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Politik

Unsicherheit bei Initiativen gegen Rechts

Mirjam Benecke
13. Oktober 2019

Die Bundesregierung will die Mittel im Kampf gegen Extremismus und Antisemitismus aufstocken. Doch das reicht nicht, finden viele Initiativen. Denn sie haben noch ganz andere Sorgen.

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Jüdischer Friedhof Kröpelin geschändet
Hakenkreuz-Schmierereien an Grabsteinen auf dem jüdischen Friedhof in KröpelinBild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Ist nach 20 Jahren Schluss? Das Programm "Exit" begleitet seit zwei Jahrzehnten ehemalige Neonazis und Extremisten beim Ausstieg aus der Szene. Doch nun haben etliche Aussteiger eine schlechte Nachricht bekommen: Es ist nicht sicher, ob sie auch im nächsten Jahr weiter auf ihrem Weg betreut werden. Für viele war das ein schwerer Schlag. "Manche werden von der Szene verfolgt und mit dem Tode bedroht", sagt "Exit"-Gründer Dr. Bernd Wagner der DW. Eine gesicherte Betreuung sei deshalb unbedingt nötig.

Doch noch immer wissen die Mitarbeiter von "Exit" nicht, ob sie die nötige Förderung von 250.000 Euro für das kommende Jahr erhalten. Dabei versprach die Bundesregierung schon vor sechs Jahren eine dauerhafte Finanzierung für die Aussteigerhilfe. "Doch daraus ist nichts geworden", sagt Bernd Wagner "Wir fühlen uns von der alten und der nachfolgenden Bundesregierung veräppelt."

Derzeit wird "Exit", wie viele andere Initiativen gegen Extremismus, vom Bundesprogramm "Demokratie leben" gefördert. Zuletzt war heftige Kritik laut geworden, weil der Bundeshaushalt die Mittel des Programms für 2020 um acht Millionen Euro kürzen wollte.

Halle Anschlag Schaufenster Dönerladen
Ein Rechtsterrorist hatte am Mittwoch zwei Menschen erschossenBild: Reuters/H. Hanschke

Doch wenige Stunden nach den tödlichen Schüssen in Halle durch einen Rechtsextremen gab das zuständige Bundesfamilienministerium bekannt: Die Kürzungen werden zurückgezogen. Das Programm soll im nächsten Jahr mit über 115 Millionen Euro ausgestattet und damit auf gleichem Niveau wie 2019 fortgesetzt werden. "Bei der Verwendung der zusätzlichen Mittel wird auch auf die aktuellen Herausforderungen reagiert. Es werden weitere Projekte in diesem Bereich in ihrer Arbeit unterstützt", sagte ein Sprecher des zuständigen Bundesfamilienministeriums der DW.

Projekte müssen regelmäßig um Existenz bangen

Doch auch nach dieser Entscheidung sind die geförderten Projekte gegen Rassismus und Antisemitismus alles andere als sorgenfrei. Sie leiden besonders unter der fehlenden Planungssicherheit. Um das zu verstehen, ist ein Blick auf das Förderkonzept der Bundesregierung nötig. Das Konzept ist auf Modellprojekte ausgelegt. Das heißt: Eine Förderphase dauert maximal drei bis fünf Jahre. Danach werden die Karten neu gemischt. Jedes Projekt und jeder Träger - auch etablierte Programme wie "Exit" - müssen sich dann neu bewerben. Strategien für eine langfristige Förderung gibt es bisher nicht.

Ist ein Projekt für eine Förderphase angenommen, müssen dessen Leiter trotzdem Jahr für Jahr Anträge auf Verlängerung einreichen. Das kostet eine Menge Kraft und Zeit. "Man kann nicht wirklich nachhaltig oder stringent arbeiten", sagt Sophia Oppermann. Sie ist Geschäftsführerin des Vereins "Gesicht zeigen", der sich mit verschiedenen Projekten gegen Antisemitismus und rechte Gewalt einsetzt. "Alles was sich die Politik eigentlich von den Projekten wünscht, wird durch die Logik der Modellprojektförderung immer wieder kontaminiert und zurückgenommen", so Oppermann.

