Unsichere Zukunft für Arcandor
9. Juni 2009Es ist die größte Insolvenz der deutschen Nachkriegsgeschichte: 43 000 Beschäftigte der Karstadt-Mutter Arcandor bangen um ihre Arbeitsplätze. Kurz vor dem Auslaufen lebenswichtiger Darlehen zog Arcandor die Reißleine und stellte am Dienstag (09.06.2009) für sich und die Töchter Karstadt, Primondo und Quelle Insolvenzanträge. Nicht betroffen von diesen Anträgen ist die Touristiktochter Thomas Cook. Bei ihr, aber auch in allen anderen Geschäftsbereichen, laufen die Geschäfte ungehindert weiter, sagte Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski.
Insolvenzverwalter Görg versuchte, vor der Konzernzentrale in Essen Zuversicht zu verbreiten: "Ich bin gewiss", sagte er, "dass es uns gelingen wird, für Arcandor und die Mitarbeiter auch in dieser schwierigen Situation vielversprechende Perspektiven für eine Sanierung zu eröffnen." Das Amtsgericht Essen hatte den Kölner Anwalt zuvor zum vorläufigen Insolvenzverwalter des Handels- und Touristikkonzerns bestimmt.
"Es geht um den Erhalt von Arbeitsplätzen"
Nach dem Willen von Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick soll der Konzern als Ganzes erhalten bleiben. Mit Hilfe des Insolvenzrechts werde sein Sanierungskonzept zügiger umgesetzt werden können, sagte Eick vor der Zentrale in Essen. Er strebe ein Insolvenzverfahren in Eigenregie an. Dazu sei der Insolvenzexperte Horst Piepenburg als Generalbevollmächtigter des Konzerns bestellt worden. Der Düsseldorfer soll die operative Führung der Geschäfte bei Arcandor übernehmen und gemeinsam mit Görg das Insolvenzverfahren leiten.
"Größtes Insolvenzverfahren"
Der Insolvenzantrag sei unvermeidbar gewesen und konsequent, fügte Eick hinzu. "Wir werden dafür kämpfen, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten." Die Zahlung der Löhne an die Mitarbeiter sei zunächst gesichert.
"Heute ist Deutschlands größtes Insolvenzverfahren eingeleitet worden", sagte Piepenburg. "In erster Linie geht es um den Erhalt von Arbeitsplätzen. Und es geht um den Erhalt des Konzerns." Dazu biete das Insolvenzverfahren gute Möglichkeiten.
Guttenberg: Unnachgiebige Eigentümer
Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) kritisierte nach der Einleitung der Insolvenz die unnachgiebige Haltung der Eigentümer und Banken. "Es ist bedrückend, wenn ein Unternehmen an den Rand der Zahlungsunfähigkeit gewirtschaftet wird", sagte Guttenberg am Dienstag in München. "Es waren allerdings weder die Eigentümer noch die Gläubiger bereit, Risiken zu übernehmen. Und diese Risiken können und dürfen dann auch nicht den Steuerzahlern aufgebürdet werden."
Der Wirtschaftsminister forderte den Konzern auf, weiter mit dem Konkurrenten Metro über eine Zusammenlegung der Warenhäuser zu verhandeln. "Ich kann nur ermuntern, dass man das Gespräch sucht." Sein Ministerium werde entsprechende Verhandlungen begleiten. In einer Fusion "mag durchaus eine Lösung liegen", sagte Guttenberg.
Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte den Insolvenzantrag des Karstadt-Mutterkonzerns eine Chance für die Mitarbeiter. Das Unternehmen könne nun den Beschäftigten etwa im Zusammengehen mit Metro neue Möglichkeiten eröffnen.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte, bei einem stärkeren Engagement von Eigentümern, Vermietern und Banken hätte die Insolvenz vermieden werden können. Finanzminister Peer Steinbrück verwies darauf, dass im Insolvenzverfahren vieles von Arcandor gerettet werden könne.
Verdi kritisiert Bundesregierung
Die Vize-Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Margret Mönig-Raane, gab der Bundesregierung eine Mitschuld an der Arcandor-Insolvenz. An die Adresse von Merkel und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte sie: "Wer Lösungen will, findet Wege. Wer keine Lösung will, findet Gründe." Auch sie kritisierte zudem die Eigentümer scharf.
Der Insolvenzantrag hat den Wert der Aktien des Unternehmens am Dienstag abstürzen lassen: Der Kurs brach zeitweise um mehr als die Hälfte ein. Eine Aktie wurde zwischenzeitlich nur mit 49 Cent gehandelt. So billig war das Papier des Essener Konzerns noch nie. (mas/hf/rtr/dpa/ap)