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Kriminalität

Missbrauchsvorwürfe gegen Friedensnobelpreisträger

30. September 2022

In seiner Heimat Osttimor gilt Bischof Carlos Belo als Nationalheld, weil er maßgeblich daran beteiligt war, dass sein Land unabhängig wurde. Doch über Jahrzehnte soll er Kinder missbraucht haben.

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Portugal | Bischof Belo zelebriert eine Messe in Lissabon
Als Bischof von Osttimor wurde Carlos Belo von seinen Landsleuten verehrt - umso mehr schockieren die VorwürfeBild: Lusa Cotrim/dpa/picture-alliance

Die Vorwürfe gegen das ehemalige Oberhaupt der katholischen Kirche in Osttimor, Bischof Carlos Belo, geisterten schon lange durch die Welt, doch erst jetzt wurden sie einer breiten Öffentlichkeit bekannt - und der Vatikan hat sie bestätigt.

Die niederländische Wochenzeitung "De Groene Amsterdammer" hatte an diesem Mittwoch Ermittlungen veröffentlicht, nach denen dem heute 74-jährigen Belo vorgeworfen wurde, von den 1980er-Jahren an mehr als 20 Jahre lang Kinder und Teenager missbraucht zu haben.

Schweigegeld für sexuelle Handlungen

Das Blatt zitiert zwei heute 42 und 45 Jahre alte Männer, die beide anonym bleiben wollen. Sie seien in den 90er Jahren als 14- bis 16-jährige Teenager jeweils von Belo in dessen Residenz in Dili beziehungsweise in ein Kloster eingeladen worden, wo es zu sexuellen Handlungen gegen ihren Willen gekommen sei. Anschließend habe der Bischof den Jungen Geld gegeben, um ihr Schweigen zu erkaufen und damit sie wiederkämen.

Bischof Carlos Belo umringt von Leuten in Osttimor
In Osttimor gilt Carlos Belo bis heute als Nationalheld (2006)Bild: Antonio Dasi Paru/dpa/picture-alliance

Es gebe zahlreiche Berichte von ähnlichen Fällen, so die Zeitung, die nach eigenen Angaben mit weiteren Betroffenen sowie mit 20 Personen, die Kenntnis von den Vorgängen gehabt hätten, gesprochen hat: Kirchenvertreter, Politiker, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Fachleute. Die Vorwürfe reichten bereits bis in Belos Zeit als Leiter des Bildungszentrums der Salesianer Don Boscos zurück, bevor er 1983 Bischof wurde.

Lichtgestalt mit dunkler Seite

Einer der Männer sagte, der Bischof sei damals nicht nur das mächtige Oberhaupt der katholischen Kirche von Osttimor gewesen, sondern auch ein Nationalheld und ein Hoffnungsträger für die Menschen. Belo habe seine Machtposition gegenüber Jungen missbraucht, die in extremer Armut lebten. Aus Angst und Scham hätten sie nicht über die Vorfälle gesprochen.

Die Recherchen der Zeitung begannen demnach 2002, als ein Mann aus Osttimor sagte, ein Freund sei von Bischof Belo sexuell missbraucht worden. Im November 2002 sei Belo dann überraschend zurückgetreten; wegen "körperlicher und geistiger Erschöpfung", wie der damals 53-Jährige sagte. Üblicherweise behalten Bischöfe ihr Amt, bis sie 75 Jahre alt sind. Von da an seien Gerüchte über den angeblichen Missbrauch zu einem öffentlichen Geheimnis angewachsen, so das Magazin. Vom Vatikan wurde auch nie veröffentlicht, warum Papst Johannes Paul II. das Rücktrittsgesuch Belos angenommen hat.

Osttimors Bischof Belo bei Papst Johannes Paul II.
Bischof Carlos Belo und Papst Johannes Paul II. in dessen Sommerresidenz Castelgandolfo (1999)Bild: VATICAN_POOL/epa/dpa/picture-alliance

Vatikan weiß es seit Jahren

Der Vatikan hat Disziplinarmaßnahmen gegen Bischof Belo bestätigt. Sein Fall sei vom Vatikan erstmals 2019 untersucht worden, erklärte Vatikansprecher Matteo Bruni am Donnerstag, nachdem Belo öffentlich vorgeworfen worden war, er habe Jugendliche missbraucht und ihr Schweigen erkauft.

"Im Lichte der Anschuldigungen", die der Vatikan erhalten habe, seien Belo im September 2020 "bestimmte disziplinarische Einschränkungen auferlegt" worden, erklärte Bruni. "Dazu gehörten Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit und der Ausübung seines Amtes, das Verbot des freiwilligen Kontakts mit Minderjährigen, von Interviews und Kontakten" mit Osttimor, fügte Bruni hinzu. Diese Maßnahmen seien 2021 "modifiziert und verschärft" worden.

Nationalheld - bis heute

Carlos Filipe Ximenes Belo, wie er mit ganzem Namen heißt, zählte zu den größten Helden des Freiheitskampfes in Osttimor, einer ehemaligen portugiesischen Kolonie. 1996 erhielt er den Friedensnobelpreis, gemeinsam mit dem Rebellenführer und heutigen Staatspräsidenten José Ramos-Horta.

Carlos Belo und Ramos-Horta erhalten den Friedensnobelpreis
Bischof Carlos Belo (r.) und José Ramos-Horta präsentieren ihre Friedensnobelpreisurkunden 1996 in Oslo Bild: EPA/dpa/picture-alliance

Beide engagierten sich im Kampf gegen die indonesischen Besatzer und bemühten sich um internationale Aufmerksamkeit für den Völkermord in ihrer besetzten Heimat, dem Hunderttausende zum Opfer fielen. Belo verfasste, mittlerweile zum Bischof geweiht, im Februar 1989 einen Brief an den damaligen UNO-Generalsekretär Javier Pérez de Cuellar, in dem er bereits eine Volksabstimmung über die Zukunft des Landes anregte. Zehn Jahre später kam es dazu, Osttimor konnte sich von Indonesien befreien und erhielt 2002 die staatliche Souveränität.

Das südostasiatische Land gehört damit zu den jüngsten Staaten der Welt. Allerdings gilt es als bitterarm und kämpft seit jeher um wirtschaftlichen Aufschwung. Die Berichte über die Missbrauchsvorwürfe gegen Belo erschütterten die dortige katholische Kirche. Ein Mitarbeiter der Erzdiözese, der anonym bleiben wollte, sagte, man sei "geschockt" gewesen, als man diese Nachricht erhalten habe.

mak/ack (afp, kna, ape, rtre)