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Deutsche Medien über den Ukraine-Konflikt

Vera Kern15. April 2014

Einseitig? Oberflächlich? In deutschen Medien berichten "Russlandversteher" wie Russlandkritiker. Über die Schwierigkeit, bei der Berichterstattung neutral zu bleiben.

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Proteste auf dem Maidan in Kiew am 20.02.2014 (Foto: EPA/SERGEY DOLZHENKO)
Bild: picture-alliance/dpa

Aktuelle Bilder aus der Ostukraine: Drei Panzer mit russischen Fahnen fahren durch die Stadt Kramatorsk, darauf bewaffnete Männer in Uniformen ohne Abzeichen. Doch sind es russische oder ukrainische Militärfahrzeuge? Und wer hat die Männer geschickt? Im sich zuspitzenden Konflikt um Separatisten in der Ostukraine zeigt sich: In einer so komplizierten Gemengelage ist es für Medien schlicht nicht immer möglich, die Fakten eindeutig zu benennen. Russische Propaganda oder Mitteilungen der ukrainischen Übergangsregierung: Es ist schwierig, Informationen verlässlich einzuordnen.

Bei Ausbruch der Ukraine-Krise vergangenen Herbst dominieren anfangs klassische Revolutionsbilder, wie man sie aus den Medien kennt: Friedliche Demonstranten, die in einem Protestcamp wochenlang für eine bessere Ukraine kämpfen. Wer seither die Nachrichten in Deutschland verfolgt, erfährt zunächst über alle Medienkanäle hinweg: Hier kämpfen pro-europäische Demonstranten gegen den korrupten, russlandtreuen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Die mediale Einteilung in "gut" und "böse" scheint klar.

Doch so eindeutig lässt sich der Konflikt nicht erzählen - weder damals noch heute. "Die gesamte Berichterstattung ist von Schwarz-Weiß-Positionen geprägt - in der einen wie in der anderen Richtung", kritisiert Hanno Gundert, Geschäftsführer von n-ost, einem Netzwerk für Osteuropa-Berichterstattung. Denn die Interessenslage im Ukraine-Konflikt ist von Anfang an verworren. Wie komplex sie tatsächlich ist, taucht zunächst jedoch kaum in den Korrespondentenberichten auf. Als "pro-europäisch" beschreiben die nach Kiew geschickten Auslandsreporter die Protestbewegung zunächst. Kaum ein Journalist verlässt den Maidan, um sich ein umfassenderes Bild von der Lage im Land zu machen. Viele westliche Pressevertreter logieren im Hotel Ukraina direkt am Platz. Dort etabliert sich eine Art "Pressezentrum der Opposition".

Hanno Gundert, Geschäftsführer von n-ost (Foto: Stefan Günther, n-ost)
Hanno Gundert von n-ost: Schwarz-Weiß-Positionen auf beiden SeitenBild: Stefan Günther/n-ost

Ost-West-Schema in den Medien

"Man sah es als einen zivilgesellschaftlichen Protest gegen einen schlechten Herrscher", so Simon Weiß, Politikwissenschaftler an der Universität Heidelberg, im Gespräch mit der DW. Gerade in der ersten Phase der Proteste beobachtet er eine undifferenzierte Berichterstattung, die dem Muster folgt: "Hier der Westen, da der finstere Herrscher und das finstere Russland - Fortschritt gegen Korruption." Die deutschen Medien, so Weiß, hätten anfangs eine "sehr ähnliche Sichtweise" auf den Konflikt in der Ukraine gehabt wie die Bundesregierung - nämlich einseitig und unausgewogen.

Zu diesem Urteil kommt auch ein Bericht des Medienmagazins "Zapp" des Norddeutschen Rundfunks: Dort wurden jeweils eine Woche lang im November, Januar und Februar die ARD-Nachrichtensendungen "Tagesschau" und "Tagesthemen" analysiert. Das Ergebnis: Fast 80 Prozent der Interviewpartner waren Regierungsgegner. Ein beliebter Gesprächspartner: Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko, der zu einer Art Galionsfigur stilisiert wird. Dabei ist er einer von mehreren Oppositionsführern. Wird hier etwa Partei ergriffen? Bei vielen Lesern und Zuschauern entsteht dieser Eindruck allmählich, so Weiß.

Oppositionsführer Klitschko auf dem Maidan (REUTERS/Vasily Fedosenko)
Zur Galionsfigur der Maidan-Proteste stilisiert: Ex-Boxer und Oppositionsführer KlitschkoBild: Reuters

Mit dem Fortschreiten der Krise ändern sich dann auch die Bilder in den Nachrichten. Nachdem Ende Februar die Situation auf dem Maidan eskaliert und die Janukowitsch-Regierung schließlich gestürzt wird, taucht plötzlich der Name "Swoboda" in der Berichterstattung auf. Jene rechtspopulistische Partei, die inzwischen sogar an der Übergangsregierung beteiligt ist. Nun ist die Narrative in den deutschen Medien eine andere: Wurden die Flaggen der umstrittenen Swoboda-Partei vorher noch unkommentiert im Bildhintergrund geschwenkt, richtet sich nun die ganze Aufmerksamkeit auf sie.

"Dieser Pro-Maidan-Diskurs wurde dann aufgebrochen, und es kamen mehr kritische Töne zu Wort", so Politologe Simon Weiß. Ein Beweis dafür, dass die Korrespondenten endlich genauer hinschauen? N-ost-Geschäftsführer Hanno Gundert bleibt skeptisch: "Die Rechten waren überrepräsentiert - und haben damit die ganze Bewegung diskreditiert." Denn spätestens jetzt rückt ein Akteur ins Rampenlicht der Medien: Russland. Dem russischen Präsidenten dürfte die Zerstreuung des Mythos Opposition durchaus gelegen gekommen sein.

Präsident Putin (Foto: REUTERS/Mikhail Klimetyev/RIA Novosti/Kremlin)
Manche Medien verstehen ihn, manche kritisieren ihn: Russlands Präsident PutinBild: Reuters/Mikhail Klimetyev/RIA Novosti

Russlandversteher versus Russlandkritiker

Für oder gegen Russland: Spätestens seit Putin die Schwarzmeer-Halbinsel Krim annektiert hat, geht es im Ukraine-Konflikt vor allem um Russland. Je weiter sich die Krise ausweitet, desto mehr erfolgt zudem eine Personalisierung in der Berichterstattung. So titelt das Magazin "Der Spiegel" am 10.3.2014: "Der Brandstifter - Wer stoppt Putin?" In vielen Berichten wird Putin als brutal und skrupellos dargestellt.

Putin gegen Europa und Amerika, Ost gegen West: Es ist die Rhetorik des Kalten Krieges. Aber nicht nur diese macht sich in den Medien breit. "Es fällt auf, dass sich Russlandversteher und Russlandkritiker gegenseitig vorwerfen, die Debatte zu dominieren", so Hanno Gundert. Die einen sehen in Putin per se den Schuldigen. Die anderen werben um mehr Verständnis für russische Befindlichkeiten. Gundert kritisiert eine teilweise unreflektierte Übernahme von Argumenten der russischen Propaganda. Etwa, dass die NATO versprochen habe, ihre Grenzen nicht auszudehnen.

Eines sollte die deutsche Berichterstattung bei aller Sorge um die europäische Sicherheitsarchitektur schließlich nicht vergessen: "Man diskutiert über die Ukraine hinweg", kritisiert Ost-Europa-Experte Gundert. Denn um die geht es vor lauter Russland nur noch am Rande.