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USA werden Ukraine Antipersonenminen zur Verfügung stellen

20. November 2024

Nach gut 1000 Tagen Krieg in der Ukraine ist kein Ende in Sicht. Um das Land im Abwehrkampf gegen die russischen Invasoren zu stärken, wollen die USA nun offenbar auch Antipersonenminen liefern.

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Eine Antipersonenmine vom Typ PFM-1 Lepestok, die in der Sowjetunion entwickelt wurde und 2023 in der Region Donezk gefunden wurde
Diese Schmetterlingsmine vom Typ PFM-1 Lepestok, die in der Sowjetunion entwickelt wurde, wurde 2023 in der Region Donezk gefundenBild: Nikolai Trishin/Tass/dpa/picture alliance

Es handele sich um Schützenminen, die mit einer Selbstzerstörungs- oder Deaktivierungsvorrichtung ausgerüstet seien, sagte ein US-Beamter der Nachrichtenagentur AFP. US-Präsident Joe Biden sei damit von seiner bisherigen Position abgerückt, um der Ukraine im Kampf gegen das russische Militär zu helfen, berichtete die Zeitung "Washington Post" unter Berufung auf ranghohe Vertreter der US-Regierung.

Grund für den Kurswechsel im Weißen Haus sei das stetige Vorrücken russischer Truppen im Donbass. Die Lieferung dieser Minen sei nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums ein wirksames Mittel, um das Vordingen der russischen Einheiten zu verlangsamen. Der Einsatz dieser Schützenminen, auch als Antipersonenminen bekannt, werde auf die Ostukraine beschränkt. Das russische Militär hat am Rande der besetzten Gebiete in der Ukraine selbst dichte Minenfelder ausgelegt und damit eine ukrainische Offensive zum Scheitern gebracht. 

Der Einsatz von Minen ist international geächtet. Die 1999 in Kraft getretene sogenannte Ottawa-Konvention von 1999 verbietet Einsatz, Produktion und Weitergabe dieser heimtückischen Waffen, die auch lange Zeit nach Kampfhandlungen Menschen schwer verletzen oder töten vor allem in der Zivilbevölkerung einer verminten Region. Die Konvention wurde von 164 Staaten unterzeichnet und ratifiziert, nicht jedoch von Russland und den USA. Die Ukraine hat das Papier 2005 anerkannt.

Erst am Sonntag hatte die US-Regierung bereits erlaubt, die von Washington gelieferten Waffen mit größerer Reichweite auch gegen militärische Ziele im russischen Landesinneren einzusetzen. Die Regierung in Kyjiw hatte seit Monaten grünes Licht für solche Einsätze gefordert.

Selenskyj lässt aufhorchen

Derweil ließ der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit einer Äußerung zur Zukunft seines Landes aufhorchen. Bei der Vorstellung eines Widerstandsplans gegen die russische Invasion deutete er die Möglichkeit einer zeitweiligen russischen Kontrolle über ukrainische Gebiete an. "Vielleicht muss die Ukraine jemanden in Moskau überleben, um ihre Ziele zu erreichen und das gesamte Staatsgebiet wieder herzustellen", sagte Selenskyj im Parlament in Kyjiw mit Blick auf den 72-jährigen russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Ukraine Kyjiw: Wolodymyr Selenskyj im Parlament (19.11.2024)
Präsident Selenskyj im ukrainischen Parlament (am Dienstag)Bild: UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/REUTERS

Dort präsentierte er einen Plan, wie sein Land dem russischen Druck besser standhalten kann. In internationalen Medien wird seit längerer Zeit darüber spekuliert, dass der Krieg in der Ukraine entlang der Frontlinie eingefroren werden könnte, ohne dass Kyjiw juristisch Gebiete an Russland abtritt. Dennoch lehnte Selenskyj formaljuristische Gebietsabtretungen kategorisch ab. "Wir verzichten nicht auf die Rechte der Ukraine auf ihr Territorium", unterstrich der Präsident.

Niederlage ohne US-Hilfe?

