Umstrittenes Bossard-Museum gestoppt
12. Mai 2020Die Entscheidung, die Planungen für den Neubau vorerst zu stoppen, fiel in einer außerordentlichen Sitzung des Stiftungsrates der Kunststätte Bossard. Die öffentlichen Diskussionen hätten den Stiftungsrat bewogen, "die nächsten Schritte des Projekts noch einmal neu zu überdenken", sagte Landrat Rainer Rempe, der auch Vorsitzender des Stiftungsrates ist, in einer Pressemitteilung.
Wie die Deutsche Welle berichtete, hatte Bossards Vergangenheit eine Debatte über den Neubau ausgelöst: Der Künstler war Antisemit und glühender Anhänger Adolf Hitlers. Mit der Machtergreifung der Nazis verband Bossard als Gegner der Weimarer Republik die Hoffnung auf eine Gegenkultur, deren kulturelle Keimzelle er in seinem zum Gesamtkunstwerk aufgebauten Anwesen sah. Anwohner fürchteten, dass durch den Neubau eine Pilgerstätte für Rechtsradikale entstehen könnte. Der aus der Schweiz stammende Bildhauer und Maler Johann Bossard hatte seit 1911 über viele Jahre hinweg ein Atelier, sein Wohnhaus und ein Kunsttempel errichtet. Das Ensemble bildet heute die Kunststätte Bossard.
Erneute wissenschaftliche Aufarbeitung
Nun soll ein wissenschaftliches Forschungsprojekt zur Rolle Bossards im Nationalsozialismus durchgeführt werden. Um dem Eindruck der Einflussnahme vorzubeugen, soll der Auftrag von einem externen Gremium an externe Wissenschaftler vergeben werden. Bis die Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt vorliegen, soll die Fortführung des Förderprojektes zur Erweiterung der Kunststätte Bossard ruhen.
Bereits 2017 hatte die Stiftung Bossards Rolle eigenständig untersucht, allerdings gab es Kritik, weil im 2018 erschienenen Ausstellungskatalog "Über dem Abgrund des Nichts - Die Bossards in der Zeit des Nationalsozialismus" Zitate unterschlagen worden sein sollen – darunter jenes, mit dem Bossard beklagte, bei einem Wettbewerb für ein NS-Denkmal übergangen worden zu sein: "Wäre doch ein Jude dazwischen, damit ich ihm die Schuld geben könnte."
Zweifel an bisherigen Ergebnissen
"Es gibt Zweifel an der vorliegenden wissenschaftlichen Aufarbeitung. Es wird nicht möglich sein, das Projekt weiterzuführen, ohne diese Zweifel vorher zu beseitigen", sagte Rempe der DW.
Es sei von Anfang an geplant gewesen, Johann Bossards Rolle in der NS-Zeit kritisch zu begleiten. "Das ziehen wir nun vor", sagte Rempe. Den Wissenschaftlern werde ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, eine Frist gebe es nicht. "Sollte es zu abweichenden Bewertungen von den bisherigen Ergebnissen kommen, muss im Museumskonzept darauf reagiert werden." Über Folgen für das Gesamtprojekt wolle er nicht spekulieren.
Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im vergangenen November beschlossen, das 10,76 Millionen Euro teure Projekt mit 5,38 Millionen Euro zu fördern. Der Landkreis Harburg stellte weitere zwei Millionen Euro bereit. Auch ein Teil der noch offenen 3,38 Millionen Euro sollen über Steuermittel finanziert werden, die Stiftung hatte beim Land Niedersachsen bereits eine Förderung angefragt.
An Bedingungen geknüpft
Womöglich hat auch Druck aus der Bundespolitik zum Einlenken der Stiftung beigetragen. Der haushaltspolitische Sprecher der FDP, Otto Fricke, hatte eine offizielle Anfrage an die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, verschickt und darin nach den Bedingungen gefragt, an die sich die Auszahlung der bereitgestellten Mittel knüpft.
In der Antwort an die haushaltspolitischen Sprecher der Fraktionen vom 12. Mai heißt es, das Museumskonzept werde bei der Förderung eine entscheidende Rolle spielen: "Da bei der Kunststätte Bossard Leben und Werk eine Einheit bilden und als Einheit präsentiert werden, wird eine Förderung durch den Bund nicht in Betracht kommen können, wenn rassistische Äußerungen und die Nähe zum Nationalsozialismus dauerhaft mit dem Leben Johann Bossards verbunden sind und das Werk beschädigen." Für eine Förderung werde die Bundesbeauftragte eine Dauerausstellung über die kritische Würdigung der Rolle Johann Bossards im Nationalsozialismus zur Voraussetzung machen.