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Politik

Unter dem Deckmantel der Hilfsbereitschaft

Nastassja Shtrauchler
14. Dezember 2016

Sie schicken Imame und sorgen für den Bau von Moscheen: Nach Medienrecherchen unterstützen religiöse Organisationen aus den Golfstaaten die Salafisten-Szene in Deutschland. Wer sind sie und welche Ziele verfolgen sie?

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Abu Walaa - Screenshot von Al Manhaj Media
Bild: picture alliance/dpa/Al Manhaj Media

Es handle sich um eine "langfristig angelegte Strategie der Einflussnahme": Laut Recherchen von "Süddeutscher Zeitung" (SZ), NDR und WDR beurteilten der Bundesnachrichtendienst (BND) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) so das Vorgehen religiöser Institutionen aus Saudi-Arabien, Kuwait und Katar in der deutschen Salafisten-Szene. Wie die SZ schreibt, hätten die Dienste im Auftrag der Bundesregierung untersucht, welche Rolle die Verbündeten am Golf beim Thema "Religionsexport" spielten. In einer ersten Zwischenbilanz seien sie zu dem Schluss gekommen, dass sich "salafistische Missionierungsorganisationen" aus besagter Region mit Glaubensbrüdern in Deutschland und Europa "vernetzten". Ziel sei die Verbreitung einer fundamentalistischen Variante des Islam.

Wie die SZ berichtet, befürchtet man in Berlin, dass die Zahl der aktuell fast 10.000 Salafisten in Deutschland durch die Einflussnahme weiter wachsen wird. Auch über die Radikalisierung von Flüchtlingen mache man sich Sorgen, denn nicht selten seien Salafisten gezielt auf Geflüchtete zugegangen, um sich als "freundliche Glaubensbrüder" auszugeben und Essen und Kleidung zu verteilen. Im Bericht von BND und BfV heißt es, mit Geld der großen religiösen Organisationen würden beispielsweise Moscheebauten und Schulungseinrichtungen finanziert sowie Prediger entsendet. Drei Organisationen werden dabei konkret genannt.

1. Muslim World League

Die Muslim World League (MWL), die "Islamische Weltliga", wurde 1962 während einer Konferenz im saudi-arabischen Mekka gegründet und hat dort ihren Hauptsitz. Sie bezeichnet sich selbst als Nichtregierungsorganisation, wird aber vom Königreich Saudi-Arabien finanziert.  Schätzungen zufolge hat das Land die Organisation seit Mitte der 1970er-Jahre mit circa 90 Milliarden Dollar unterstützt. Kritiker sagen, die MWL sei ein Sprachrohr saudischer Interessen und definieren sie als "regierungsbetriebene Nichtregierungsorganisation". Hauptziele der Organisation sind die islamische Mission, also die Verbreitung der Lehren des Islam - basierend auf den Traditionen des Propheten Mohammed. Darüber hinaus kümmert man sich laut eigener Aussage um die Abwehr falscher Anschuldigungen gegen den Islam und um den Dialog mit anderen Kulturen.

Tarnorganisation für Islamisten

Zur Hauptorganisation der MWL gehören laut offiziellen Angaben acht Unterorganisationen, darunter auch die International Islamic Relief Organisation (IIRO). Sie leistet humanitäre Hilfe, betreibt Waisenhäuser und hat schon mehrere Tausend Moscheen und Dutzende Schulen gebaut. Laut einem Artikel in der Online-Ausgabe der "Frankfurter Allgemeinen" haben mehrere Auslandsbüros der IIRO Terrorgruppen unterstützt. So sei das Büro auf den Philippinen unter anderem von einem Schwager von Al-Kaida-Gründer Osama Bin Laden als Tarnorganisation für die Islamistengruppe Abu Sayyaf genutzt worden. In einem anderen Artikel über die Muslim World League von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) heißt es, im Zusammenhang mit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 habe sich herausgestellt, dass einzelne Akteure die Infrastruktur der MWL genutzt hätten, um Terroristen "den Zugang zu Logistik und finanziellen Mitteln zu vereinfachen".

Deutschland Salafisten Koran-Verteilung
Mit der Verteilung von kostenlosen Koranen versuchten Salafisten in Deutschland, bereits Interessierte zu ködernBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Und auch in unseren Nachbarländern ist die "Islamische Weltliga" offenbar aktiv: Saïda Keller-Messahli, Präsidentin des Schweizer Forums für einen fortschrittlichen Islam, sagte in einem Online-Artikel des "Schweizer Tagesanzeiger", es sei bekannt, dass die MWL Schweizer Moscheen nutze, "um dem Salafismus zum Durchbruch zu verhelfen". In der Schweiz gebe es ein ganzes Netzwerk radikal orientierter Moscheen, das als Drehschreibe für Salafisten diene. Dahinter stecke die MWL, die junge Imame nach ihrem Sinn ausbilde und diese dann als "Wanderprediger" in die Welt schicke.