Wissen und Kompetenz gehen verloren

Genau wie bei der Aussteigerhilfe "Exit" ist auch beim Verein "Gesicht zeigen" nicht sicher, wie es ab Januar weitergeht. Die Förderung von zwei der drei eingereichten Projekte des Vereins wurde abgelehnt. Für das dritte Projekt muss nun ein weiterer Antrag gestellt werden. Die endgültige Bewilligung für die Finanzierung erfolgt dann - so hofft der Verein - im Dezember.

Bis dahin können sich die Mitarbeiter nicht sicher sein, ob sie im Januar noch einen Arbeitsplatz haben. "Das sorgt natürlich dafür, dass sich Mitarbeiter nach anderen Jobs umsehen", sagt Sophia Oppermann. "Dadurch geht viel Expertise und Kompetenz verloren, die wir eigentlich für die inhaltliche Arbeit brauchen."

Anschlag in Halle war kein "Alarmzeichen"

Enormer bürokratischer Aufwand, Planungsunsicherheit und wenig Geld: Vor diesen Hürden stehen die Projekte beim Kampf gegen Antisemitismus und Extremismus. Die Initiativen fordern mehr Unterstützung von Seiten der Politik. Denn die Lage sei ernst. Und das nicht erst seit dem jüngsten "Alarmzeichen" aus Halle, wie die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer den Angriff nannte. Hakenkreuz-Schmierereien und geschändete Friedhöfe seien Alarmsignale, sagt Heiko Klare vom Bundesverband für mobile Beratung gegen Rechtsextremismus. "Das, was wir jetzt haben, ist eine Katastrophe. Und die ist tatsächlich Teil einer Entwicklung, die wir seit vielen Jahren sehen."

Eine Statistik des Bundesinnenministeriums zeigt, dass die Zahl der erfassten antisemitischen Straftaten seit vier Jahren steigt. 2015 waren es noch 1.366 Attacken, 2018 dann schon 1.799 - im Schnitt gut fünf pro Tag. Auch die Verbreitung antisemitischer Theorien nehme seit Jahren zu, sagt Bernd Wagner von der Aussteigerhilfe "Exit". "Die sogenannte Endzeitfrage - also weltweite Judenherrschaft ja oder nein - wird hochvirulent und sickert auch immer mehr in allgemeine Kreise ein."

Akteure wollen langfristige Unterstützung

Sophia Oppermann, Geschäftsführerin Initiative Gesicht Zeigen!
Sophia Oppermann von "Gesicht zeigen"Bild: Gesicht Zeigen!

Um dem entgegenzuwirken, müsse sich die Bundesregierung fragen, welche Strategie sie bei der Demokratieförderung verfolgen wolle, sagt Heiko Klare. Neben der Unterstützung von Modellprojekten wünschen sich die Akteure vor allem eine langfristige Förderung für etablierte Programme. "Was da fehlt, ist ein Gesetz", so Klare. 

Dafür machen sich auch einige Politiker stark. Grünen-Politikerin Claudia Roth sagte der "Augsburger Allgemeinen": "Wir müssen Organisationen stärker unterstützen, die Demokratie fördern, gegen Rechtsextremismus oder Rassismus kämpfen, sich für den Schutz von Minderheiten einsetzen - dafür brauchen wir ein Demokratieförderungsgesetz." Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU) sagte: "Was muss noch geschehen, damit auch der Letzte kapiert: Deutschland hat ein Rechtsextremismus-Problem!"

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) hatte sich in der Vergangenheit mehrfach für ein Gesetz zur Demokratieförderung ausgesprochen. Es scheitere aber bisher am Widerstand der Union. Ministerin Giffey versprach: "Ich werde bei unseren Koalitionspartnern weiter dafür werben.“