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USA: Was bedeutet Kevin McCarthys Absetzung für die Ukraine?

4. Oktober 2023

Kevin McCarthy, der Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, hat seinen Job verloren. Das könnte auch schwerwiegende Folgen für die Ukraine-Hilfe haben.

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Paletten mit Munition in einem Flugzeug
Munitionslieferung für Ukraine: Die Hilfen für die Ukraine stehen auf dem Spiel Bild: U.S. Air Force/ZUMA Wire/IMAGO

Es war ein historischer Akt - und sorgte auch international für Unruhe: Erstmals in der Geschichte der USA ist ein Vorsitzender des Repräsentantenhauses durch ein Parlamentsvotum abgesetzt worden. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich für einen Antrag des rechten Hardliners Matt Gaetz, den Republikaner Kevin McCarthy von der Spitze des Hauses zu stürzen. Damit verlor der 58-Jährige einen parteiinternen Machtkampf im Streit um den Haushalt und um weitere Hilfen für die Ukraine. Das Amt des "Speakers" gehört zu den wichtigsten im Staat und kommt in der Reihenfolge direkt nach dem US-Präsidenten und seinem Vize.

Welche Folgen könnte die Absetzung für die Ukraine-Hilfe haben?

Die USA gehören zu den großen Geldgebern bei der Ukraine-Hilfe. Eine Absetzung von McCarthy könnte nach Ansicht von Experten deshalb auch schwerwiegende Auswirkungen auf die Ukraine-Hilfe haben. US-Präsident Joe Biden hatte zwar stets betont, die USA würden die von Russland angegriffene Ukraine "so lange wie nötig" unterstützen. Doch ohne einen Vorsitzenden ist das Repräsentantenhaus bis auf Weiteres gelähmt - und das nur wenige Wochen vor einer Mitte November drohenden Haushaltssperre und der ohne neue Kongressmittel langsam auslaufenden Ukraine-Hilfe.

Matt Gaetz spricht vor dem Kapitol in viele Mikrofone
Zufriedene Miene: Matt Gaetz nach der Absetzung von Kevin McCarthyBild: Win McNameeGetty Images

In dem jüngst genehmigten Übergangshaushalt fehlen allerdings Mittel für die weitere Ukraine-Unterstützung, und auch die Verabschiedung eines neuen Ukraine-Hilfspakets in Höhe von über 20 Milliarden US-Dollar, das die Biden-Regierung vorgeschlagen hat, bleibt ungewiss. "Es bringt viel Unsicherheit in Bezug auf die weitere Ukraine-Unterstützung der USA", sagt Dominik Tolksdorf von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit der DW.

Wer tritt die Nachfolge an?

Es ist völlig offen, welcher Republikaner die notwendige Mehrheit gewinnen kann, um McCarthy nachzufolgen, und wann das Repräsentantenhaus wieder beschlussfähig ist. "Es hängt jetzt viel davon ab, wer der neue Sprecher des Repräsentantenhauses wird und welche Bedingungen damit verknüpft werden von diesen acht Abgeordneten, die sich gegen McCarthy gestellt haben, darunter auch welche Bedingungen sie an die Ukraine-Unterstützung stellen werden", sagt Tolksdorf. Denkbar sei etwa ein Deal, der auch das Thema Migration umfasst. "Wo gesagt wird: Für die Ukraine-Unterstützung werden wir weitere Mittel für die Grenzsicherung [USA-Mexiko, d. Red.] zur Verfügung stellen."

Das Amt sei jedoch ein "Schleudersitz" und für die Amtsinhaber "frustrierend", da diese die verschiedenen Flügel der Republikaner in Einklang bringen müssen, so Tolksdorf. Unter den bislang gehandelten Kandidaten seien jedoch auch einige, die bislang die bisherigen Ukraine-Hilfen unterstützt haben. 

