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Unermüdliche Umweltaktivisten

Greta Hamann22. Oktober 2013

Sie seilen sich von Kraftwerken ab, stoppen Walfänger mit Schlauchbooten oder ketten sich an Gleise - für Umweltaktivisten scheint kein Risiko zu groß zu sein. Doch sind die Proteste ihren Aufwand wert?

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Das Greenpeace-Schiff Arctic Sunrise auf dem Meer mit einem Schlauchboot im Vordergrund (Foto: greenpeace)
Bild: Greenpeace

Jörg Fedderns Telefon steht derzeit selten still. Er ist Ölexperte bei Greenpeace Deutschland. Er und seine Kollegen, Greenpeace-Mitarbeiter rund um den Globus, haben derzeit sehr viel zu tun. Denn 28 Aktivisten und zwei Fotojournalisten sitzen in russischer Gefangenschaft, teils unter sehr schlechten Bedingungen, wie Fedderns erzählt. Jetzt setzt Greenpeace alles daran, sie wieder frei zu bekommen.

Grund für die Festnahme war eine Aktion am 18. September 2013: Die Aktivisten wollten auf einer Ölplattform in der Arktis gegen die Ölförderung in diesem Gebiet protestieren. Die russische Justiz wirft ihnen Rowdytum vor. Eine Abmilderung, der ursprüngliche Vorwurf lautete auf Piraterie und Drogenbesitz. Gefängnisstrafen drohen aber trotzdem. „Diese Vorwürfe sind komplett an den Haaren herbei gezogen“, so Feddern gegenüber der DW. Greenpeace agiere von Beginn an gewaltfrei und auch in diesem Fall hätten sich die Aktivisten daran gehalten.

Gefangenschaft und andere ernste Konsequenzen sind für Umweltaktivisten keine Seltenheit. Immer wieder bringen sie sich in Lebensgefahr, um für ihre Sache - den Schutz der Natur - einzustehen. „Wir handeln alle aus vollster Überzeugung“, sagt Jörg Feddern. „Wir sind überzeugt davon, dass Greenpeace nach den richtigen Prinzipien handelt. Außerdem geht die Arktis uns alle etwas an.“

Viel Aufwand für wenig Ertrag?

Gerade die Ausbeutung der Arktis ist ein Thema, das sich schwierig vermitteln lässt, so Feddern. Aus diesem Grund veranstaltet Greenpeace immer wieder spektakuläre Aktionen, um darauf aufmerksam zu machen und den Menschen zu verdeutlichen, dass auch sie von den Folgen der Umweltzerstörung betroffen sein werden. Klar sei der Aufwand groß, doch Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigten, dass sich dieser lohne, so Feddern.

„Der Klimawandel ist noch lange nicht im Griff und auch die Umweltverschmutzungen sind nach wie vor gigantisch“, sagt Jochen Roose, Juniorprofessor für Soziologie an der Freien Universität Berlin. Er erforscht die Wirksamkeit von Umweltprotesten. Waren also die Bemühungen der deutschen Umweltaktivisten in den vergangenen Jahrzehnten nutzlos? Solch eine Pauschal-Aussage fällt dem Wissenschaftler jedoch schwer: „Es gibt einfach zu viele Kriterien, die zu einem Erfolg oder einem Nicht-Erfolg beitragen.“

Auch aus Sicht von Joachim Radkau ist es schwierig, Fortschritte im Umweltschutz einzelnen Akteuren zuzuschreiben - schließlich kämen stets mehrere Faktoren zusammen. Der Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld hat sich für sein Buch “Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte” intensiv mit der Entwicklung von Umweltbewegungen beschäftigt. Sein Fazit: „Umweltproteste sind erfolgreicher als oft angenommen wird.“

Brent-Spar: Große Erfolgsgeschichte der Umweltbewegung

Ein beliebtes Beispiel, das gern als ein erfolgreicher Umweltprotest angeführt wird, ist der Shell-Boykott im Jahr 1995. Greenpeace besetzte damals den schwimmenden Rohöl-Tank “Brent-Spar” der Firma Shell in der Nordsee. Das Unternehmen wollte die Plattform im Meer versenken und somit entsorgen. Die Greenpeace-Proteste lösten einen bis dahin beispiellosen Boykott zahlreicher Shell-Tankstellen aus. In Deutschland und sogar bis in die Niederlande steuerten Autofahrer lieber andere Tankstellen an. Und sogar ganze Verbände, Behörden und Politiker sprachen sich gegen Shell aus. Die Folge: Umsatzeinbußen von bis zu 50 Prozent bei den Shell-Pächtern. Aufgrund der Proteste entschied sich das Unternehmen später gegen die Versenkung. Drei Jahre danach wurde sogar ein Verbot der Versenkung von Plattformen beschlossen. Ein Triumph und ein eindeutiger Gewinn für die Aktivisten.

Weltweit gilt Deutschland als vorbildlich in Sachen Umweltschutz. Das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung ist groß, als eines der ersten Länder hatte Deutschland ein Bundesministerium für Umwelt und es gibt zahlreiche lokale Bürgerinitiativen, die sich für den Umweltschutz einsetzen. Heute blickt man rund um den Globus gespannt auf die Umsetzung der sogenannten Energiewende, also den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieformen. „Das haben wir nicht zuletzt auch den Umweltprotesten zu verdanken“, sagt Joachim Radkau. Doch es hätten auch viele andere Faktoren mit dazu beigetragen. „Protestbewegungen sind dann erfolgreich, wenn sie nicht auf einsamer Flur stehen und es Übereinstimmungen mit politischen und wirtschaftlichen Interessen gibt.“

Umweltproteste müssen vielfältig sein

Außerdem sei eine Vielfalt der gewählten Mittel wichtig, sagt Joachim Roose. In Deutschland sind Greenpeace und WWF die größten Umweltorganisationen. Während Greenpeace meistens mit spektakulären Aktionen in Erscheinung tritt, steht der WWF für seine Nähe zur Industrie und seine gesprächsorientierte Handlungsweise, so der Experte. „Je heterogener die Aktionsformen sind, desto stärker wird die Umweltbewegung. Ich bin überzeugt davon, dass man beide Seiten braucht, sowohl provokante Greenpeaceaktionen, als auch Organisationen, die eher kooperativ sind, wie der WWF“, sagt Roose.

Das sieht auch Jörn Ehlers, Pressesprecher vom WWF, so: „Man muss unterschiedliche Wege gehen mit dem gleichen Ziel.“ Und selbst Jörg Feddern von Greenpeace gibt zu: „Proteste sind nicht immer grundsätzlich das beste Mittel. Es ist ein Mittel von vielen. Wichtig ist, dass man einen ganzen Strauß an Maßnahmen hat“, so Feddern.

Internationale Proteste sind schwerer zu organisieren

Zu den internationalen UN-Klimaverhandlungen schickt Greenpeace beispielsweise eine eigene Expertendelegation. „Gerade auf der internationalen Ebene wird die Organisation von Protesten immer schwieriger“, sagt Experte Joachim Roose. Trotzdem müsste auch hier immer wieder öffentlicher Druck durch Medienaufmerksamkeit aufgebaut werden, so Roose. Dieser Meinung ist auch Jörg Feddern von Greenpeace: „Wenn Umweltorganisationen nicht immer wieder massiv auf die Probleme aufmerksam machen würden, dann wären wir in den Klimaverhandlungen, so schwach sie auch sind, noch bei Weitem nicht so weit wie jetzt. Wenn wir den Druck wegnehmen würden, dann wäre die Industrie, unser Gegenspieler, sehr viel erfolgreicher.“

Trotz zahlreicher kleiner Teilerfolge, die die deutsche und die internationale Umweltbewegung bereits erreichen konnte. Ihr endgültiges Ziel - nämlich sich selbst als Umweltschutzorganisation überflüssig zu machen - liegt wohl noch in weiter Ferne. Da sind sich Experten und Aktivisten einig.

Fußballer mit WWF-Logo auf dem Trikot (Foto: picture alliance/augenklick/firo Sportphoto)
… lässt der WWF sein Logo auf den Trikots des FC Freiburgs abdrucken.Bild: picture alliance/augenklick/firo Sportphoto
Aktivisten seilen sich vom Stadion-Dach ab (Foto: dpa)
Während Greenpeace-Aktivisten sich vom Stadiondach abseilen…Bild: picture-alliance/dpa
Portrait von Greenpeace Experte Jörg Feddern (Foto: Greenpeace)
Greenpeaceexperte Jörg Feddern kann auch Schlauchboot fahren. Für die Umwelt sind ihm viele Mittel recht.Bild: Greenpeace
Polizisten bewachen einen verhafteten Greenpeace-Aktivisten (Foto: AP)
Für die Umwelt hinter Gittern: Russland hat 30 Greenpeaceaktivisten festgenommen.Bild: picture-alliance/AP Photo