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Politik

Bolton-Buch erscheint gegen alle Widerstände

Carla Bleiker Washington
23. Juni 2020

An diesem Dienstag landen die Memoiren von John Bolton in den Buchläden. Er feuert aus allen Rohren auf Präsident Trump. Aber auch am Autor selbst gibt es Kritik: Er habe Profit und nicht das Wohl des Landes im Sinn.

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USA Präsident Donald Trump und Sicherheitsberater John Bolton
Bild: Getty Images/AFP/B. Smialowski

Das große Interview mit John Bolton, das der TV-Sender ABC am Sonntagabend ausstrahlte, ist das perfekte Beispiel für "Eine Hand wäscht die andere". ABC bekommt Exklusiv-Material zur besten Sendezeit, und der Sender scheut sich nicht, diesen Stoff auszuschlachten – schon in den Werbepausen wird angekündigt, dass sich auch noch die Morgenshow am nächsten Tag eingehend mit dem ehemaligen Sicherheitsberater Donald Trumps auseinandersetzen wird. Und dann am Mittwoch, nur auf ABC: John Bolton zu Gast in der Talkrunde "The View"!

Zum einen schmeichelt der TV-Auftritt dem Ego von Bolton. Zum anderen ist es kostenlose Werbung für sein Buch, das am Dienstag erscheint. In "The room where it happened" schildert Bolton Erlebnisse und Eindrücke aus seiner Zeit im Weißen Haus, wo er von April 2018 bis September 2019 den US-Präsidenten in Fragen nationaler Sicherheit beriet.

Buchcover von "The Room Where It Happened: A White House Memoir"
Bild: Simon & Schuster

Schon vor ihrem Erscheinen sorgten die Memoiren für jede Menge Streit. Das US-Justizministerium strengte ein Verfahren an, um die Veröffentlichung des Buches zu verhindern. Es enthalte Geheiminformationen, deren Veröffentlichung den USA irreparablen Schaden zufügen würde, so Trumps Justizminister William Barr. Richter Royce Lamberth gab am Wochenende dem Antrag auf Veröffentlichungsstopp nicht statt, kritisierte Bolton aber scharf dafür, die Überprüfung des Texts durch den Nationalen Sicherheitsrat nicht vollständig abgewartet zu haben.

Lamberth warf Bolton vor, den Prozess nach nur vier Monaten abgebrochen und das Manuskript an den Verlag geschickt zu haben. Das sei nicht genügend Zeit gewesen. Die Konsequenz: Bolton muss die zwei Millionen US-Dollar, sollte er sie für das Buch erhalten, unter Umständen an die US-Regierung abtreten. Schlimmstenfalls droht sogar eine Gefängnisstrafe.   

"Opportunist" und Freund militärischer Lösungen

Jetzt erscheint das Werk – und Bolton schien bei seinem großen TV-Interview nicht sonderlich besorgt über mögliche Folgen. Stattdessen gefiel er sich sichtlich in der Rolle des Provokateurs, der mit seiner wahren Meinung über Trump nicht mehr hinter dem Berg hält. In seinem Buch beschreibt er den Präsidenten als sprunghaft und töricht, jemanden, den man nicht eine Minute allein lassen könne. "Ich denke nicht, dass er für das Amt geeignet ist", fügte Bolton im ABC-Interview hinzu. "Ich denke nicht, dass er kompetent genug ist, diesen Job zu machen."

Diese Einschätzung, sagen Kritiker, hätten sie von Bolton gern schon früher gehört – im Impeachment-Verfahren gegen den Präsidenten, das im Februar dieses Jahres mit einem Freispruch Trumps geendet hatte. Damals wollte Bolton nicht aussagen. "Er ist ein politischer Opportunist", sagte Hakeem Jeffries, einer der demokratischen Abgeordneten, die Teil des Anklage-Teams im Impeachment-Verfahren waren. "Er hatte die Möglichkeit, auszusagen. Und er hat sie abgelehnt."

Dabei war Bolton schon unzufrieden, während er noch im Weißen Haus arbeitete. Der Berater, der bereits für beide Präsidenten namens Bush und für Präsident Reagan tätig war, gilt als harter Militarist, der im Zweifel eher für einen direkten Angriff als für diplomatische Lösungen plädiert. Trumps Gespräche mit politischen Gegnern wie Nordkoreas Diktator Kim Jong Un gefielen ihm überhaupt nicht.

Und dann war da die Ukraine-Krise, um die sich das Impeachment-Verfahren drehte. Bolton behauptet, Trump habe ihm persönlich direkt gesagt, dass er Militärhilfe für das Land zurückhalte, bis der ukrainische Präsident gegen den Sohn des demokratischen Rivalen Joe Biden ermittle. Er selbst, Bolton, sei strikt gegen dieses Vorgehen gewesen. Aber entsetzt genug dafür, seinen Posten sofort zu verlassen oder nach dem Ende seiner Zeit im Weißen Haus gegen Trump auszusagen, war Bolton offensichtlich nicht. 

Geschickt gewählter Erscheinungszeitpunkt

Der Gedanke an seine zukünftige Karriere als Autor habe bei Boltons verweigerter Impeachment-Aussage vermutlich eine Rolle gespielt, sagt Brandon Conradis, Journalist bei "The Hill", einer Washingtoner Zeitung und Nachrichten-Website, die über US-Politik und Wirtschaft berichtet. "Er hatte die Absicht, ein Buch zu schreiben und wollte sich die besten Geschichten dafür aufheben", so Conradis im Gespräch mit der DW. Bolton selbst sagt, die Meinung der republikanischen Senatoren habe er sowieso nicht ändern können, seine Aussage hätte also keinerlei Unterschied gemacht. Seine Entscheidung habe "nichts mit Profit zu tun gehabt".

Fest steht aber: Die Memoiren platzen mitten in den Präsidentschaftswahlkampf. Einen besseren Zeitpunkt für hohe Verkaufszahlen hätte sich der ehemalige Sicherheitsberater nicht aussuchen können. Ob sich die Enthüllungen von Bolton auch auf das Wahlergebnis im November auswirken werden, ist eine andere Frage. Conradis bezweifelt es. "Ich glaube nicht, dass Boltons Memoiren wirklich die Meinungen der Leute ändern werden", sagt der Journalist. Dafür seien die meisten US-Amerikaner schon zu sehr auf ihre Position festgelegt.

Andere Entwicklungen wie die Corona-Krise, die daraus entstehenden wirtschaftlichen Probleme oder die Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt seien entscheidender. "Er [Trump] hatte wirklich einige schwierige Monate", sagt Conradis. "Das Erscheinen dieser Memoiren ist da nur das i-Tüpfelchen."

Carla Bleiker
Carla Bleiker Redakteurin, Channel Managerin und Reporterin mit Blick auf Wissenschaft und US-Politik.@cbleiker