Später räumte er in einem Interview des US-Senders Fox News ein, dass die Ukraine den Krieg verlieren könne, wenn die bisherige massive Unterstützung der USA beim Amtsantritt von Donald Trump im Weißen Haus versiege. "Wenn sie die Hilfe beenden, glaube ich, werden wir verlieren", sagte Selenskyj. Aber dennoch werde die Ukraine den Kampf fortsetzen. Die Ukraine habe zwar ihre eigene Rüstungsindustrie, doch genüge deren Produktion nicht. "Es wird nicht genug sein, um zu überleben."

Ukraine vor dem dritten Kriegswinter

Trump hatte im Wahlkampf angekündigt, die Unterstützung für die Ukraine im Abwehrkrieg gegen Russland zurückzufahren oder einzustellen. Selenskyj sagte in diesem Zusammenhang, der hoffe dennoch, dass Trump den russischen Präsidenten zu einer Beendigung des Kriegs bewegen könnte.

"Es wird nicht einfach sein, aber mit allem, was den USA zur Verfügung steht, kann er das", sagte Selenskyj. "Er ist stärker, die USA sind stärker, die Wirtschaft ist stärker, und die USA haben großen Einfluss."

Lage an der Front bleibt kompliziert

Schon seit einiger Zeit ist das ukrainische Militär an der Front in der Defensive. Der Generalstab in Kyjiw meldete am Dienstag in seinem abendlichen Lagebericht 130 Zusammenstöße im Tagesverlauf. Die meisten Angriffe lancierten die russischen Truppen an der Front im Südosten des Landes.

In diesem Abschnitt ist die Front seit Jahresbeginn am stärksten in Bewegung geraten. Etwa 40 Kilometer konnten die Russen seit der Eroberung der ukrainischen Festung Awdijiwka bei Donezk vorrücken. Eine der Ursachen für die Probleme der Ukrainer an der Front waren die lange Zeit stagnierenden Waffen- und Munitionslieferungen aus dem Westen.

USA schließen vorsichtshalber Botschaft in Kyjiw

Die Vereinigten Staaten haben ihre diplomatische Vertretung in der ukrainischen Hauptstadt aus Sorge vor einem russischen Angriff geschlossen. "Die US-Botschaft in Kyjiw hat konkrete Informationen zu einem möglichen schweren Luftangriff am 20. November erhalten", teilte die Botschaft auf ihrer Webseite mit.  Die Angestellten wurden angewiesen, zu Hause zu bleiben. US-Bürger in Kyjiw sollten bei Alarm in Schutzräume gehen.

Die US-Botschaft warnt regelmäßig vor größeren Luftangriffen, zuletzt im März und August. Die Schließung der diplomatischen Vertretung ist jedoch ungewöhnlich.

Die Gebäude der US-Botschaft in Kyjiw
Die US-Botschaft in KyjiwBild: Sputnik/dpa/picture alliance

Der ukrainische Militärgeheimdienst erklärte wenig später, das Land sei Ziel eines "massiven informationspsychologischen Angriffs" geworden. Russland habe die Attacke inszeniert, indem es über Messengerdienste und soziale Netzwerke eine Warnung vor großangelegten Raketen- und Bombenangriffen auf ukrainische Städte verbreitet habe. Die Botschaft sei gefälscht, sie enthalte für psychologische Einsätze Russlands typische Grammatikfehler. Nach den USA hatten auch Italien und Griechenland ihre Vertretungen in der ukrainischen Hauptstadt geschlossen. Die deutsche Botschaft blieb nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt "in eingeschränktem Betrieb geöffnet". In Kiew heulten zwischenzeitlich Luftalarm-Sirenen.

Russland hatte "entsprechende" Reaktionen angekündigt, nachdem die ukrainische Armee am Dienstag erstmals russisches Territorium mit von den USA gelieferten ATACMS-Raketen angegriffen hatte. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau griff die Ukraine in der Nacht zu Dienstag eine Militäreinrichtung in der russischen Grenzregion Brjansk mit sechs ballistischen Raketen an. Dabei seien auch von den USA gelieferte weitreichende Raketen des Typs ATACMS eingesetzt worden, hieß es.

kle/AR (afp, dpa, rtr)