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PolitikChina

US-Außenminister Blinkens schwieriger Besuch in Peking

16. Juni 2023

Die China-Visite ist für den US-Chefdiplomaten ein Drahtseilakt. Seine wichtigste Aufgabe: die Gefahr eines Krieges mit China möglichst gering halten. Doch auch andere heikle Themen stehen an.

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US-Außenminister Anthony Blinken (l.) und sein chinesischer Amtskollege Qin Gang, abgebildet in zwei getrennten Porträts
Schwieriger Dialog: US-Außenminister Anthony Blinken (l.) und sein chinesischer Amtskollege Qin Gang Bild: Vesa Moilanen/Lehtikuva//Hector Retamal/AFP/Getty Images

"Den Wettbewerb mit China so zu managen, dass er sich nicht in einen Konflikt verwandelt" - so lautet die Maxime, die US-Präsident Joe Biden seinem Spitzendiplomaten, US-Außenminister Antony Blinken, bei einem Empfang im Weißen Haus wenige Tage vor dessen Besuch in Peking auf den Weg gab.

Wie angespannt das Verhältnis der beiden Staaten ist, zeigte sich vor rund zwei Wochen, als es fast zu einem Zusammenstoß zwischen einem chinesischen und einem US-amerikanischen Militärschiff in der Straße von Taiwan gekommen war. Der Vorfall hätte  womöglich zu einer Eskalation führen können.

Größere Sorgen bereitet Experten allerdings der Umstand, dass die beiden Supermächte nur über die Medien miteinander kommunizieren - und nicht über einen direkten Draht. Pekings Militär weigert sich nach wie vor, auf Anrufe des Pentagons zu reagieren.

"Ein langer, mühsamer Prozess"

Auch sonst erweist sich die Kommunikation zwischen den beiden Mächten als schwierig. Kurz nach dem Vorfall in der Straße von Taiwan erklärte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin auf dem jährlichen asiatischen Sicherheitsforum Shangri-la Dialogue in Singapur, die USA würden auch "angesichts von Schikanen oder Zwang" durch China nicht zurückweichen. Gleichzeitig weigerte sich Austins chinesischer Amtskollege Li Shangfu, ein bilaterales Gespräch am Rande des Gipfels zu führen. Ein solches wäre von den größten Mächten im Raum durchaus zu erwarten gewesen.

Dass Washington aber darauf verzichtete, den diplomatischen Zwischenfall hochzuspielen, unterstreicht die Sorge der USA vor einer weiteren Eskalation. "Es wird ein langer, mühsamer Prozess sein, die Kommunikationskanäle mit Peking von Grund auf wiederherzustellen", sagt Noah Barkin, China-Analyst des Thinktanks Rhodium Group Research, im Gespräch mit der DW. Er erwartet daher, dass der Besuch Blinkens im Kontext dieses "heiklen Prozesses" ohne große Ergebnisse bleiben werde.

Wie heikel dieser Prozess ist, deutet bereits die Liste der mutmaßlich zu besprechenden Themen an. Sie reicht von Taiwan über Chinas Unterstützung für Russland in der Ukraine bis hin zu Berichten über eine chinesische Spionageeinrichtung auf Kuba

Ein chinesisches Kriegsschiff kreuzt den Weg eines Zerstörers der U.S. Navy in der Straße von Taiwan, 3.6. 2023
Gefährliche Nähe: Ein chinesisches Kriegsschiff kreuzt den Weg eines Zerstörers der U.S. Navy in der Straße von Taiwan, 3.6.2023Bild: Global News/REUTERS

Schwieriger Austausch zwischen China und den USA

Washington bemüht sich dabei um Entspannung. "Beide Seiten haben ein Interesse daran, konsistente, klare und offene Kommunikationslinien aufrechtzuerhalten", erklärt Kurt Campbell, Koordinator des Weißen Hauses für indopazifische Angelegenheiten.

Allerdings schätzen beide Seiten den Wert der bevorstehenden Gespräche offenbar unterschiedlich ein. "Die Chinesen betrachten Kontakte, Austausch und Gipfeltreffen nach wie vor als eine Gunst, die sie anderen gewähren", sagt Dean Cheng, Berater am U.S. Instutite of Peace, einem der Regierung verbundenen Think Tank, im Gespräch mit der DW. Der Umstand, dass die USA ihre Erkenntnisse über einen im Februar dieses Jahres abgeschossenen Spionageballon nicht veröffentlicht haben, gilt in Peking weithin als Zugeständnis Washingtons, das den jetzigen Besuch überhaupt erst ermöglicht hat.

Konkurrenz in Asien

Eine Visite in heiklem geopolitischen Umfeld. So hatte im vergangenen Jahr US-Präsident Biden eine "neue Ära" der Zusammenarbeit im indopazifischen Raum ausgerufen und untermauerte diese Zukunftsperspektive mit einem Rahmen-Konzept zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit mehr als einem Dutzend ASEAN-Staaten, darunter Japan, die Philippinen und Südkorea. Zudem erklärten die USA kürzlich, sie hätten fortan Zugang zu vier weiteren Militärstützpunkten auf den Philippinen. China betrachtet diese Entwicklung als Provokation.

Verstimmungen dieser Art dürften auch eine Rolle spielen, wenn Antony Blinken seinen Amtskollegen Qin Gang auf Pekings Unterstützung für Russland ansprechen wird. Zwar sind die USA weiterhin besorgt, dass China Russland mit Waffen gegen die Ukraine beliefern könnte. Doch bislang hat das Weiße Haus keine Beweise für tatsächliche Lieferungen. Peking seinerseits dürfte fragen, worin der Unterschied zu den Waffenlieferungen Amerikas und seiner Verbündeten an die ukrainische Seite bestehe, sagt Dean Cheng.

Zugleich überbieten sich US-Kongressabgeordnete seit dem Abschuss des chinesischen Spionageballons im Februar gegenseitig in ihrer "Hart-gegen-China"-Rhetorik. So trat der Sprecher des Repräsentantenhauses Kevin McCarthy in die Fußstapfen seiner demokratischen Vorgängerin Nancy Pelosi und traf sich mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-Wen.

"Ich glaube nicht, dass irgend jemand einen Konflikt in der Straße von Taiwan will", meint Noah Barkin. "Allerdings es ist schwierig, die richtigen Botschaften zu senden, vor allem, wenn Peking so ziemlich alles, was mit Blick auf Taiwan geschieht, als Provokation ansieht."

Der chinesische Verteidigungsminister General Li Shangfu spricht beim asiatischen Sicherheitsforum "Shangri La Dialogue", 4.6.2023
Wenig gesprächsbereit: Der chinesische Verteidigungsminister General Li Shangfu spricht beim asiatischen Sicherheitsforum "Shangri La Dialogue", 4.6.2023Bild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Gegenseitige Abhängigkeiten im Handel

Die harte Linie des Kongresses trübt möglicherweise auch die Aussichten bei den Wirtschaftsthemen. Angesichts der Exportkontrollen für Hightech-Chips und andere Zukunftstechnologien sei damit zu rechnen, dass die chinesische Seite von Washington Zugeständnisse verlangen wird, so Barkin. Dies gelte insbesondere für Fragen der Technologiekontrollen. Die im Oktober letzten Jahres gegen China verhängten Exportverbote für US-Technologien reichen von Software bis hin zu Ausrüstungen für die Herstellung moderner Computerchips.

Es sei ein "Schock" für die chinesische Führung gewesen, als sie erfahren musste, wie abhängig sie von westlicher Software und Hardware sei, sagt Dean Cheng. Angesichts des derzeitigen chinafeindlichen Klimas im Kongress erwartet er allerdings nicht, dass die USA in dieser Hinsicht "irgendwelche Versprechungen machen werden".

Während Washington versuche, sich und seine Verbündeten aus der Abhängigkeit von chinesischen Importen zu befreien, setze Peking auf Gespräche mit den USA, um globale Investoren zu beruhigen, meint Noah Barkin. Die größte und die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt sind weiterhin eng miteinander verflochten, obwohl ihre strategischen Interessen im Wettbewerb um die Weltherrschaft sie zunehmend gegeneinander aufbringen. Trotz der Exportverbote hält Barkin den Handel aber für eine der produktivsten Stabilitätsquellen.

Auseinandersetzung um Menschenrechte

Bei dem Treffen in Peking treffen zwei grundverschiedene politische Wertesysteme aufeinander. Die mächtigste Demokratie der Welt steht dem weltweit mächtigsten autoritären Regime gegenüber. Dutzende von Menschenrechtsorganisationen haben im Vorfeld des Besuchs ein Schreiben unterzeichnet, in dem sie Antony Blinken auffordern, eine lange Liste von Menschenrechtsproblemen anzusprechen, die von dem von den USA offiziell anerkannten Völkermord an den Uiguren bis zur Pressefreiheit reichen.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.