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Herausforderung der Etablierten

Anja Koch, Jerusalem14. März 2015

Bei der Wahl in Israel treten arabische Politiker erstmals mit einer gemeinsamen Liste an. Konservative Muslime, Säkulare, Kommunisten und Feministinnen haben sich zusammengetan. Von Anja Koch, Jerusalem.

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Wahlkampf in Israel: Ein arabischer Israeli vor einem Wahlplakat der Vereinigten Arabischen Liste - Foto: Ahmad Gharibaldi (AFP)
Bild: Ahmad Gharabli/AFP/Getty Images

Er wird schon fast wie ein Star empfangen: Ayman Odeh läuft durch eine belebte Straße in der Kleinstadt Lod, wenige Kilometer östlich von Tel Aviv. Der Rechtsanwalt ist Spitzenkandidat der Vereinigten Arabischen Liste. Allein das macht ihn interessant. Die überwiegend arabischen Geschäftsleute in der Straße grüßen ihn freundlich, klopfen ihm auf die Schulter. Drei Frauen in einem Restaurant wollen unbedingt ein Selfie mit Odeh aufnehmen.

Erst vor wenigen Wochen wurde die Vereinigte Liste gegründet und hat schon jetzt weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Zuvor hatten sich jahrelang verschiedene arabische Parteien gegenseitig Wähler abspenstig gemacht. Dass sie einmal gemeinsam antreten würden, schien unwahrscheinlich: Kommunisten, konservative und säkulare Muslime sowie Feministinnen zur Einigkeit zu bewegen - ein diplomatisches Kunststück. Deshalb nennt Spitzenkandidat Ayman Odeh die Arabische Liste "historisch". Und er gibt sich optimistisch: "Endlich ist ein gemeinsames Vorgehen Wirklichkeit geworden, wir glauben, dass wir so einiges erreichen können. Die Stimmung ist auf jeden Fall auf unserer Seite."

Eine Wahlrechtsreform erzwingt Einigkeit

Meinungsforscher sehen das ähnlich. Laut neuesten Umfragen kann die Vereinigte Arabische Liste mit bis zu 13 der 120 Sitze in der Knesset rechnen, dem israelischen Parlament. Damit könnte sie drittstärkste Kraft werden.

Ayman Odeh, Spitzenkandidat der Arabischen Liste - Foto: Anja Koch (DW)
Spitzenkandidat Odeh: "Wir sprechen mit allen, genau wie Mandela"Bild: DW/A. Koch

Einige rechte Politiker hatten sich das wohl etwas anders vorgestellt: Auf ihr Betreiben hin wurde das Wahlrecht reformiert. Statt wie bisher zwei Prozent braucht nun eine Partei 3,25 Prozent, um ins Parlament einzuziehen. Beobachter werteten das als Versuch, die vielen, bisher nur sehr kleinen arabischen Parteien aus der Knesset zu drängen. Die aber haben aus der Not eine Tugend gemacht und sind nun mit ihrer gemeinsamen Liste offensichtlich stärker als je zuvor.

Entscheidend könnte sein, wie gut es gelingt, die arabischen Wähler zu mobilisieren. Die letzte Wahl vor zwei Jahren haben viele von ihnen boykottiert. Die Vereinigte Liste soll da neuen Schwung bringen. Potenzial gäbe es jedenfalls: 1,6 Millionen arabische Israelis leben im Land - also Menschen mit israelischem Pass, die aber keine Juden sind. Sie machen fast 20 Prozent der Bevölkerung aus. Die meisten sind Muslime, aber auch Christen und Drusen gehören dieser großen Minderheit an. Oft sind es Nachkommen von Palästinensern, die im Unabhängigkeitskrieg von 1948 nicht aus dem Land geflohen sind und nicht vertrieben wurden.

