Venus beglückt Sterngucker
8. Juni 2004Vor 122 Jahren haben die deutschen Astronomen zum letzten Mal die Venus vor die Sonne ziehen sehen. Doch damals konnte der kleine schwarze Käfer, der mühsam über unser Zentralgestirn zu kriechen schien, nur kurze Zeit wahrgenommen werden. Diesmal dauerte das Spektakel eines vollständigen Venusdurchgangs fast sechs Stunden. Und so schnell kommt es nicht wieder: Die nächste Venuswanderung, die in Mitteleuropa zu sehen ist, steht am 8. Dezember 2125 im Sternenkalender.
Neues Zeitalter der Liebe?
Die Erkenntnisse, die sich für Astronomen und Astrologen aus der seltenen Konstellation von Erde, Venus und Sonne auf einer Achse ergeben, könnten unterschiedlicher nicht sein: Während die einen nüchtern Zahlen und Fakten aufreihen, sprechen Sterndeuter auf ihren Internetseiten von einem 'neuen Zeitalter der Liebe' oder raten zur Wachsamkeit, wenn es um 'venusische Angelegenheiten' geht.
Dass die Sterndeuter die älteren Rechte an unserem Nachbarplaneten haben, ist allerdings unumstritten. Die Babylonier befassten sich schon 2000 Jahre vor unserer Zeitrechnung mit der Venus. Sowohl für Ägypter, Phönizier, Griechen, Römer und Sumerer war sie die Göttin der Liebe - und die Göttin des Friedens, obwohl sie der griechischen Mythologie zufolge ihre ehelichen und häuslichen Pflichten vernachlässigte und sich intensiv mit einer Reihe von Liebhabern vergnügte. Auch den Astrologen gilt die Venus als Zeichen der Liebe, die im Gegensatz zu den 'Malefitzplaneten' Merkur und Mars auch Wohlstand bringt.
Morgenstern und Abendstern
Rationalisten wie dem griechischen Mathematiker Pythagoras galt das allerdings nicht viel. Er entdeckte bereits 500 vor Christus, dass es sich bei dem so genannten Morgenstern und Abendstern um ein und denselben Planeten handelt, die Venus. 1639 errechnete der junge britische Astronom Jeremiah Horrocks den Venusdurchgang vom selben Jahr und korrigierte damit Fehler des deutschen Astronomen Johannes Kepler. Der Astronom Galileo Galilei entdeckte mit Hilfe seines Fernrohrs dann zu Beginn des 17. Jahrhunderts die Kreisbahn der Venus um die Sonne und bestätigte damit zum Ärger des Vatikan das kopernikanische Weltbild.
Heute ist die Venus völlig entmythisiert. Unser Nachbarplanet hat zwar nahezu dieselbe Größe und Masse wie die Erde. Doch herrscht dort unter Schwefelsäurewolken eine Gluthölle mit Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius - von Leben keine Spur. Die Sterndeuter ficht das allerdings nicht an. Die derzeitige Konstellation der Sonne und des Liebesplaneten Venus wirke auf den Menschen harmonisierend und angenehm, meinen sie. Die Anziehungskraft auf das andere Geschlecht werde dieser Tage allgemein erhöht.