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Politik

Studenten besetzen Theater- und Film-Uni

Felix Schlagwein
2. September 2020

Die renommierte Theater- und Filmuniversität in Budapest soll auf Regierungslinie gebracht werden. Doch Studenten und Lehrpersonal wehren sich. Mittlerweile haben sie die Universität besetzt.

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Ungarn Budapest SZFE
Studenten vor dem verbarrikadierten Eingang zum UniversitätsgebäudeBild: DW/F. Schlagwein

Weiß-rotes Flatterband und Holzplanken versperren den Türen zur renommierten Theater- und Filmuniversität (SZFE) in Budapest. In der Eingangshalle vor dem großen Theatersaal stehen Zelte, Kostüme und Handtücher hängen über Wäscheleinen. Fast im Minutentakt kommen Unterstützer und versorgen die Studenten mit Lebensmitteln und Klopapier.

"Um Mitternacht haben wir die Universität besetzt", ruft Attila Nagy, Student der SZFE, am Dienstagnachmittag durch seine leuchtend gelbe Atemschutzmaske. Seine Kommilitonen applaudieren, unterstützen seine Worte mit lautem Rufen.

Attila Nagy - Ungarn Budapest SZFE
Student Attila Nagy verkündet die Besetzung der SZFEBild: DW/F. Schlagwein

Mit der Besetzung ihrer Universität wehren sich die Budapester Studenten gegen die neue Universitätsleitung, eine Stiftung, die der rechtsnationalen Regierung von Premierminister Viktor Orbán nahesteht. Gegen deren offiziellen Amtsantritt am Dienstag protestierten bereits am Montagabend Hunderte vor dem Gebäude der 1865 gegründeten Hochschule. Zuvor war die gesamte Universitätsleitung aus Protest zurückgetreten, darunter László Bagossy, Leiter des Theaterinstituts der SZFE.

Die Übernahme der Universität durch die regierungsnahe "Stiftung für Theater und Filmkunst" bedeute "die Zerstörung unserer Autonomie", so der Professor im Gespräch mit der DW. Er selbst beteilige sich nicht an der Besetzung der Universität, allerdings seine zwei Kinder, die an der SZFE studieren. "Für die Studenten ist es der letzte Ausweg", sagt Bagossy.

Übernahme durch regierungsnahe Stiftung

Bereits Ende Mai hatte die ungarische Regierung angekündigt, die staatliche Theater- und Filmuniversität unter die Leitung einer privaten Stiftung zu stellen. Dadurch würde die Qualität der Lehre gesteigert und die Unabhängigkeit der Universität sichergestellt, hieß es.

Tatsächlich besteht der Stiftungsvorstand ausschließlich aus Personen, die als regierungsnah gelten. Alle Personalvorschläge der bisherigen Universitätsleitung wurden abgelehnt.

Vor allem der Vorsitzende der neuen Stiftung, Attila Vidnyánszky, ist bekennender Unterstützer von Viktor Orbán. Schließlich ernannte dessen Fidesz-Regierung ihn 2013 zum Intendanten des Budapester Nationaltheaters. Vidnyánszky, der seinen Arbeitsplatz einst als "sakralen Ort" bezeichnete, setzte anschließend radikale, teils ideologisch gefärbte Veränderungen im Programm des Theaters durch. Dadurch habe nicht nur die Qualität des Theaters gelitten, sagt László Bagossy. Auch die Zuschauer seien immer mehr fern geblieben.

László Bagossy - Ungarn Budapest SZFE
László Bagossy, Professor und Leiter des Theaterinstituts an der Budapester Theater- und Filmuniversität Bild: DW/F. Schlagwein

Als Präsident der neugegründeten Stiftung kann Attila Vidnyánszky nun seinen Einfluss auf die Theater- und Filmuniversität ausweiten. Sie soll "christlicher" und "nationaler" ausgerichtet werden. Laut der zurückgetretenen Universitätsleitung hat die Stiftung ab sofort die vollständige Kontrolle über Budget, Organisation und Personalentscheidungen. Für SZFE-Professor László Bagossy ist jedoch klar, dass Vidnyánszky auf Geheiß des Premierministers handele. Er bezeichnet ihn als "Orbáns General für Kultur".

Studenten stellen Forderungen auf

Die Studenten der Universität wollen die vermeintliche politische Übernahme jedoch nicht hinnehmen. Auf ihrer Kundgebung am Dienstag stellten sie Forderungen für eine Beendigung ihrer Blockade auf. Attila Nagy erklärte, dass man die Leitung durch die regierungsnahe Stiftung grundsätzlich ablehne und forderte deren Mitglieder zum Rücktritt auf. Gleichzeitig erklärte er, dass man sich von jeglicher Parteipolitik distanziere. Außerdem forderte er, die Universität wieder unter staatliche Aufsicht zu stellen sowie Garantien für ihre zukünftige Autonomie.

Solche Forderungen waren allerdings bereits in den vergangenen Wochen gestellt und abgelehnt worden. Vidnyánszky erklärte unterdessen, er hoffe, dass "die Stimmung sich beruhigen wird". Aktuell begannen an diesem Mittwoch Gespräche zwischen Vidnyánszky und der ehemaligen Universitätsleitung, an denen auch László Bagossy beteiligt ist. Eine Kompromisslösung hält dieser jedoch für unwahrscheinlich.

Nächster Schritt in Orbáns "Kulturkampf"

Der aktuelle Konflikt um die SZFE steht im Zeichen eines anhaltenden "Kulturkampfes" in Ungarn. Seit Jahren versucht die Orbán-Regierung, ihren Einfluss auf Hochschulen und Kulturinstitutionen im Land auszubauen. Immer wieder betonten Politiker der regierenden Partei Fidesz, dass ein "Elitenwechsel" auf diesen Gebieten vonnöten sei: Liberale Elemente sollen durch konservativ-nationalistische ersetzt werden. In einer Rede nach seinem Wahlsieg 2018 erklärte Premierminister Orbán, man müsse "das politische System in eine kulturelle Ära einbetten".

Protestbanneer - Ungarn Budapest SZFE
Protestbanner an der Fassade der besetzten Budapester SZFEBild: DW/F. Schlagwein

Bereits Ende vergangenen Jahres beschnitt seine Regierung in diesem Sinne die Freiheit der Theater und sicherte sich Mitspracherecht bei der Auswahl der Direktoren. Zudem wurde ein Nationaler Kulturrat gegründet, der "die fachlichen Grundlagen für die einheitliche Regierungsstrategie zur Lenkung der kulturellen Zweige" gewährleisten soll.

Auch die Universitäten und Forschungsinstitute will Viktor Orbán ideologisch auf Linie bringen. So vertrieb seine Regierung die Central European University (CEU) aus dem Land. Wenig später folgten Eingriffe bei der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Die Ereignisse um die SZFE erfolgen zudem nur wenige Wochen nach der Übernahme des größten unabhängigen Mediums "Index" durch einen regierungsnahen Geschäftsmann. Aus Protest war daraufhin fast die gesamte Redaktion zurückgetreten.