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Venezuelas Bündnisse bröckeln

Jan D. Walter5. Dezember 2015

Venezuela wählt ein neues Parlament, und die politischen Spannungen scheinen das Land zu zerreißen. Auch außenpolitisch hat die innere Krise Spuren hinterlassen. Das Interesse an der Regionalmacht schwindet.

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Venezuela Präsident Nicolas Maduro allein vor blauem Himmel(Foto: Reuters/J. Silva)
Bild: Reuters/J.Silva

Lange Zeit schaute die internationale Gemeinschaft weitgehend unbeteiligt zu, wie die venezolanische Regierung über eineinhalb Jahrzehnte Medien verstaatlichte, praktisch sämtliche Schlüsselämter in allen drei Staatsgewalten mit Parteigängern besetzte und hoffnungsreiche Oppositionspolitiker inhaftierte oder unter zweifelhaften Anklagen von der Wahl ausschloss. Handfesten Druck üben bisher nur die USA aus, insbesondere in Form von Reisebeschränkungen gegen venezolanische Politiker.

Doch langsam, sagt Juan Carlos Hidalgo, Lateinamerika-Experte des Washingtoner Cato-Instituts, wachten auch lateinamerikanische Regierungen und supranationale Organisationen wie die Organisation Amerikanischer Staaten, OAS, und die Europäische Union angesichts des feindlichen Klimas im Vorfeld der Parlamentswahlen am 6. Dezember auf: "Die wachsende Repression in Venezuela ruft international schärfere Kritik hervor."

Argentinien macht den Anfang

Das deutlichste Signal kommt aus Argentinien: Keine zwölf Stunden nach der Abwahl der linkspopulistischen Kirchner-Regierung am 22. November machte der neue Präsident Mauricio Macri klar, was er von Venezuelas Regierung hält. Er kündigte an, den vorübergehenden Ausschluss Venezuelas aus dem Mercosur zu prüfen, weil es die Demokratie-Standards des Handelsbündnisses verletze.

Argentinien Mauricio Macri gewinnt die Präsidentschaftswahl (Foto: Reuters/I. Alvarado)
Zweifelt an Venezuelas Demokratie: Argentiniens künftiger Präsident Mauricio MacriBild: Reuters/I. Alvarado

"Es ist das erste Mal, dass ein lateinamerikanischer Präsident das feige Schweigen bricht und offene Kritik an dieser anti-demokratisch agierenden Regierung übt", sagt Cato-Analyst Hidalgo. Ob sich weitere Staatschefs Macris Lesart anschließen, hänge jedoch davon ab, wie demokratisch die Wahlen am Sonntag ablaufen. Einstweilen äußerten sich Vertreter Brasiliens und Uruguays skeptisch gegenüber dem Vorstoß Macris.

Politischer Druck schwierig

Selbst wenn - zum Beispiel im Falle eines offensichtlichen Wahlbetrugs - der internationale Druck steigen würde, meint Hidalgo, sei es fraglich, ob das die Marschrute der Sozialistischen Einheitspartei Venezuelas (PSUV) beeinflussen könnte.

Die Einschränkung der Mercosur-Mitgliedschaft hätte kaum praktische Folgen, weil das Land ohnehin noch nicht in die Handelserleichterungen eingebunden ist. Und diplomatischer Druck perlt an Maduro und Co. weitgehend ab: Politische Gegner sind wahlweise "Faschisten" oder "Imperialisten", Kritiker aus befreundeten Parteien im Ausland "Verräter" oder "Lakaien" - oder schlicht "Abschaum", wie Luis Almagro, Generalsekretär der OAS, und einst Uruguays Außenminister unter dem sozialistischen Präsidenten José Mujica.

Luis Almagro und Nicolas Maduro lachen sich an (Foto: Getty Images/AFP/J. Mabronata)
Nicolás Maduro und "Herr Abschaum" Luis Almagro in Zeiten der FreundschaftBild: Getty Images/AFP/J. Mabromata

"Wenn diesem Abschaum von Luis Almagro ein wenig Anstand bleibt, dann erwarte ich eine Rechtfertigung", wetterte Staatspräsident Nicolás Maduro in eine laufende Kamera. "Sie haben sich mit Venezuela angelegt, Herr Abschaum, und Venezuela ist das heilige Vaterland von Bolívar und Hugo Chávez!"

Grund für diesen Ausbruch war, dass Almagro Maduros Regierung aufgefordert hatte, der politischen Gewalt im Vorfeld der Parlamentswahlen in Venezuela ein Ende zu setzen, nachdem am 25. November der oppositionelle Provinzpolitiker Luis Manuel Diaz bei einer Wahlkampfveranstaltung ermordet worden war.

Schwindendes Interesse an Venezuela

Dass sich in Lateinamerika kaum ein Amtsträger für die politische Krise in Venezuela interessiert, hat mehrere Gründe. Zum einen gehören immer noch viele Regierungen der linken Garde an, die Venezuelas verstorbener Präsident Hugo Chávez einst zum Sozialismus des 21. Jahrhunderts stilisierte. Insbesondere die Regierungen von Bolivien, Ecuador und Nicaragua gelten als Brüder im Geiste, aber auch gemäßigtere Regierungen - von denen man zumindest sanfte Kritik erwarten könnte - wie die von Uruguay und Brasilien fühlen sich dem Chavismus weiterhin verbunden.

US-Präsident Obama und kubanischer Präsident Castro (Foto: REUTERS/Kevin Lamarque)
Selbst Cuba wendet sich ab: Staatschef Raúl Castro mit US-Präsident Barack ObamaBild: Reuters/K. Lamarque

Doch die einst enge Verbundenheit schwindet zusehends: "Venezuela sieht sich im Zuge der Wirtschaftskrise mit fortschreitender Isolation konfrontiert", sagt Reggie Thompson, Lateinamerika-Analyst des US-Informationsdienstes Stratfor. "Sogar Kuba wendet sich seit einiger Zeit langsam aber sicher von Venezuela ab in Richtung USA."

Zudem, sagt Thompson, hätten viele Regierungen ihre eigenen Probleme: "Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff und eigentlich auch Argentiniens Mauricio Macri sind innenpolitisch zu stark eingebunden, als dass sie sich mit Venezuela beschäftigen könnten."

Kein Ende des Sozialismus

Ob die anstehenden Wahlen tatsächlich einen Machtwechsel in Venezuela einleiten, hält Thompson für sehr fraglich, schließlich werde nur das Parlament, nicht der Präsident gewählt. Auch Cato-Analyst Juan Carlos Hidalgo glaubt nicht an einen wirklichen Wandel. Dafür sei die Regierung zu entschlossen, die Macht zu behalten.

Doch selbst wenn die Wahlen am 6. Dezember in Venezuela einen Machtwechsel einleiten sollten - da sind sich beide Experten einig - ein kollektives Ende des Sozialismus des 21. Jahrhunderts sei nicht zu erwarten. Denn trotz aller Gemeinsamkeiten - jedes Land habe seine eigenen Sozialisten gewählt.