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US-Wahl: Führen neue Regeln ins Chaos?

31. Oktober 2024

Am 5. November sind US-Wahlen - doch wie schon 2020 könnte das Ergebnis auf sich warten lassen. Rechtliche Anfechtungen werden bereits vorbereitet. Es könnte eine Zeit der Ungewissheit bevorstehen.

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Aufkleber mit der Aufschrift "I voted 2024"
Das Wahlergebnis wird auch bei der Wahl 2024 voraussichtlich knapp ausfallenBild: Samuel Corum/Sipa USA/picture alliance

Als Joe Biden bei den US-Präsidentschaftswahlen 2020 sowohl die Mehrheit der Wählerstimmen als auch die Mehrheit der Wahlleute des Wahlkollegiums gewann, wurde das Ergebnis dennoch aus dem Lager von Donald Trump angefochten.

Trump und seine glühenden Anhänger wie der ehemalige Bürgermeister von New York, Rudy Giuliani, gingen koordiniert vor: Sie stellten die Ehrlichkeit von Wahlbeamten in Frage, unterstellten Wahlbetrug und forderten Neuauszählungen in Staaten mit knappen Ergebnissen.  Das Wahlergebnis bezeichneten sie als große Lüge, als "Big Lie". Am 6. Januar 2021 kam dann die Stürmung des US-Kapitols, ein letzter Versuch, die Bestätigung des neuen Amtsinhabers gewaltsam zu verhindern.

Trump, der in diesem Jahr erneut als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei zur Wahl antritt, wiederholt genauso wie viele seine Anhänger und sein Vize-Präsidentschaftskandidat J.D. Vance noch immer seine Falschbehauptungen über die Wahl von 2020.

Trumps Team weigert sich außerdem, sich klar dazu zu äußern, ob es das Ergebnis der Wahl 2024 akzeptieren wird. Das nährt Befürchtungen, dass es in den USA erneut zu Ausschreitungen kommen wird, sollte Trump nicht als Gewinner aus der Wahl hervorgehen - und stattdessen die Kandidatin der Demokraten, Vize-Präsidentin Kamala Harris

Laut einer Umfrage des in Washington ansässigen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center vom 10. Oktober sind 72 Prozent der befragten Wähler und Wählerinnen überzeugt, dass Harris bereit sei, im Falle eines Wahlsiegs Trumps ihre Niederlage einzugestehen und das Wahlergebnis anzuerkennen. Nur 24 Prozent denken jedoch, dass Trump das Wahlergebnis bei einer Niederlage anerkennen würde.

Auch neue Wahlgesetze könnten Trump in die Hände spielen. So hat die parteienunabhängige Organisation Voting Rights Lab über 700 neue Wahlgesetze seit 2020 gezählt. Einige dieser Gesetze erleichtern die Stimmabgabe, doch viele andere, wie die Reduzierung der Anzahl von Wahllokalen oder neue Ausweispflichten, tun dies nicht.

Bereinigung der Wählerlisten

Jeder Staat hat eigene Verfahren, mit denen er sicherstellt, dass die Wählerlisten aktuell sind. Das heißt auch, dass die Namen von Personen, die verstorben, umgezogen oder nicht mehr wahlberechtigt sind, von den Listen gestrichen werden. Seit 2021 haben 32 Bundesstaaten laut einer im April von Voting Rights Lab veröffentlichten Analyse mindestens 148 Gesetzesvorlagen eingebracht. Elf davon wurden verabschiedet und sind in Kraft.

Organisationen wie Voting Rights Lab befürchten, dass durch sie fälschlicherweise Wähler von den Wählerlisten gestrichen werden könnten. Ihre Analyse zeigt, dass in zahlreichen Bundesstaaten Aktivistengruppen und das Republican National Committee, das nationale Organisationsgremium der Republikanischen Partei, Klagen einreichten. So sollen Wahlbehörden dazu gezwungen werden, Wähler und Wählerinnen von den Listen zu entfernen. 

Wahlhelfer mit Mundschutz bei der Auszählung der Stimmen im November 2020
Bei den Wahlen 2020 forderte Trumps Team zahlreiche NeuauszählungenBild: Tami Chappell/AFP

Anfang des Jahres verabschiedete Indiana ein Gesetz, das Wahlbeamte dazu verpflichtet, anhand der Daten des Department of Motor Vehicles, der für die Zulassung von Fahrzeugen und die Ausstellung von Führerscheinen zuständigen Behörde, festzustellen, ob Personen die US-Staatsangehörigkeit besitzen oder nicht. Vorkehrungen, die sicherstellen, dass eingebürgerte Personen nicht ebenfalls von der Liste gestrichen werden, enthält die neue Verordnung nicht.

Auch North Carolina beschloss im vergangenen Jahr ein Gesetz, dass die Stimmabgabe durch Personen ohne US-amerikanischen Pass verhindern will. Bei dieser Regelung werden Listen von Personen verwendet, die vom Geschworenendienst befreit sind, weil sie laut eigenen Angaben keine US-Staatsbürger sind. Aber auch hier wird das Ausschlussverfahren nicht ordnungsgemäß überprüft, wie Voting Rights Lab feststellte.

Das Republican National Committee startete außerdem eine Initiative mit dem Namen "Protect the Vote". Sie will 100.000 "Wahlbeobachter" anwerben und schulen, um die Wahllokale zu überwachen.

