Verfassungsgericht befasst sich mit Wehrpflicht
26. März 2009Die Bundeswehr war Teil der Integration in das westliche Verteidigungsbündnis. Während der Debatte um die Wiederbewaffnung wurden Lehren aus der nationalsozialistischen Vergangenheit gezogen und zwei Prinzipien festgelegt. Frauen sollten vom Dienst an der Waffe ausgeschlossen werden und es sollte die allgemeine Wehrpflicht herrschen.
Gleiches Recht für Männer und Frauen
Frauen sollten in der Bundeswehr lediglich im Sanitätsdienst eingesetzt, nicht aber an der Waffe ausgebildet werden. Lediglich in der Grundausbildung wurden Frauen zum Selbstschutz ("Notwehr") und zum Schutz ihnen anvertrauter Personen ("Nothilfe") an Handwaffen - Gewehr und Pistole - ausgebildet. Ansonsten galt der Grundsatz, dass Frauen "auf keinen Fall Dienst an der Waffe leisten" dürfen.
Gegen diesen Grundgesetz-Artikel wandte sich im Jahr 2000 die Elektronikerin Tanja Kreil aus Hannover. Sie klagte vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg und bekam Recht. Das Gericht sah in dem Verbot für Frauen "Dienst mit der Waffe" zu leisten eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Der Deutsche Bundestag änderte daraufhin das Grundgesetz. Anfang 2001 traten die ersten 244 Frauen ihren Dienst an der Waffe an.
Allgemeine Wehrpflicht
Zum anderen sollte die Bundeswehr eine Wehrpflichtarmee sein. Das heißt, jeder gesunde junge Mann sollte zwischen Schule und Berufsausbildung für einige Monate zur Bundeswehr eingezogen werden, um den so genannten "Grundwehrdienst" abzuleisten. Gleichberechtigt neben dem militärischen Dienst stand der Zivildienst. Bis in die 1980er Jahre mussten sich junge Männer, die anstelle des Militär- einen Zivildienst ableisten wollten, einem komplizierten und stark kritisierten Anerkennungsverfahren unterziehen.
Auch der zweite Grundpfeiler der Bundeswehr – die allgemeine Wehrpflicht – steht nun möglicherweise vor dem Aus. Seit der deutschen Wiedervereinigung des Jahres 1990, dem Ende der Blockkonfrontation und der Ost-Erweiterung der Nato steht das deutsche Wehrkonzept auf dem Prüfstand. Schon in der Amtszeit von Verteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD) wurden aus einem Jahrgang von ungefähr 440.000 18-Jährigen nur noch 100.000 junge Männer zur Bundeswehr eingezogen. Nach den damaligen Plänen des Verteidigungsministeriums sollten es bis 2010 nur noch 53.000 Rekruten sein, die in die Kasernen einziehen sollten. Standortschließungen waren die logische Konsequenz dieser Entscheidungen. In den Augen der Kritiker konnte fortan von Wehrgerechtigkeit im bundesdeutschen Verteidigungskonzept keine Rede mehr sein.
Mangelnde Wehrgerechtigkeit
Auf entsprechende Klagen reagierte das Kölner Verwaltungsgericht am 21. April 2004. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gab es der Klage dreier Wehrpflichtiger Recht, die sich wegen mangelnder Wehrgerechtigkeit gegen ihre Einberufung zur Wehr gesetzt hatten. Seinerzeit hob das Bundesverwaltungsgericht das Urteil wieder auf und rief das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an, doch aus formalen Gründen wurde dort keine Entscheidung getroffen.
Im vergangenen Jahr war das Kölner Gericht erneut mit einem ähnlichen Fall befasst und urteilte nahezu wortidentisch: Das Verwaltungsgericht will erneut vor dem Bundesverfassungsgericht die Frage klären lassen, ob die allgemeine Wehrpflicht mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist, obwohl sich "zwischen der Zahl der für die Bundeswehr verfügbaren und der Zahl der tatsächlich einberufenen Wehrpflichtigen eine Lücke auftut, die dem Grundsatz der Wehrgerechtigkeit widerspricht."
Es könnte also sein, dass zum zweiten Mal ein Gericht eines der Grundprinzipien der Bundeswehr kippt: Erst den Ausschluss von Frauen vom Dienst an der Waffe und jetzt die allgemeine Wehrpflicht.
Autor: Matthias von Hellfeld
Redaktion: Dеnnis Stutе