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UNHCR-Preis für kongolesische Ordensfrau

Katrin Matthaei7. Oktober 2013

Verschleppt, vergewaltigt, verstoßen - tausende Frauen leiden im Nordosten Kongos unter der Gewalt der LRA-Rebellen. Angélique Namaika hilft diesen Frauen. Dafür verleiht ihr der UNHCR den Flüchtlingspreis.

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Schwester Angélique Namaika sitzt mit Monique und ihrem Kind in Dungu - Foto: UNHCR/ I. Prestetun
Bild: UNHCR/I. Prestetun

"Ich habe mich sehr über diesen Preis gefreut – aber ich war auch sehr überrascht!", sagt Schwester Angélique. Sie wirkt ein wenig müde. Gerade erst ist sie in Genf gelandet, wo sie am Montag (30.09.2013) den diesjährigen Nansen-Flüchtlingspreis des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) entgegennimmt. Angélique Namaika hat eine lange Reise hinter sich: von ihrer Stadt Dungu quer durch die Republik Kongo bis in die Hauptstadt Kinshasa, wo sie in den Flieger Richtung Schweiz gestiegen ist. "Als ich hörte, dass ich unter all den Kandidaten weltweit ausgewählt wurde, wollte ich den Preis zuerst gar nicht annehmen, weil ich doch so weit weg bin, und die Welt gar nichts von mir wissen kann. Außerdem hat mir Gott das alles gegeben", sagt sie. Irgendwie scheint sie das alles immer noch nicht glauben zu können.

Bescheidenheit hat sich die 46-jährige Ordensfrau mit den schmalen Augen und dem offenen herzlichen Lächeln bewahrt - und viel Lebenskraft. Diese Kraft ist es, die sie an Frauen weitergibt, die unvorstellbares Leid erlebt haben. Seit 30 Jahren überziehen Rebellen der Lord Resistance Army (LRA) die Grenzregion zwischen Uganda, Republik Kongo, Südsudan und Zentralafrikanischer Republik mit Gewalt. Rund dreieinhalb Millionen Menschen wurden seither aus ihren Dörfern vertrieben. Bei ihren Überfällen verschleppen die Rebellen auch Kinder ­- Mädchen werden vergewaltigt und gequält. Ihnen hilft Schwester Angélique, sich wieder im Leben zurechtzufinden, einen Beruf zu erlernen und Geld zu verdienen.

Porträt der Nonne Angélique Namaika aus der DRCongo, der das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) den diesjährigen Nanse-Flüchtlingspreis verleiht. - Foto: UNHCR/B. Sokol."
Angélique Namaika: "Gott hat mir alles gegeben"Bild: UNHCR/B. Sokol

Würde zurückgeben

Manche von ihnen sind grausam entstellt - die LRA-Rebellen haben ihnen die Oberlippe abgeschnitten. Die Rebellen machten sie außerdem zu Mittäterinnen, so auch die 18-jährige Monique. Als sie von der LRA verschleppt wurde, war sie erst 14. "Ein Junge hatte versucht zu fliehen“, erinnert sie sich. "Sie peitschten uns und sagten, wir sollten ihn töten. Wir schlugen den Jungen, bis er tot war. Danach mussten wir uns aufstellen, und sie sagten uns: 'Wenn ihr versucht abzuhauen, ergeht es euch genauso.' " Ihre Stimme stockt, sie legt die Hände vor das Gesicht.

Das Grauen dauerte anderthalb Jahre - bis Monique schließlich von der kongolesischen Armee befreit wurde. Es war eine bittere Freiheit: Ihre Familie wollte die schwangere, traumatisierte Tochter nicht wieder aufnehmen. Monique kämpfte ums Überleben, bis sie Schwester Angélique traf und bei ihr nicht nur das Alphabet sondern auch das Schneidern lernte. Heute verdient Monique Geld mit dem Nähen von Schuluniformen. Sie kann sich und ihr Kind selbst versorgen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Auf diese Weise hat Schwester Angélique Weise inzwischen rund 2000 Frauen zur Selbständigkeit verholfen. "Diese Frauen sind einen inneren Tod gestorben, ihre Würde ist zerstört. Deshalb organisiere ich die Fortbildungen“, erklärt sie. "Bei mir bringen Frauen, die noch nie zur Schule gegangen sind, ihre gesamte Energie und Intelligenz auf, um Lesen und Schreiben zu lernen. Und dann vergessen sie das Grübeln darüber, wie die LRA sie fing, sie vergewaltigte und andere Dinge mit ihrem Körper anstellte. Ich versuche, die Frauen wieder gesund zu machen.“

