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Verteidigungsministerin unter Beschuss

Marcel Fürstenau29. September 2014

Ursula von der Leyen wollte die marode Bundeswehr im Eiltempo schlagkräftiger machen. Doch ihre Bilanz nach fast 300 Tagen im Amt ist zwiespältig. Das scheint die stets strahlende Powerfrau aber kaum zu beeindrucken.

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Von der Leyen zu Truppenbesuch in Afghanistan 23.07.2014 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Mehr Verantwortung in der Welt, mehr Kindertagesstätten in Kasernen - die deutsche Verteidigungsministerin verfolgt offenbar einen ganzheitlichen Ansatz. Diesen Eindruck hat Ursula von der Leyen schon erweckt, als sie zunächst das Familienressort leitete und anschließend ins Arbeitsministerium wechselte. Nicht kleckern, sondern klotzen lautet ihre Devise. Entsprechend forsch startete die Christdemokratin ins Amt, das sie von ihrem Parteifreund Thomas de Maizière übernommen hat. Der wäre gerne Chef auf der Bonner Hardthöhe und im Berliner Bendlerblock geblieben, wo sich die beiden Dienstsitze befinden.

Die Neue legte gleich los wie die Feuerwehr. Mehrere Spitzenbeamte mussten ihre Stühle räumen, darunter der für Rüstungsfragen zuständige Staatssekretär und de Maizière-Vertraute Stéphane Beemelmans. Mit dessen Krisenmanagement in der schon länger schwelenden Euro-Hawk-Affäre war von der Leyen offenkundig mehr als unzufrieden. Mängel in der Ausrüstung und bei der Beschaffung von Rüstungsgütern beherrschen auch dieser Tage die Schlagzeilen. Vom "Schrottplatz" Bundeswehr ist die Rede angesichts fluguntauglicher Transportflugzeuge und Hubschrauber. Zu den Problemfällen gehören unter anderem die Kampfjets "Eurofighter" und "Tornado" sowie gepanzerte Fahrzeuge. Die Mängel waren vor wenigen Tagen auch Thema im Verteidigungsausschuss des Bundestags.

Auslandseinsätze haben negative Auswirkungen auf die Heimatfront

Ministerin von der Leyen selbst sagt, es handele sich um eine "richtig große Baustelle". Und sie ergänzt in einem "Deutschlandfunk"-Interview, dass sich die Probleme "über Jahre aufgestaut haben" und kurzfristig nicht zu lösen seien. Doch trotz dieses Befunds sei die Bundeswehr bei den laufenden Einsätzen "voll dabei". Damit meint die Verteidigungsministerin sämtliche 17 Auslandseinsatze, an denen die Truppe zum Teil schon länger als ein Jahrzehnt beteiligt ist. Engagements wie die in Afghanistan oder im Kosovo, wo man laut von der Leyen "hochgeschützt und hochmodern ausgerüstet" sei, haben aber anscheinend negative Folgen für die Heimatfront. Denn in Kasernen und auf Übungsplätzen wird seit Jahren auf Verschleiß gefahren.

Der Blick in das Innere deutscher Militärgüter (hier ein Transall-Transportflugzeug) offenbart oft Abgründe. (Foto: Blanchard/DW)
Der Blick in das Innere deutscher Militärgüter (hier ein Transall-Transportflugzeug) offenbart oft AbgründeBild: DW/S. Blanchard

Der Unterbau sei wenig beachtet und "einfach beiseite geschoben worden", räumt die erste deutsche Verteidigungsministerin ein und kritisiert damit indirekt ihre männlichen Vorgänger. Die Liste der Versäumnisse ist lang und beginnt bei elementaren Dingen: Wartung, Instandsetzung, Beschaffung von Ersatzteilen. Alles das sei runtergefahren worden und "da staut es sich jetzt", stellt die promovierte Medizinerin fest. Wie sie die Missstände bekämpfen kann, dafür verspricht sich die 55-Jährige in der kommenden Woche sachdienliche Hinweise. Am 6. Oktober, zwei Tage vor ihrem Geburtstag, soll ein von der Ministerin in Auftrag gegebenes Gutachten präsentiert werden. Dabei geht es unter Federführung der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG um neun große Rüstungsprojekte, wie Drohnen, Transportflugzeuge des Typs "A 400 M" oder die Hubschrauber "Tiger" und "NH 90".

Rückendeckung durch Angela Merkel

Von vermeintlich falschen Prioritäten will die Verteidigungsministerin nichts wissen. Die Entscheidung, sich nach ihrer Ernennung im Dezember zunächst um die Attraktivität der Bundeswehr zu kümmern, hält sie nach wie vor für richtig. "Sie können keinen Einsatz fahren ohne Soldaten", erwidert von der Leyen ihren Kritikern. Und sie darf sich der Rückendeckung durch die Bundeskanzlerin gewiss sein. Ihr Kurs habe die Unterstützung der Bundeskanzlerin, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Zugleich versuchte er Zweifel zu zerstreuen, Deutschland könne womöglich seinen Verpflichtungen innerhalb des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses nicht nachkommen. Die NATO erlebe Deutschland als "einsatzfähigen Partner", betonte Seibert.

Kanzlerin Merkel (l.) hält zu ihrer Ministerin. (Foto: Reuters)
Kanzlerin Merkel (l.) hält zu ihrer MinisterinBild: Reuters

Auch außerhalb des Berliner Regierungsviertels gibt es Zuspruch für von der Leyen. So sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner aus Rheinland-Pfalz, es sei zu einfach, einen einzelnen Schuldigen zu suchen. Auch die Industrie hat ihrer Meinung nach einen Anteil am maroden Zustand der Bundeswehr. Beispielhaft nannte Klöckner Defizite bei Kontrollen und Lieferverzögerungen. Dass die Probleme über einen langen Zeitraum entstanden seien, meint auch Hessens christdemokratischer Ministerpräsident Volker Bouffier.

"Es wurde schöngeredet und weichgezeichnet"

Selbst der Vorsitzende des parlamentarischen Verteidigungsausschusses, der Sozialdemokrat Hans-Peter Bartels, verteidigt von der Leyen. "Sie hat das nicht herbeigeführt", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Verantwortlich seien vielmehr ihre Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg und Thomas de Maizière, die bei der Beschaffung von Ersatzteilen und neuer Waffensysteme gedrosselt hätten. Anders als Bartels bewertet dessen SPD-Fraktionskollege Rainer Arnold das Agieren der Ministerin. Bisher habe sie nichts entschieden. "In den nächsten Wochen kommt für sie die Stunde der Wahrheit", prophezeit Arnold in der "Rheinischen Post". Für die Verteidigungspolitik der vergangenen Jahre insgesamt fällt der SPD-Politiker ein harsches Urteil. "Es wurde schöngeredet und weichgezeichnet", sagte er im Interview mit der Deutschen Welle.