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Kleines ABC zur Eurokrise

Nicolas Martin12. September 2012

Die Eurokrise wird immer bedrohlicher - mit umso unverständlicheren Begriffen werfen Politiker und Ökonomen neue Konzepte zur Rettung von Euroland in den Raum. Wir bringen Licht ins Dunkel.

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Alphabet und weitere Buchstaben aus einer Buchstabensuppe (Foto: Fotolia)
Bild: Fotolia

Anleihen - der Krisen-Gradmesser

In der Eurokrise sind sie ganz wichtig - denn alles dreht sich um die Anleihen von Staaten, also um Staatsanleihen. Sie sind der Hauptgrund, warum Staaten schwanken oder sogar pleitegehen. Durch die Staatsanleihen oder auch Staatsverschuldungen bekommen Staaten Geld von Anlegern für den Staatshaushalt. Das Geld zahlen sie verzinst entweder schnell (sechs Monate), mittelfristig (drei Jahre) oder langfristig (sechs bis zehn Jahre) wieder zurück. Staatsanleihen galten lange als sichere Anlageform - doch das ist seit der Eurokrise vorbei. Deshalb vertrauen Anleger kriselnden Staaten ihr Geld nur noch an, wenn sich das Risiko auch finanziell lohnt. Das tut es auch, denn die Staaten brauchen das Geld und zahlen deshalb für das geborgte Geld ordentlich Zinsen. Als Gradmesser gilt: Bei mehr als sieben Prozent Zinsen auf langfristige Staatsanleihen verschulden sich die Staaten zu sehr, um danach wieder auf die Beine zu kommen. Dann brauchen die Länder Hilfsgelder.

Sechs Münzsäulen von absteigender Höhe, darauf jeweils ein mit einem Buchstaben beschrifteter Würfel. Die Buchstaben ergeben das Wort Zinsen (Foto: picture alliance/Ernst Weingar)
Hohe Zinsen für Staatsanleihen verschärfen die Krise eines LandesBild: picture-alliance/Ernst Weingar

Bankenunion - der Vertrauensstifter

In Krisenzeiten muss die EU vor allem neues Vertrauen aufbauen. Dazu wäre eine Bankenunion geeignet - allein der Name verspricht Zusammenhalt und Vertrauen. Konkret wird darüber diskutiert, die nationalen Bankenaufsichten durch eine europäische Bankenaufsicht abzulösen. So könnte es auch eine gemeinsame europäische Einlagensicherung, also einen Schutz von Bankguthaben auf europäischen Konten, geben. Das würde viel Vertrauen schaffen. Doch gerade dabei hakt es, denn besonders die deutschen Kreditinstitute wollen nicht indirekt für die kränkelnden Bankhäuser anderer Länder haften. Außerdem ist unklar, wer die Rolle der Bankenaufsicht übernimmt.

EFSF - aus der Not geboren

Das Europäische Rettungsbaby EFSF hatte am 07. Juni.2012 seinen zweiten Geburtstag. Seine Väter haben sich einen sperrigen Namen ausgedacht. EFSF ist die Abkürzung für Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität.Die EFSF ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Sie kann sich an den Finanzmärkten bis zu 440 Milliarden Euro leihen. Weil die reichen Staaten der Eurozone dafür bürgen, muss der Rettungsfonds nur geringe Zinsen zahlen. Das Geld kann er an angeschlagene Länder weitergeben, denen niemand mehr etwas leihen will. Bei einem Totalausfall haftet Deutschland mit 211 Milliarden Euro. Das entspricht mehr als zwei Dritteln der gesamten Steuereinnahmen eines Jahres. Der Plan ist, dass der EFSF spätestens zu seinem dritten Geburtstag von seinem großen Bruder ESM abgelöst wird.

EFSF-Chef Klaus Regling (Foto: picture alliance/dpa)
Herr über Milliarden: Klaus Regling steht an der Spitze des EFSFBild: picture alliance/dpa

ESM - Rettungsschirm in Wartestellung

Bis Mitte 2013 soll der ESM dauerhaft den ESFS ablösen. Die drei Buchstaben stehen für Europäischer Stabilitäts-Mechanismus. Im Prinzip funktioniert er wie sein kleiner Bruder EFSF. Der Unterschied ist, dass die Euroländer nicht nur mit Bürgschaften haften, sondern auch echtes Geld einzahlen sollen. Bis zu 500 Milliarden Euro hält der ESM an Krediten bereit. Damit kann er selbst Staatsanleihen von kriselnden Ländern kaufen oder das Geld direkt vergeben. Deutschland hält mit rund 27 Prozent die meisten Garantien und Gelder für den ESM bereit. Eigentlich sollte der ESM schon seit Juni dieses Jahres einsatzbereit sein. Doch erst am 12.09.2012 gab das deutsche Bundesverfassungsgericht - unter Auflagen - grünes Licht für den ESM. Die Bundesregierung muss laut Gericht bei der Ratifizierung der Verträge insbesondere sicherstellen, dass ihre Haftung auf 190 Milliarden Euro begrenzt ist und darüber hinausgehende Zahlungen in den ESM nur mit Zustimmung des Bundestags möglich sind. Die EU muss nun noch mindestens bis Oktober auf den ESM warten.

ESM-Banklizenz - die volle "Feuerkraft"

Eine Banklizenz benötigt jede normale Geschäftsbank, die sich Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) leihen möchte. Für das Geld muss sie aber Sicherheiten hinterlegen. Die Euroretter wollen, dass auch der Rettungsschirm ESM eine solche Banklizenz bekommt. Damit hätte der ESM wesentlich mehr Geld, mit dem er den europäischen Sorgenkindern helfen könnte, entweder über den Kauf von Staatsanleihen oder über Kredite. Hätte er eine Banklizenz, könnte der ESM diese Staatsanleihen bei der EZB als Sicherheit hinterlegen und sich somit unendlich viel Geld leihen und mit voller Feuerkraft das kriselnde Europa retten, so das Argument der Befürworter. Kritiker argumentieren, dass eine solche Banklizenz gegen geltende EU-Verträge verstößt.

