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Ist El Niño schuld am verrückten Wetter?

Ruth Krause30. Dezember 2015

Überschwemmungen in Südamerika und England, Frühlingstemperaturen in Europa, Tornados in den USA: Welche Launen der Natur sind tatsächlich auf El Niño zurückzuführen und welche nicht?

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Überschwemmungen in Paraguay (Foto: Reuters).
Bild: Reuters/J. Adorno/Files

England steht unter Wasser, in Südamerika sind durch Überflutungen über 150.000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden. In den USA forderten Tornados forderten mindestens 43 Menschenleben. Und am Nordpol könnte es mehr als 40 Grad wärmer werden als normal. Das Wetter spielt verrückt. Ein Sündenbock, der in aller Munde ist, ist El Niño. Doch stimmt das wirklich?

Was ist El Niño überhaupt?

"El Niño" bedeutet übersetzt "das Kind". Peruanische Fischer gaben dem Phänomen einst diesen niedlich klingenden Namen. Doch dem macht El Niño keine Ehre: Die Klimaanomalie tritt in unregelmäßigen Abständen - zuletzt 2009/2010 - auf und dauert gewöhnlich ein Jahr. Die normale Wettersituation verändert sich, kalte und warme Meeresströmungen im Pazifik an der Küste Südamerikas versiegen oder kehren sich um. Und das hat globale Folgen: Oft verursachte El Niño weltweite Naturkatastrophen. Laut Jerome Lecou, Klimaexperte des französischen Wetterdienstes Meteo France, könnte der diesjährige El Niño der stärkste der vergangenen 100 Jahre sein.

Schuld von El Niño: Zustände in Südamerika, Indonesien, Australien

Ein Kind läuft über dürren Boden auf den Philippinen (Foto: picture alliance).
Eine Auswikung von El Niño: Die Trockenheit in IndonesienBild: picture-alliance/dpa/F. Malasig

Experten sind sich einig: Die Überflutungen in Argentinien und Paraguay gehen auf das Konto von El Niño. "Man weiß, dass in Phasen von El Niño dort mehr Niederschlag auftritt als normal", sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst (DWD) der DW.

Aber auch die Waldbrände, Smogalarm und Trockenheit in Indonesien und Australien seien auf das Wetterphänomen zurückzuführen. Ebenso spiele El Niño eine Rolle bei der Dürre in Äthiopien - denn wenn an einem Ort mehr Regen falle, fehle er an anderer Stelle. Auch trage er dazu bei, dass 2015 das wärmste Jahr in der Geschichte der Klimaaufzeichnungen werde. Doch damit sei man auch schon am Ende mit den Wetterphänomenen die unmittelbar mit El Niño zusammenhängen, so Friedrich.

Unschuldig am Wetter in USA, Europa, dem Nordpol

Und was ist mit anderen Teilen der Erde? Oft werden die Unwetter im Südosten und Osten der USA in einen Atemzug mit El Niño genannt. Zu Unrecht, meint der Experte vom DWD. "Die Tornados und Wetterkapriolen in den USA, die Überschwemmungen in England, die milden Temperaturen in großen Teilen Mitteleuropas - sie haben nicht wirklich mit El Niño zu tun. Das sind Anomalien in der Großwetterlage, wie wir sie momentan über der Nordhemisphäre haben, die eben zu solchen Wetterkapriolen führt." Schuld sei eine Veränderung der Jetstreams: Starkwindbände, die sich in zehn Kilometer Höhe um die Nordhalbkugel schlängeln. "Diese Jetstreams sind jetzt stark verbeult, um es mal volkstümlich zu sagen."

Eine Folge ist laut Friedrich, dass warme Luftmassen von den kanarischen Inseln über Mitteleuropa bis zum Eismeer gelangen - wo sie sonst eher seltener sind. Gleichzeitig führten die veränderten Jetstreams dazu, dass sich Tiefdruckgebiete immer über die gleiche Region hinwegbewegten - wie jetzt Großbritannien- und es dabei zu enormen Regenmengen komme.

"Das ist ein Teil des chaotischen Systems der Atmosphäre. Man weiß auch nicht, warum sich solche Großwetterlagen immer wieder wiederholen. Da gibt es keine Erklärung, das hat nichts mit El Niño zu tun", so Friedrich. Und es sei auch keine alleinige Folge des Klimawandels. Den Klimawandel dafür verantwortlich zu machen, hält auch der französische Klimaforscher und Mitglied des Weltklimarates Jean Jouzel für falsch: Solche extremen Wetterlagen könnten immer noch Teil der natürlichen Zyklen sein.

Andreas Friedrich fügt hinzu: "Das wird gerne alles in einen Top geworfen. Anomalien der Großwetterlagen sind nun mal chaotisch. Die lassen sich nicht erklären - sonst wüssten wir ja auch schon im Sommer, wie das Wetter an Weihnachten wird."