout/Anadolu/picture alliance /

 

1,9 Millionen Bewohner des Gazastreifens mussten nach UN-Schätzung bislang aus ihren Häusern fliehen. Es gibt kaum Lebensmittel, Wasser, Treibstoff, Medikamente und andere medizinische Güter in Gaza. Die Krankenhäuser im Norden des Küstenstreifens sind laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) nicht mehr funktionstüchtig.

Über den ägyptischen Grenzübergang Rafah gelangen Hilfsgüter nach Gaza. Doch es ist nur ein Bruchteil dessen, was tatsächlich benötigt wird. Sei einigen Tagen lässt Israel auch Transporte über den israelischen Grenzübergang Kerem Shalom im Süden des Gazastreifens zu. 

Abstimmung über UN-Resolution an diesem Freitag?

Der UN-Sicherheitsrat in New York hat die Abstimmung über einen Resolutionstext zum Krieg zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas nach Angaben von Diplomaten auf diesen Freitag verschoben. Nach grundlegenden Änderungen in dem Kompromissentwurf müssten sich mehrere Länder noch mit ihren Regierungen beraten, hieß es. Einige Ratsmitglieder hatten sich in Gesprächen hinter verschlossenen Türen unzufrieden mit dem abgeänderten Text zur Aufstockung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen gezeigt.

Überlebende durchsuchen Gebäudetrümmer in Rafah
Palästinenser durchsuchen Gebäudetrümmer nach einem weiteren Luftangriff in Rafah an der Grenze zu ÄgyptenBild: Fatima Shbair/AP/picture alliance

Ziel der von den Vereinigten Arabischen Emiraten eingebrachten Resolution im mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen war ursprünglich ein Aufruf für eine Feuerpause in Gaza. Im aktuellen Entwurf werden laut Korrespondenten "dringende Schritte" zu einem "sicheren und ungehinderten" Zugang für humanitäre Hilfe im Gazastreifen gefordert. Eine Aufforderung zur sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen enthält der Text nicht. Der ursprünglich vorgelegte Resolutionsentwurf hatte eine "dringende und dauerhafte Einstellung der Kämpfe" gefordert.

USA unterstützen derzeitigen Entwurf

"Wenn die Resolution so vorgelegt wird, wie sie ist, dann können wir sie unterstützen", sagte US-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield vor Journalisten. Die USA sind ein enger Verbündeter Israels. Am 8. Dezember war die Verabschiedung einer UN-Resolution für eine "sofortige humanitäre Waffenruhe" am Veto der USA gescheitert. Die Vereinigten Staaten begründeten ihre Ablehnung damit, eine Waffenruhe würde der Hamas Vorteile bringen. Israel will die militante Palästinenserorganisation zerstören.

se/sti/pg (afp, ap, dpa, rtr)

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