Eine Mann hält eine Waffe hinter seinem Rücken (Foto: Fotolia/Tiero)
Die ESM-Banklizenz ist nur eine Krisenwaffe im ArsenalBild: Fotolia/Tiero

Alles zu Eurobonds, Schuldentilgungsfonds, Ratingagenturen und mehr lesen Sie im zweiten Teil.

Eurobonds - gleiche Zinsen für alle

Bislang gibt jeder Staat seine eigenen Staatsanleihen heraus. Wer hohe Staatschulden hat, der muss auch hohe Zinsen zahlen. Wer seinen Haushalt nach Meinung des Marktes im Griff hat, der kommt günstiger an frisches Geld. Eurobonds wären gemeinsame Staatsanleihen, für die alle Staaten bürgen. Diese Euro-Staatsanleihen würden die Unterschiede ausgleichen. So lägen die Zinssätze irgendwo zwischen den relativ niedrige Zinsen Deutschlands und den sehr hohen Griechenlands. Krisenländer, die kurz vorm Bankrott stehen, könnten sich so auf einen Schlag relativ günstig refinanzieren. Für Länder, die bisher niedrige Zinsen zahlen, käme es aber zu einer Verteuerung. Außerdem befürchten Länder wie Deutschland, dass Eurobonds den angeschlagenen Ländern die Motivation nehmen könnten, Reformen durchzusetzen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: ddp images/AP Photo/Michael Sohn)
Sieht Eurobonds kritisch: Bundeskanzlein Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa

Eurobonds light - der Schuldentilgungsfonds

Alle Teilnehmerstaaten sollen ihre Schulden in dem Fonds auslagern können. Allerdings nur die Schulden, die über 60 Prozent der Wirtschaftsleistung eines Staates liegen. Jeder Staat kann anfangs selbst festlegen, wie viel Schulden er auslagert. Der Fonds würde dann wiederum Anleihen ausgeben und die Einnahmen daraus den Staaten zurückzahlen. Dadurch, dass die Länder gemeinsam haften, ergäbe sich wie bei den Eurobonds ein Zinsvorteil für die Krisenkandidaten - Staaten, die sowieso wenig Zinsen bezahlen, hätten einen Nachteil. Das Modell ist den Eurobonds sehr ähnlich. Allerdings sind die am Markt aufgenommenen Gelder des Tilgungsfonds zeitlich und vom Umfang her begrenzt.

Fiskalpakt - Europa wartet auf Deutschland

Aus Erfahrung lernen - so das Motto des Fiskalpakts. Der Name ist sperrig, die Grundgedanken aber einfach. Mit dem Pakt will sich Europa strengeren Regeln des Geldausgebens verpflichten. Dazu gibt es eine Schuldenbremse, die alle Länder in ihrer Verfassung verankern müssen. Bricht ein Land damit, beispielsweise durch zu hohe Neuverschuldung, kann es eine Strafe bekommen. Der Fiskalpakt tritt in Kraft, sobald die ersten zwölf von 17 Euro-Staaten ihn ratifiziert haben. In Deutschland hat der Bundestag den Pakt verabschiedet, im September hat auch das Bundesverfassungsgericht - unter Auflagen - grünes Licht für den Pakt gegeben.

Bodybuilder zeigen ihre Muskeln (Foto: AP)
Disziplin ist gefragt beim Fiskalpakt - im Haushalten.Bild: AP

Leitzins - Instrument der Währungshüter

Mit dem Leitzins kann die Europäische Zentralbank festlegen, zu welchem Zins sich die Banken bei der Notenbank Geld leihen können. Die hohen oder niedrigen Zinsen geben sie im Idealfall an die Kunden weiter. In Krisenzeiten soll ein niedriger Leitzins die Wirtschaft ankurbeln. Denn dadurch erhöht sich künstlich die Geldmenge. Genau das versucht die EZB: Seit Beginn der Krise hat sie den Leitzins schrittweise auf 0,75 Prozent gesenkt.

Ratingagenturen - die psychologischen Lenker

Aus europäischer Sicht sind die Ratingagenturen häufig die Bösen, denn sie bewerten die Kreditwürdigkeit eines Staates. Das hat psychologische Konsequenzen, denn je schlechter die Kreditwürdigkeit, desto mehr Zinsen fordern Anleger, wenn sie Staaten Geld leihen. Im Klartext: die Staatsanleihen werden teurer. Zu den tonangebendenen Ratinagenturen gehören Standard & Poor's, Fitch und Moody's. Ratingagenturen sind kein neues Phänomen. Standard & Poor's gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. Allerdings hatten die Agenturen noch niemals so viel Macht wie in der Eurokrise.

Ratingagenturen lassen die Euro-Länder springen (Illustration: Dominik Joswig)
Ratingagenturen lassen die Euro-Länder springenBild: Dominik Joswig

Troika - die Reform-Wächter

Ist das Steuersystem Griechenlands vereinfacht worden? Hat Portugal seinen Arbeitsmarkt flexibler gestaltet und wie sieht es mit der Verschuldung in den Ländern aus? Die Krise ist zu groß für einen Akteur - deshalb sind mit der Troika direkt drei Institutionen auf Europatournee: EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds stimmen ihr Handeln untereinander ab und kontrollieren die Länder, die Hilfsgelder angenommen haben.