Araber fühlen sich diskriminiert

Heute sind viele arabische Israelis unzufrieden mit ihrer Situation im Land, fühlen sich wie Bürger zweiter Klasse. "An jedem einzelnen Tag spüre ich den Rassismus in unserer Gesellschaft", klagt Maher Saleh. Der Araber betreibt in Lod einen Laden für Haushaltsgegenstände. Was ihn besonders wurmt: Dass selbst ranghohe Politiker wie Außenminister Avigdor Lieberman nicht davor zurückschrecken, die arabischen Israelis ganz offen als unwillkommen zu bezeichnen. "Leider wirken solche Sätze. Die Juden, mit denen wir hier in der Stadt an Seite an Seite leben, kaufen immer seltener bei mir ein - nur deshalb, weil ich Araber bin. Obwohl ich natürlich auch bei ihnen einkaufe."

Maher Saleh, Haushaltswarenhändler in Lod - Foto: Anja Koch (DW)
Haushaltswarenhändler Saleh: "Rassismus in unserer Gesellschaft"Bild: DW/A. Koch

Für Maher Saleh ist deshalb klar, wo er am 17. März sein Kreuz macht: "Ich wähle die arabische Liste, weil ich glaube, dass es gut ist, gemeinsam anzutreten. So werden wir Araber gestärkt."

Spitzenkandidat Ayman Odeh hört sowas sicherlich gern. Bei seiner Tour durch Lod hat er auch im Laden von Maher Saleh haltgemacht, sich erkundigt, wie die Geschäfte laufen. Odeh hört aufmerksam zu, gibt engagierte Antworten - einer, der sich kümmert, das ist die Botschaft.

Eine Partei für Araber und Juden gleichermaßen

Dabei will er ausdrücklich nicht nur für die arabischen Israelis da sein. Im Wahlkampf hat die Partei immer wieder deutlich gemacht, dass sie auch die Juden im Land vertreten will. Odeh sieht sich und seine Mitstreiter schon in der Tradition politischer Helden: "Wir wollen nicht nur mit einer Seite sprechen, wir sprechen mit allen. Genauso wie Mandela es damals gemacht hat, als er Schwarze und Weiße in seinen Kampf gegen die Apartheid eingebunden hat."

Wie viele Juden sich davon tatsächlich angesprochen fühlen, wird wohl erst die Wahl zeigen. Einer jedenfalls hat seine Unterstützung schon öffentlich gemacht: Gilad Halpern, Journalist beim israelischen Hörfunk will seine Stimme der Vereinigten Liste geben. "Wir Juden müssen solidarisch sein", sagte Halpern der DW. "Es gibt in der aktuellen Regierung Kräfte, die ganz offen versuchen, einen Keil zwischen die Araber zu treiben. Es ist unsere Pflicht, uns dagegen auszusprechen."

Doch ganz egal, wie viele Stimmen die arabische Liste bekommt - eine Regierungsbeteiligung wird es nicht geben. Für eine Koalition, selbst mit dem Mitte-Links-Bündnis, stehe man nicht zur Verfügung, sagt Ayman Odeh: "Wir können kein Teil einer Regierung sein, die den Gaza-Streifen bombardiert und Steuergelder lieber in die jüdischen Siedlungen im Westjordanland pumpt, anstatt jene Städte in Israel zu unterstützen, die arabisch geprägt sind."

Eine Partei, die gar nicht regieren will, ob das die Wähler überzeugt? Der jüdische Journalist Halpern sieht darin kein Problem. "Oft sind gerade die Stimmen wichtig, die an die Opposition gehen, denn sie spiegeln die Meinung derjenigen, die unterrepräsentiert sind." Sollte die arabische Liste tatsächlich drittstärkste Kraft werden und es eine große Koalition geben, dann wären die arabischen Politiker sogar Oppositionsführer. "Stellen Sie sich das mal vor", sagt Halpern begeistert, "wenn ein Staatsgast wie US-Präsident Barack Obama kommt, dann würde er sich mit den Politkern der Vereinigten Liste treffen - das gäbe ihnen so viel mehr Gewicht." Spitzenkandidat Ayman Odeh würde das sicher gefallen - ebenso wie vielen Arabern in Israel.