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Politik

Ukraine wird zum Wahlkampfthema

4. November 2022

Amerikaner mit osteuropäischen Wurzeln wählen eher konservativ. In den Zwischenwahlen kann sich das ändern, da die Republikaner ankündigen, bei einem Sieg die Unterstützung der Ukraine zu verringern. Ines Pohl aus Ohio.

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Ukraine Reportage Ohio
Bäckerei in Ohio, einem US-Bundesstaat, in dem besonders viele ukrainische Einwanderer lebenBild: Nils Hühnerfürst/DW

Es duftet nach frisch gebackenem Brot, nach Nussstrudeln und Zimtschnecken und irgendwie auch ein bisschen nach Käse. "So riecht Heimat", sagt die 76-jährige Ludmilla. Seit fast 30 Jahren kommt sie in "Rudy's Strudel & Bakery", um sich mit den heimischen Spezialitäten einzudecken. Über die Hälfte der 80.000 Einwohner zählenden Stadt Parma hat ukrainische Wurzeln. Damit hat die Kleinstadt im Norden Ohios die meisten Einwanderer aus der Ukraine in ganz Nordamerika.

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Bei Rudy's gibt es traditionelles ukrainisches GebäckBild: Nils Hühnerfürst/DW

In der großen Küche im hinteren Teil des Geschäftes brodeln Teigtaschen in großen Töpfen auf dem Gasherd. Hefegebäck gärt in hohen Metallregalen. Am langen Tisch stehen Frauen, die Haare mit Babuschkas, den bunten traditionellen Kopftüchern zurückgebunden, und produzieren "Pierogis", die ukrainische Variante von Maultaschen. Lidia Trempe, deren Mutter aus der Ukraine geflüchtet ist und das Geschäft 1974 übernommen hat, führt jetzt den Laden und erklärt die Geschichte der Spezialität.

Situation war viel besser in der Ukraine 

"Traditionell sind Pierogis ohne Fleisch, das war wichtig für die Ukrainer, da die Russen schon immer künstlich die Nahrungsmittel für uns knapp gehalten haben", sagt die gelernte Politikwissenschaftlerin. Und endlich sei es besser gewesen, in der Heimat ihrer Eltern. Doch dann kam der Krieg und jetzt herrschen wieder Hunger und Angst.

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Backen für eine Spendenaktion zugunsten der UkraineBild: Nils Hühnerfürst/DW

"Als wir in der Nacht des ersten Angriffs von dem Krieg hörten, waren wir die ganze Nacht wach, denn ich habe Cousins in der Ukraine. Am darauffolgenden Samstag haben wir alle verkauften Pierogis für die Ukraine gespendet, und so kamen an diesem Tag etwa 10.000 Dollar zusammen."

Osteuropäer rücken enger zusammen 

Der Krieg, erklärt Lidia, habe die osteuropäische Gemeinschaft in Parma eng zusammengebracht. Es sei ja nicht so, dass Polen und Ukrainer sich immer gut verstanden hätten. Aber jetzt, mit dem Krieg, wachse die Angst auch in den Nachbarländern. 

"Dieser Krieg ist nicht nur meilenweit weg, er ist genau hier, er ist vor unserer Haustür, er ist auf unseren Telefonen, er ist in unseren E-Mails, er passiert uns, und es ist genau das Gleiche, was unseren Eltern passiert ist."

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Der Krieg in der Ukraine geht allen nah, sagt Lidia TrempeBild: Nils Hühnerfürst/DW

Und man sei sehr dankbar, für die Unterstützung, die es bisher von den USA gab. Natürlich hoffe sie, dass das so bleibt. Bisher sind die USA das Land, aus dem die größte militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine kommt. Zwar hat das Weiße Haus versprochen, die Unterstützung "so lange wie nötig" fortzusetzen. Aber in den Zwischenwahlen wird diese Unterstützung zum Politikum. Immer mehr Politiker sagen, dass es eine Grenze geben muss - da die Amerikaner mit der Inflation zu Hause kämpfen. Weil sie keine Kunden vergraulen will, will Lidia sich dazu nicht weiter dazu äußern.  

Trump-Wähler unterstützt jetzt Demokraten 

Michael Dobronos wird deutlicher. Der Anwalt, dessen Eltern in der Ukraine geboren wurden, hat sein Leben lang Republikaner gewählt. Viele Amerikaner mit osteuropäischen Wurzeln tendieren wegen ihrer Ablehnung des Kommunismus eher dazu, konservativ zu wählen, und waren damit eine sichere Bank für die Republikaner. Aber das kann sich in diesen Zwischenwahlen ändern. 

"Ich habe zweimal für Trump gestimmt, aber ich kann nicht glauben, dass die Republikanische Partei die Ukraine und ihren Kampf für die Freiheit aufgegeben hat", sagt er. "Ich habe immer für konservative Kandidaten gestimmt. Bei dieser Zwischenwahl werde ich jedoch mit dieser Tradition brechen. Ich kann JD Vance wegen seiner anti-ukrainischen Ansichten nicht unterstützen."

USA Olena Zelenska, die First Lady der Ukraine
Die First Lady der Ukraine, Olena Selenska, bittet im US-Kongress um Unterstützung für die Ukraine (Juli 2022)Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

JD Vance ist der republikanische Kandidat für den Senat. Er macht mit einem klaren Anti-Ukraine Kurs Wahlkampf: "Es ist nicht America first, die Probleme des eigenen Landes zu ignorieren und sich stattdessen auf die Ukraine zu konzentrieren. Genug mit der Kriegshetze, genug mit der Eskalation, konzentrieren wir uns auf unsere eigenen Bürger, unsere eigenen Probleme und ignorieren wir die Kandidaten, die wollen, dass wir einen Krieg gegen Wladimir Putin führen, weil sie sich dann stark fühlen."

Kritik an Ukraine Kurs wird immer lauter 

Kevin McCarthy, republikanischer Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, hat kürzlich auch signalisiert, dass die Republikaner die Unterstützung für die Ukraine reduzieren werden, wenn sie in den Zwischenwahlen am 8. November die Mehrheit im Repräsentenhaus zurückgewinnen. 

Die Umfragen zeigen, dass es knapp bleibt in Ohio zwischen JD Vance und dem demokratischen Kandidaten Tim Ryan. Vielleicht sind die Stimmen der Osteuropäer ausschlaggebend in diesem Staat und verhindern am Ende die Wahl von JD Vance. 

Demokraten müssen sich auf hohe Verluste einstellen 

Landesweit scheint es allerdings fast schon ausgemacht, dass die Demokraten hohe Verluste einfahren werden. Und es gut möglich ist, dass die Republikaner, falls sie die Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen, die Unterstützung für die Ukraine im kommenden Jahr herunterfahren. Auch, weil angesichts der hohen Inflationsrate immer mehr Amerikaner die hohen Summen in Frage stellen, und sich mehr Unterstützung für das eigene Land wünschen.   

Für Lidia Tempe ist das eine Horrorvorstellung: "Unsere Kinder beobachten genau, was wir der kommenden Generation hinterlassen. Es geht um sie - um die Kinder, die keine Heimat mehr haben."

Vor den Zwischenwahlen in den USA

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Ines Pohl Büroleiterin DW Studio Washington@inespohl