Verfassungsgericht prüft Euro-Eilklagen
10. Juli 2012Zum Auftakt der Verhandlungen in Karlsruhe mahnte der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, eine sachliche Debatte bei der Euro-Rettung an. Auch in ungewöhnlichen Krisensituationen dürfe die Verfassung nicht außer Acht gelassen werden.
"Europa fordert den demokratischen Verfassungsstaat ebenso wie der demokratische Verfassungsstaat Europa fordert. Wer dieses Verhältnis zu einer Seite auflöst, verliert die andere!"
Voßkuhle stellte klar, dass das Gericht noch nicht über die Verfassungsmäßigkeit der Eurorettungsmaßnahmen verhandle. Das Eilverfahren beschäftige sich allein mit der Frage, ob der Bundespräsident die am 29. Juni vom Bundestag beschlossenen Gesetze unterschreiben darf oder damit warten muss, bis das Gericht in der Hauptsache entschieden hat.
Haushaltsrechte des Bundestags in Gefahr?
Dem Zweiten Senat des Gerichts liegen mehrere Eilanträge und Klagen vor, unter anderem vom Verein "Mehr Demokratie" um die frühere Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), der sich inzwischen mehr als 20.000 Bürger angeschlossen haben. Die Kläger argumentieren, die beiden Verträge griffen zu tief in die Haushaltsrechte des Bundestags ein. Hätten die Kläger damit Erfolg, dürfte dies europaweit erhebliche politische Konsequenzen haben. Das Urteil wird Ende Juli erwartet.
Auf Seiten der Bundesregierung äußerte sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) persönlich in Karlsruhe zu den jüngsten milliardenschweren Maßnahmen zur Bewältigung der Staatsschuldenkrise im Euro-Währungsgebiet. Letztlich wird im Hauptsacheverfahren gerichtlich geprüft, ob der Bundestag, wie die Kläger meinen, mit seiner Zustimmung zu den weitreichenden Verträgen zur Euro-Rettung seine eigene haushaltspolitische Kontrolle zu stark eingebüßt und damit gegen das Grundgesetz verstoßen hat.
Schäuble rief zu einer raschen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Eilanträge auf. Eine deutliche Verschiebung der Gesetze könnte weit über Deutschland hinaus für "erhebliche weitere Verunsicherung an den Märkten" führen. Auch würde dies einen erheblichen Vertrauensverlust für die Euro-Zone bedeuten, die notwendigen Entscheidungen in angemessener Zeit treffen zu können, sagte Schäuble.
Die Kläger halten die eingegangenen Haftungsrisiken für nicht verantwortbar. Der ESM führe dazu, dass die Europäische Union zu einer "Haftungs- und Transferunion" werde, argumentieren sie. Eine Entscheidung der Karlsruher Richter wird bis Ende Juli erwartet.
Der ESM soll klammen Euro-Ländern mit Krediten von bis zu 500 Milliarden Euro helfen können. Dafür steht Deutschland mit 22 Milliarden Euro in bar und weiteren 168 Milliarden Euro an abrufbarem Kapital gerade. Mit dem Fiskalpakt verpflichten sich die Unterzeichnerländer zur Einführung von Schuldenbremsen und damit zu mehr Haushaltsdisziplin.
re/li/kis (dpa, dapd, rtr)