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Jugendarbeitslosigkeit im Vergleich

10. Juni 2011

In vielen europäischen Ländern hat ein großer Teil der jungen Menschen keinen Job. Am höchsten ist die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien. Im Vergleich steht Deutschland relativ gut da. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

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Mann mit Gedankenblase (Foto: DPA)
Bild: Dianne Aston

"Jugendliche sind die Zukunft" - in Sonntagsreden betonen europäische Politiker gerne die Bedeutung der Jugend. Die Wirklichkeit aber sieht anders aus: In vielen europäischen Ländern hat ein großer Teil der jungen Menschen keinen Job. Deutschland steht im europäischen Vergleich relativ gut da, am höchsten ist die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien.

Dort hat fast jeder zweite Jugendliche keinen Job - die Arbeitslosenrate der unter 25-jährigen liegt bei 44 Prozent. Das ist der höchste Wert in der Europäischen Union. Viele junge Spanier haben das Gefühl, einer "verlorenen Generation" anzugehören. Einer Generation, die zahlen muss für eine Krise, die sie nicht verursacht hat. "Wir wollen mehr Rechte: auf eine feste Stelle, ein ausreichendes Gehalt, die Chance auf eine eigene Wohnung und eine selbstbestimmte Zukunft", sagte einer der Demonstranten, die seit Wochen in Spaniens großen Städten auf die Straße gehen, der Deutschen Welle.

Demonstration gegen Arbeits- und Perspektivlosigkeit in Spanien (Foto: AP)
Demonstration gegen Arbeits- und Perspektivlosigkeit in SpanienBild: AP

Eine der Ursachen der Misere ist das Ende des Booms in der Baubranche, eines Schlüsselsektors der spanischen Wirtschaft. Nach dem Platzen der Immobilienblase ging der Wohnungsbau um bis zu 70 Prozent zurück. Während des Booms hatten viele junge Menschen vorzeitig die Schule abgebrochen, denn damals konnten sie auf den Baustellen des Landes gutes Geld verdienen. Jetzt sind sie arbeitslos und haben keinen Schulabschluß.

Spanien ist in Europa kein Einzelfall: Auch in Ländern wie Griechenland, Irland oder Italien sind rund 30 Prozent der Jugendlichen ohne Job. Im Dezember 2010 lag die Jugendarbeitslosigkeit nach Angaben von Eurostat in 19 der 27 EU-Staaten bei mehr als 20 Prozent.

Jugendliche, so Holger Schäfer, Arbeitsmarktexperte des Instituts der Deutschen Wirtschaft, seien die ersten Opfer einer Wirtschaftskrise: "Jugendliche haben es in Krisensituationen schwerer als andere Altersgruppen - das liegt daran, dass sie weniger lange im Betrieb sind."

Begrenzter Spielraum der Politik

Die Jugendlichen, erklärt Schäfer, seien häufig nur befristet und ohne Kündigungsschutz angestellt. Außerdem hätten sie weniger "betriebsspezifisches Humankapital", also Fähigkeiten und Kenntnisse, die sie speziell im Betrieb anwenden können. Deswegen seien sie bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten die ersten, die auf der Straße landen.

Die kurzfristigen Einflussmöglichkeiten der Politik, so Schäfer, seien beschränkt. Wichtigste Maßnahme: Die Wirtschaft und damit den gesamten Arbeitsmarkt wieder in Schwung bringen: "Die Konjunktur spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung des Arbeitsmarktes für junge Menschen. Der Ausbildungsstellenmarkt hängt ganz stark an der allgemeinen Entwicklung des Arbeitsmarktes dran."

Sobald der normale Arbeitsmarkt wieder in Schwung komme, glaubt der Wirtschaftswissenschaftler, werde sich auch der Arbeitsmarktsituation für junge Menschen wieder verbessern. Auch in Spanien sei die Situation vor der Wirtschaftskrise deutlich besser gewesen: "Noch 2006 lag die Jugendarbeitslosigkeit dort 'nur' bei etwa 18 Prozent also deutlich weniger als die 44 Prozent, die wir im Moment sehen."

Montage beim deutschen Maschinenbauer Gildemeister (Foto: DPA)
Der deutsche Maschinenbau boomt. Die Unternehmen bilden aus. Trotzdem fehlen in einigen Bereichen sogar FachkräfteBild: picture-alliance/dpa

Deutschland kam im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten wesentlich besser durch die Krise. Die deutsche Wirtschaft wächst, der Export boomt, die Menschen konsumieren. Und so liegt die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland unter zehn Prozent – ähnliche Raten erreichen sonst nur noch Österreich und die Niederlande. Neben der wirtschaftlichen Entwicklung sehen viele Experten das duale Bildungsystem – also die parallele Ausbildung in Berufsschule und Betrieb - als einen der Hauptgründe für die geringe Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland.

"Ich glaube, dass das duale Ausbildungssystem eines der besten weltweit ist", sagt Rene Rudolf, Leiter der Abteilung Jugend- und Jugendpolitik beim Deutschen Gewerkschaftsbund. "Es bietet Jugendlichen, die kein Studium absolvieren, gute Möglichkeiten in den Beruf einzusteigen und verbessert ihre Chancen am Arbeitsmarkt."

Unsichere Arbeitsverhältnisse auch in Deutschland

Trotzdem warnt der Gewerkschafter Rudolf vor Euphorie. Die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland sei zwar im europäischen Vergleich sehr niedrig. Ein großer Teil der Jugendlichen würde aber in unsicheren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, als schlecht bezahlte Leiharbeiter, mit befristeten Verträgen oder als Dauerpraktikanten: "All das macht natürlich den jungen Menschen zu schaffen. Denn wenn sich die wirtschaftliche Situation in Deutschland wieder verschlechtert, sind sie die ersten, die von Arbeitslosigkeit bedroht sind."

Noch aber boomt die deutsche Wirtschaft. Die ersten arbeitslosen spanischen Akademiker haben sich bereits auf den Weg nach Deutschland gemacht. Doch die Sprachbarriere ist groß. Ohne deutsche oder zumindest englische Sprachkenntnisse haben sie auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt nur geringe Chancen.

Autor: Nils Naumann
Redaktion: Hartmut Lüning