***Achtung: Nur zur Berichterstattung über diesen Preis verwenden!*** The 2013 UNHCR Nansen Refugee Award winner Sister Angélique Namaika teaches Monique to sew during a class in Dungu, Oriental Province, DRC – July 2013 UNHCR/ I. Prestetun
Im Zentrum für Reintegration und Entwicklung können die Frauen einen Beruf erlernenBild: UNHCR/I. Prestetun

Schwester Angélique weiß, wie sich die Angst und das Gejagtsein anfühlen: Als junge Frau musste sie selbst aus ihrem Heimatdorf fliehen und sich ein Jahr lang im Busch verstecken.

Kreislauf der Gewalt durchbrechen

Um den Frauen zu helfen, verlangt sie sich viel ab. Dass sie dafür nur wenig Geld zur Verfügung hat, gleicht sie durch ihren eisernen Willen aus. Erst seit wenigen Jahren gibt es das Zentrum für Reintegration und Entwicklung, in das die Frauen aus den umliegenden Flüchtlingslagern kommen können, um sich zur Schneiderin oder Bäckerin ausbilden zu lassen. Bis es soweit war, musste die Ordensfrau täglich mit dem Fahrrad von Lager zu Lager fahren, viele Kilometer weit, um alle unterrichten zu können. Eine harte Zeit, sagt sie rückblickend.

Mit ihrer Hilfe zur Selbsthilfe will Schwester Angélique einen Kreislauf der Gewalt durchbrechen: Erst wenn die Frauen wieder selbst über ihr Leben bestimmten, könnten sie auch ihre Kinder mit Liebe aufziehen. Denn die Kinder gehen meist aus Vergewaltigungen hervor. Viele Frauen schaffen es nicht, diese Kinder anzunehmen und verstoßen sie – was die Kinder traumatisiert und zur leichten Beute für Rebellen macht. So setze sich die Gewalt immer weiter fort, sagt Schwester Angélique.

Hilfe auch für die Kinder

Deshalb kümmert sich die Nonne seit Jahren auch um die verlassenen Kinder. "Manchmal hatte ich kein Geld, um mit diesen Waisenkindern, die da verlassen im Busch saßen, zum Arzt zu gehen“, sagt sie. Sie habe in jener Zeit viel geweint. "Aber mit Gottes Hilfe fasste ich wieder Mut und bat andere Menschen um Hilfe. Und so konnte ich diese Kinder doch noch irgendwie ins Krankenhaus bringen und dort versorgen lassen."

Traumatisierte Kinder haben bei ihrer Großmutter Zuflucht gefunden, nachdem die LRA ihre Eltern vor ihren Augen ermordet haben (AP Photo/T.J. Kirkpatrick, Pool)
Die Gräueltaten der LRA-Rebellen haben viele Kinder traumatisiertBild: AP

Inspiriert wurde die Ordensfrau der Augustinnerinnen als Kind durch eine deutsche Nonne in ihrem Heimatdorf Kembisa im Nordosten Kongos, die sich um die Kranken im Dorf kümmerte. "Ihre Arbeit und ihr Einsatz für die Kranken beeindruckten mich, und ich wollte auch Ordensfrau werden – ohne zu wissen, ob Afrikaner das überhaupt konnten. Ich habe immer nur gewusst: Ich will wie sie werden, damit ich ihr helfen kann, damit sie sich ausruhen kann."

Mit dem Preisgeld von umgerechnet rund 74.000 Euro will Schwester Angélique eine halb-industrielle Backanlage für das Zentrum kaufen, damit noch mehr Frauen Brot verkaufen und von ihrem eigenen Geld leben können – und endlich vergessen, was ihnen einmal angetan wurde.