Der saudische Botschafter in Deutschland, Awwad Alawwad, bestreitet dagegen, dass die "Muslim World League" eine saudische Organisation ist. In einem Interview sagte er dem "Tagesspiegel", die MWL habe "nichts mit der saudischen Regierung zu tun". Es gebe keine Belege, wonach die Organisation Moscheen und Schulungseinrichtungen für europäische und deutsche Salafisten finanziere. Außerdem habe die MWL 2013 ihre Tätigkeit in Deutschland eingestellt.

2. Revival of Islamic Heritage Society

Die Revival of Islamic Heritage Society (RIHS)  (Gesellschaft zur Wiederbelebung des islamischen Erbes; Anm. d. Red.) ist nach eigenen Angaben eine Nichtregierungsorganisation mit Hauptsitz in Kuwait und weltweiten Zweigstellen. Bei ihr, so heißt es in dem Zwischenbericht von BND und Verfassungsschutz, sei keine Unterscheidung zwischen missionarischem und dschihadistischem Salafismus möglich. Seit 2012 soll die RIHS über eine Immobilienfirma, die EMC-Immobilien GmbH, Einfluss auf die islamistische Szene in Deutschland haben.

Bekannt geworden war ein Fall im baden-württembergischen Fellbach-Oeffingen. Laut einem Bericht des Südwestrundfunks (SWR) hatten Gesellschafter der Firma für mehr als eine halbe Million Euro ein Gebäude in einem Industriegebiet gekauft. Demnach sollte dort eines der größten Missionierungszentren in Deutschland entstehen. Im Bericht der Geheimdienste heißt es, der geplante Moscheebau sei auf einen Strategieplan der RIHS zurückzuführen. Der Kauf des Gebäudes wurde jedoch rückgängig gemacht, nachdem die Stadt eine Warnung vom Landeskriminalamt erhalten hatte.

Symbolbild Mädchen Frauen Salafismus
Vollverschleierung: Für Anhängerinnen des Salafismus normalBild: picture-alliance/dpa/B. Roessler

Auch die Revival of Islamic Heritage Society steht im Verdacht, Al-Kaida und Verbündete der Terrororganisation unterstützt zu haben. Im Januar 2002 wurden die RIHS-Büros in Pakistan und Afghanistan von der US-Regierung und den Vereinten Nationen als Terrororganisationen eingestuft. Seit 2008 ist die ganze Organisation in den USA wegen angeblicher Unterstützung terroristischer Vereinigungen verboten.

3. Shaykh Eid Charity Foundation

1995 in Doha, der Hauptstadt Katars, gegründet, bezeichnet sich auch die Shaykh Eid Charity Foundation als Nichtregierungsorganisation. Sie unterhält Büros im Nahen Osten, in Afrika, Asien, Europa und den USA. Ihre Ziele: humanitäre und Entwicklungshilfe. Auf ihrer Website kann man Geld spenden, mit dem syrischen Kindern zu warmer Kleidung, somalischen Waisenkindern zu Bildung und anderen Kindern zu sauberem Trinkwasser verholfen werden soll. Im August 2016 meldet die Stiftung, für den Bau von 335 Moscheen in 17 Ländern gesorgt zu haben. Gerade helfe man den Menschen im Irak und Syrien mit warmer Kleidung, Essen und Zelten. Als Partner gibt die Organisation die Fluggesellschaft Qatar Airways, den TV-Sender Al Jazeera, Vodafone, Supermarktketten und katarische Ministerien an.

Die Shaykh Eid Charity Foundation betont, unter keinen Umständen unterstütze man wissentlich irgendeine Organisation, die von Katar oder den Vereinten Nationen als Terrororganisation betrachtet werde. Dies schließe auch den sogenannten "Islamischen Staat" und die Nusra-Front mit ein. Mit den "rühmenswerten" Bemühungen der katarischen Führung tue man alles, um Terrorismus und Extremismus in jeglicher Form zu beenden, so die Formulierung.

Unterstützung der Hamas?

Israel allerdings verdächtigt die Stiftung, die radikal-islamische Hamas im Gaza-Streifen zu unterstützen. 2013 wurde bekannt, dass einer der Gründerväter der Organisation, Abd al-Rhaman al-Nu'aymi, jahrelang mehrere Millionen Dollar an Al-Kaida weitergeleitet hatte. Dadurch habe Al-Nu'aymi den Terror im Irak, Syrien, Somalia und dem Jemen mitfinanziert, so die Bewertung der US-Regierung, die Sanktionen gegen den Stiftungs-Mitbegründer verhängte. Nach Angaben der Stiftung geschahen al-Nu'aymis Veruntreuungen aber nicht bei ihr, sondern bei anderen Organisationen und zwar nach seinem Auscheiden aus der Shaykh Eid Charity Foundation.