McCarthy steht am Rednerpult, im Hintergrund sind viele Presseleute und Reporter zu sehen
McCarthy nach seiner Absetzung: Erneut will er dieses Amt nicht wieder antreten Bild: Jonathan Ernst/REUTERS

Falls dieser Plan nicht aufgehe, seien auch andere Finanzierungsarten denkbar, etwa über eine Verlängerung des Ukraine Democracy Defense Lend-Lease Act von 2022, so Tolksdorf. Damit könnte sich die Ukraine von den USA Militärmaterial "pachten". Das Gesetz von 2022 ist im September ausgelaufen; die Ukraine hofft auf eine Verlängerung. "Das könnte man den Republikanern vielleicht besser schmackhaft machen, weil es impliziert, dass die Ukraine nach Kriegsende zumindest Teile der Hilfe zurückzahlt." Ob dieses im Kongress einfacher durchzusetzen wäre als ein weiteres Hilfspaket, wie es die Biden-Regierung vorgeschlagen hat, ist aber fraglich, und auch dazu müsste erst ein neuer Sprecher gewählt sein.

Ukraine-Hilfe - ein neues Wahlkampfthema

Die Republikaner haben das Thema Ukraine-Hilfe inzwischen als Wahlkampfthema entdeckt, angefeuert auch von Donald Trump. "Ich denke, Europa muss mehr tun", erklärte er Mitte September bei einem Fernsehinterview mit NBC. "Der Krieg betrifft die Europäer doch viel mehr als uns." Laut seiner Behauptungen würden die USA deutlich mehr Geld ausgeben als die Europäer. Laut dem Kieler Institut für Weltwirtschaft Stand September 2023 hat Europa die USA mit den zugesagten Hilfen für die Ukraine jedoch mittlerweile deutlich überholt. Insgesamt haben europäische Geber (EU und nicht EU) rund 156 Milliarden Euro zugesagt, die USA liegen bei 70 Milliarden Euro.

Auch andere prominente Republikaner wie Hardliner Matt Gaetz, Floridas Gouverneur Ron DeSantis oder die dem Rechtsaußen-Flügel angehörende Abgeordnete Marjorie Talyor Greene machen Stimmung gegen die Ukraine-Hilfe der USA - und fordern stattdessen, die Gelder lieber an der Grenze zu Mexiko einzusetzen, um die Einwanderung einzudämmen.

Migranten klettern über den Stacheldraht nachdem sie den Rio Grande überquert und die USA von Mexiko aus betreten haben
Stacheldraht zwischen Mexiko und USA: Einige Republikaner fordern mehr Geld für den Grenzschutz statt der Unterstützung für die UkraineBild: Eric Gay/AP/dpa/picture alliance

"Nach wie vor wollen viele Republikaner die Ukraine unterstützen", sagt Tolksdorf. "Aber die Gruppe der Republikaner, insbesondere im Repräsentantenhaus, die die Unterstützung zurückfahren oder sogar ganz einstellen wollen, wächst." Es sei nach wie vor noch eine Minderheit, aber dieser Konflikt wirke sich jetzt insbesondere in der republikanischen Partei aus. "Und es wird zunehmend zu einem Thema, zu dem sich die Abgeordneten vor den anstehenden Wahlen klar positionieren müssen: ob sie für oder gegen die Unterstützung sind." 

Und die Aussicht auf einen weiteren "endlosen Krieg" könnte künftig noch mehr Angeordnete von der Unterstützung abschrecken. Bislang geht die Gegenoffensive der Ukraine eher schleppend voran. Eigentlich sollte im Sommer der große Befreiungsschlag kommen, doch der blieb bislang aus.

Die Stimmung in der Bevölkerung bröckelt

Der Stimmungswechsel, der sich jetzt bei den Republikanern abzeichnet, könnte auch in der breiteren Bevölkerung auf fruchtbaren Boden fallen. Laut einer CNN-Umfrage von Anfang August lehnen rund 55 Prozent der Befragten weitere Hilfen ab. Die Haltung zu diesem Thema variiert aber je nach Umfrage und Umfragezeitpunkt. "Grundsätzlich geht der Trend in den Meinungsumfragen dahin, dass die Unterstützung insbesondere unter republikanischen Wählerinnen und Wählern zurückgeht", sagt Tolksdorf. "Aber das hängt natürlich auch alles mit dem politischen Diskurs zusammen. Je stärker die Stimmen im Kongress werden, die sagen, das sei Steuergeldverschwendung, desto mehr kommt das auch bei den Wählern so an." Ein Kreislauf, der sich in den kommenden Monaten durchaus verstärken könnte.

Hinweis der Redaktion:
Die Zahlen zur Debatte über die Ukraine-Hilfe der USA wurden am 5.10. präzisiert. 

US-Repräsentantenhaus wählt Sprecher Kevin McCarthy ab

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft