Cheney in der Ukraine
5. September 2008Nach seinen Gesprächen mit der ukrainischen Regierungschefin Julia Timoschenko und Präsident Viktor Juschtschenko, die viel länger als geplant verliefen, sagte Cheney am Freitag (05.09.2008) vor der Presse: "Wir glauben an das Recht von Männern und Frauen, ohne Tyrannei, wirtschaftliche Erpressung und ohne Angst etwa vor einer Militärinvasion leben zu können." Diese Bedrohungen könnten nur überwunden werden, wenn das Land geeint sei.
Die Regierungskoalition aus dem Parteienblock Timoschenkos und Juschtschenkos Partei 'Unsere Ukraine' steht vor dem Aus. Juschtschenkos Anhänger verließen am Mittwoch die Regierung, nachdem die Ministerpräsidentin mit der pro-russischen Opposition für ein Gesetz gestimmt hatte, das die Befugnisse des Präsidenten beschneidet und die des Regierungschefs erweitert. Timoschenko setzte den Juschtschenko-Anhängern eine Frist von zehn Tagen, in die Regierung zurückzukehren.
USA unterstützen Nato-Beitritt
Die beiden früheren Ikonen der 'Orangen Revolution' 2004 beäugen sich besonders seit dem georgisch-russischen Konflikt misstrauisch. Juschtschenko wirft Timoschenko vor, sie wolle die Ukraine enger an Russland anlehnen. So hatte sie sich im vergangenen Monat der Stimme enthalten, als im Parlament darüber beraten wurde, ob die Bewegungsfreiheit der russischen Schwarzmeerflotte eingeschränkt werden soll. Diese hat ihren Stützpunkt in Sewastopol auf der Halbinsel Krim. Außerdem verurteilte Timoschenko nicht ausdrücklich die russische Militäraktion in Georgien. Die Regierungschefin bezeichnete Juschtschenkos Vorwurf als haltlos.
Cheney versicherte der Führung in Kiew - wie zuvor den Regierungen Aserbaidschans und Georgiens -, die USA würden sie unterstützen. Besonders, wenn es um den gewünschten Beitritt zur Nato gehe. "Die Ukrainer haben das Recht zu wählen, ob sie der Nato beitreten wollen. Und die Nato hat das Recht, jeden in das Bündnis aufzunehmen, der die Voraussetzungen dafür erfüllt und wenn die Zeit dafür reif ist. Kein anderer Staat kann sein Veto dagegen einlegen", sagte der US-Vizepräsident mit Blick auf Russland
Wachsende Spannungen
Derweil wachsen die Spannungen im Schwarzen Meer. Inzwischen ankern dort sechs Schiffe aus Nato-Ländern, darunter drei aus den USA. Sie haben Hilfsgüter für die georgischen Flüchtlinge geladen. Am Freitag traf das Flaggschiff der US-Mittelmeerflotte, die 'USS Mount Whitney' im georgischen Hafen Poti ein.
Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Andrej Nesterenko, sagte, sein Land plane keine militärische Reaktion auf diese Präsenz. Es sei jedoch fragwürdig, dass die USA Kriegsschiffe zur Lieferung von Hilfsgütern einsetzten, denn dafür seien die Frachträume nicht groß genug. Das Misstrauen dürfte verstärkt werden nach der Ankündigung des US-Kommandos für Europa, dass russische Experten die Fracht der 'Mount Whitney' - anders als zunächst geplant - nicht inspizieren dürften. Der Hafen von Poti sei souveränes georgisches Gebiet.
Die 'Mount Whitney' ist das erste Schiff der US-Marine, das seit der Waffenruhe zwischen Georgien und Russland Poti anläuft. Die Stadt war von russischen Truppen bombardiert worden, mehrere georgische Schiffe wurden versenkt. Zwei weitere US-Schiffe brachten bereits Hilfsgüter in die weiter südlich gelegene Hafenstadt Batumi.
Europäische Diplomaten warnen davor, dass die Ukraine nach Georgien der nächste Brandherd im Kaukasus sein könnte. Das Land ist in einen mehrheitlich russisch-dominierten Südosten und einen ukrainisch-sprechenden pro-westlichen Nordwesten gespalten.
Russland sucht Verbündete
Die russische Führung sucht derweil Unterstützung für ihre Haltung im Konflikt mit Georgien - vor allem weitere Staaten, die die separatistischen georgischen Regionen Südossetien und Abchasien auch anerkennen. Bislang hat dies nur Nicaragua getan.
Vor ein paar Tagen bekam Moskau zwar Unterstützung der 'Shanghai Cooperation-Organisation', eines Zusammenschlusses früherer Sowjet-Staaten, aber kein Ja zu einer Anerkennung der beiden separatistischen Regionen. Ähnlich äußerten sich am Donnerstag die Außenminister der OVKS, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit, eines politisch-militärischen Bündnisses ebenfalls ehemaliger Sowjet-Republiken. Sie unterstützten zwar bei einem Treffen in Moskau das russische Verhalten, konnten sich aber nicht zu einer offiziellen Anerkennung Abchasiens und Südossetiens durchringen.
An diesem Freitag empfing der russische Präsident Dmitri Medwedew nun die Präsidenten der OVKS. Dem 1992 gegründeten Verband gehören außer Russland noch Armenien, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikisten, Usbekistan und Weißrußland an. Danach versicherte Medwedew, die Staatschefs hätten ihm versichert, sie würden "solidarisch" an seiner Seite stehen. (hy)