'Swing States' im Visier

Besondere Sorge bereiten Voting Rights Lab die Änderungen in den hart umkämpften Bundesstaaten Georgia und North Carolina, die zu den sogenannten Swing States zählen.

In Georgia führten seit 2020 eingeführte Gesetze zu massiven Anfechtungen von Wählerlisten, der Einführung zusätzlicher Ausweispflichten bei der Briefwahl und der eingeschränkten Nutzung spezieller Briefkästen für die Abgabe von Wahlscheinen. Die Ablehnung eingegangener Wahlscheine stieg in der Folge sprunghaft an.

Für die Briefwahl hat North Carolina nun die schärfsten Regeln. Neuen Vorschriften zufolge müssen Briefwähler eine Kopie ihres Ausweisdokuments sowie die Unterschrift eines Notars oder zweier Zeugen beifügen.

Wahlhelferin mit Stapeln von Briefwahlunterlagen
Während der Corona-Pandemie machten vielen US-Amerikaner von der Möglichkeit der Briefwahl GebrauchBild: Seth Wenig/AP/dpa/picture alliance

Zudem wurden den Wahlbeobachtern der Parteien weitere Rechte eingeräumt. Von politischen Parteien ernannte Beobachter können Notizen machen, bei Gesprächen zwischen Wählern und Wahlhelfern zuhören und bei dem Auf- und Abbau der Wahllokale dabei sein. Wähler und Wählerinnen könnten sich durch diese Aktivitäten eingeschüchtert fühlen; den Wahlbeamten vor Ort könnte die Überwachung des Prozesses erschwert werden.

"Es nicht ganz von der Hand zu weisen, dass die Republikaner darauf hingearbeitet haben, Anhänger der Theorie von der 'Big Lie' 2020 in den Bundesstaaten in für die Wahl wichtige Positionen zu wählen", bestätigt Dan Mallinson, Professor für Politik und Verwaltung an der Pennsylvania State University in Harrisburg.  

"Sie waren damit nicht immer erfolgreich, aber es gab auch Bemühungen, Unterstützer in Positionen auf den unteren Ebenen zu bringen", fügt er hinzu.

Was geschieht nach dem 5. November?

Nach Ende der Stimmabgabe am 5. November müssen alle Stimmen ausgezählt werden. In der Vergangenheit dauerte dies für manche Wahlbezirke Tage oder Wochen.

Die Ergebnisse müssen dann auf lokaler Ebene und auf Ebene der Bundesstaaten bestätigt werden und werden dann an das Wahlkollegium und den US-Kongress übermittelt. Je knapper das Wahlergebnis, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es angefochten wird.

"Ex-Präsident Trump bereitet bereits den rhetorischen und rechtlichen Boden für eine Anfechtung der Wahl", sagt Mallinson.

Wählerin vor elektronischer Wahlmaschine
Es könnte lange dauern, bis nach den Wahlen am 5. November das Wahlergebnis offiziell bestätigt wirdBild: PATRICK T. FALLON/AFP/Getty Images

Sollte Trump in Staaten mit vielen Wahlleuten im Wahlkollegium zum Gewinner erklärt werden, könnten Demokraten möglicherweise einige der Strategien nutzen, die Trumps Team einsetzt. "Dass Republikaner die Wahlen in ihren Reden und mit Rechtsstreitigkeiten in Frage stellen, macht es den Demokraten einfacher, dies auch zu tun", so Mallinson.

Für all das stehen fast elf Wochen zur Verfügung, vom Tag der Wahl bis zur Bestätigung der Abstimmung der Wahlleute am 6. Januar 2025.

Was passiert im schlimmsten Fall?

Sollten Bundesstaaten die Bestätigung der Ergebnisse hinauszögern oder verweigern, könnte das zu Chaos führen, meint Mallinson. Bestätigt ein Staat die Ergebnisse nicht rechtzeitig für die Auszählung im Wahlkollegium, würde das von den Republikanern dominierte Repräsentantenhaus eingreifen.

Lägen bei der Entscheidung des Wahlkollegiums beide Kandidaten gleichauf, käme ebenfalls das neu gewählte Repräsentantenhaus zum Zug. "Dort erhält jede Delegation eines Bundesstaats eine Stimme, die sie für einen der Kandidaten abgeben muss", erläutert Malllinson. Das letzte Wort hätte schließlich der Oberste Gerichtshof, wie bereits im Jahr 2000. Damals stellte er sich im Rennen gegen Al Gore auf die Seite von George W. Bush.

Viele hoffen, dass es nicht so weit kommen wird. Hat eine Seite das Gefühl, dass die Wahl unfair verlief, könnte das die Zusammenarbeit über Parteigrenzen hinweg erschweren und letztlich das Land schwächen.

71 Prozent der Wähler und Wählerinnen meinen dem Pew Research Center zufolge, der Wahlkampf sei zu negativ. Nur 19 Prozent geben an, dass er sie stolz auf ihr Land mache. Wenn das Wahlvolk kein Vertrauen mehr in das System oder die andere Seite hat, büßt der Leuchtturm der Demokratie womöglich an Strahlkraft ein.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

Timothy Rooks, Deutsche Welle
Timothy Rooks ist Reporter und Redakteur in Berlin.
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