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Verbraucherpreise: Keine Entwarnung im Supermarkt

Dirk Kaufmann
22. Mai 2023

In den vergangenen Wochen haben viele Verbraucher erleichtert auf die Preisschilder bei Lebensmitteln geschaut: Die werden nicht mehr teurer, manchmal sinken die Preise sogar. Doch die Inflation ist noch nicht am Ende.

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Verschiedene Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem Einkaufswagen
Verschiedene Lebensmittel liegen in einem Supermarkt in einem EinkaufswagenBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Die Deutschen geben im internationalen Vergleich wenig Geld für das Essen aus. Daran haben auch die Preissteigerungen seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der daraus folgenden wirtschaftlichen Verwerfungen grundsätzlich nichts geändert.

Das merken vor allem jene, die einen relativ großen Teil ihres Einkommens an der Supermarktkasse lassen müssen. Doch auch, wer nicht auf den Cent schaut, hat oft schlucken müssen: So kostete etwa der 400-Gramm-Becher irischer Butter monatelang 4,99 Euro.

Seit einigen Wochen kostet das gleiche Produkt nur noch 4,29 Euro. Im Kühlregal liegt auch deutsche Butter - als Hausmarke des Discounters - und kostet mitunter nur noch 1,59 Euro für 250 Gramm. Eine ähnliche Entwicklung gibt es auch bei Käse und Nudeln.

Butter im Kühlregal eines Supermarktes
Bei der Butter zeigt sich eine deutliche Entspannung: Hier sinken die Preise geradeBild: Jens Wolf/dpa/picture alliance

Geduld und Vertrauen gefordert

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht sogar eine Trendwende bei der Inflation in Deutschland: "Wir dürften den Höhepunkt der Inflation erreicht haben. Die Trendwende ist eingeleitet", zeigte sich Kerstin Bernoth vom DIW, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gegenüber zuversichtlich.

Man solle aber nicht erwarten, dass die Preise nun überall fielen, fügte sie hinzu: "Es bedeutet nur, dass die Preise nicht weiter steigen werden. Wir müssen uns an die aktuellen Preise gewöhnen."

"Weiter eher steigende Preise"

Kai Hudetz, der Geschäftsführer des Institutes für Handelsforschung in Köln (IFH), klingt weniger euphorisch. Er nennt die Gründe der Preissteigerungen, die noch nicht ausgestanden seien: "Die sprunghaft angestiegenen Energie-, Logistik- und Rohstoffkosten haben eine Kettenreaktion ausgelöst", sagte er zur DW. "Alle Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette hatten und haben mit steigenden Kosten zu kämpfen. Viele Mehrkosten sind aber bereits an die Verbraucher durchgereicht, daher sind die Teuerungsraten aktuell geringer und es sind zumindest punktuelle Preissenkungen möglich."

Daher könne man noch kein "Ende der Inflation" ausrufen, denn noch immer stiegen "die Preise bei mehr Produktkategorien als dass sie sinken. Einige Hersteller haben Preissteigerungen angekündigt, die der Handel angesichts niedriger Margen weitergeben muss. Auch die vergleichsweise hohen Lohnabschlüsse fließen in weiter eher steigende Preise ein."                          

Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IFH) in Köln, Dr. Kai Hudetz
Dr. Kai Hudetz vom IFH in Köln räumt ein: "Es sind zumindest punktuelle Preissenkungen möglich."Bild: IFH

Die Macht der Discounter

Ein Grund für das im internationalen Vergleich niedrige Preisniveau bei Lebensmitteln in Deutschland ist die Marktmacht der Discounter. Nur vier große Unternehmen - Rewe, Edeka, Aldi und Lidl - teilen sich die größten Marktanteile und stehen im harten Wettbewerb untereinander. Ihre quasi monopolistische Macht nutzen sie, um die Zulieferer zu immer niedrigeren Angebotspreisen zu zwingen.

Während des vergangenen Jahres hätten die Discounter ihre Marktanteile sogar noch steigern können, sagt der Chef von Lidl Deutschland, Christian Härtnagel. Die steigenden Preise hätten mehr Kunden in die noch immer relativ günstigen Discountmärkte geführt, der Umsatz sei gestiegen.

Die aktuellen Verhandlungen um die Einkaufspreise seien intensiv, so Härtnagel. "Wir kennen die Entwicklung der Rohstoffmärkte", zitiert ihn die Deutsche Presseagentur. "Wir wissen ungefähr, wie viel Personal- und Energiekosten in den einzelnen Produkten stecken. Und wir tun alles, um zum Verhandlungserfolg zu gelangen, damit wir eben auch den bestmöglichen Preis an die Kunden weitergeben können." Andererseits nehmen Lebensmittelketten wie Edeka und Rewe auch Produkte bestimmter Anbieter aus den Regalen, um in den Preisverhandlungen Druck auch die Hersteller auszuüben.                                                                                      

Keine rasche Wende

Lidl akzeptiere, dass die Hersteller Kostensteigerungen bei Energie oder Rohstoffen haben. "Natürlich ist die ein oder andere Forderung angemessen. Wir verhandeln intensiv, damit die Preissteigerungen im Rahmenbleiben - und verhandeln etwas länger, wenn diese aus unserer Sicht unangemessen sind."

Auf der anderen Seite wolle Lidl aber schnell reagieren, wenn es Entspannung auf den Rohstoffmärkten gibt, so Härtnagel mit Blick auf die vergangenen Preissenkungen bei Butter, Nudeln oder Käse. Dennoch dämpft er Hoffnungen auf eine rasche und umfassende Preiswende.

Eine Preiswende kann auch IFH-Geschäftsführer Kai Hudetz nicht erkennen. Zwar stiegen die Grundpreise nicht mehr so stark wie Ende des letzten Jahres, so Hudetz zur DW. "Aber sie sinken nur vereinzelt und dann nur leicht. Wir sehen vor allem Aktionspreise, mit denen preisbewusste Konsumenten angesprochen werden. Preissenkungen sind auch bei Gemüse und Obst zu erkennen, zumeist aus saisonalen Gründen."

Symbolbild Armut in Deutschland
Die Inflation ist noch nicht am Ende - für viele Kunden wird weiterhin Schmalhans Küchenmeister bleibenBild: photothek/IMAGO

Billig war gestern

Nach allgemeiner Einschätzung wird eine Rückkehr zum gewohnten, sehr niedrigen Preisniveau bei Lebensmittel also noch länger auf sich warten lassen. Die Marktmacht der vier großen Discounter wird, sehr zum Leidwesen der Erzeuger, weiterhin die Einkaufspreise so weit drücken, wie es nur möglich ist. Aber den gestiegenen Kosten für Personal, Energie und Distribution auf der eigenen wie auf der Seite der Produzenten können sich auch Aldi, Lidl und Co nicht entziehen.

Auch für Kai Hudetz ist klar, dass das Preisniveau noch länger hoch bleiben wird. Zwar werde "der intensive Preiswettbewerb mit der hohen Dichte an Supermärkten und Discountern dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft vergleichsweise wenig für Lebensmittel ausgeben müssen. Aber das heißt nicht, dass die Lebensmittelpreise wieder auf das Vorkrisenniveau sinken werden. Wir werden uns zumindest kurz- und mittelfristig an höhere Lebensmittelpreise gewöhnen müssen."