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Schulfrei am Opferfest

Christina Ruta15. August 2012

Schulfrei für muslimische Schüler an islamischen Feiertagen: ein Punkt, den Hamburg mit muslimischen und alevitischen Gemeinden vertraglich regeln will. Es ist das erste Bundesland, das einen solchen Vertrag schliesst.

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Ein Mann beobachtet das Aufstellen der neu gestalteten Minarette an der Centrum-Moschee im Stadtteil St. Georg in Hamburg. (Foto: dpa)
Bild: dapd

Religionsunterricht durch eine alevitische Lehrerin und ein Recht auf einen freien Tag am islamischen Opferfest - das könnte in Hamburg bald Wirklichkeit werden. Am Dienstag (14.08.2012) stellte Olaf Scholz (SPD), Erster Bürgermeister der Hansestadt, die Entwürfe zum Vertrag gemeinsam mit Vertretern muslimischer Verbände sowie der Alevitischen Gemeinde vor. Diese repräsentieren 130.000 Muslime und 50.000 Aleviten in Hamburg. In dem Vertrag geht es unter anderem um Religionsunterricht und Bestattungsrituale und darum, dass muslimische Schüler an islamischen Feiertagen schulfrei bekommen.

Anerkennung der Verbände als Religionsgemeinschaft

Die Entwürfe stehen am Ende einer fünfjährigen Verhandlungszeit, die auf Initiative des damaligen Ersten Bürgermeisters Ole von Beust (CDU) zurückgeht. "Wir hatten das Ziel, ein Abkommen über gegenseitige Rechte und Pflichten in den verschiedenen Lebensbereichen zu schließen", sagt Dietrich Wersich rückblickend. Er ist CDU-Fraktionsvorsitzender in der Hamburgischen Bürgerschaft, dem Landesparlament, und heute einer der Oppositionsführer. Bei den Vertragsverhandlungen ging es um Integration und einen Dialog auf Augenhöhe, aber auch um die Anerkennung der grundlegenden Werte Deutschlands durch Muslime und Aleviten, die hier leben. Ein Beispiel dafür: die Gleichstellung von Mann und Frau.

"Der Vertrag wiederholt und bestätigt größtenteils schon bestehende verfassungsrechtlich garantierte Rechte, aber auch Pflichten der Muslime, die "sowieso zum Teil schon in Anspruch genommen werden konnten", erläutert Zekeriya Altuğ von der Türkisch-Islamischen Union (DITIB), die neben zwei anderen muslimischen Verbänden an den Verhandlungen in Hamburg beteiligt war.

Zekeriya Altug von der DITIB
Zekeriya Altuğ von der DITIBBild: privat

Teilweise sei die Umsetzung aber schwierig gewesen, weil auf muslimischer Seite ein Ansprechpartner für die Stadt fehlte. So mußte zunächst geprüft werden, ob die muslimischen Verbände überhaupt als Religionsgemeinschaft anerkannt werden können. Diese Frage wird im Vertragsentwurf jetzt ausdrücklich bejaht. "Das ist ein Novum, das bislang einmalig in Deutschland ist und hoffentlich auch Signalwirkung für andere Bundesländer hat", begrüßt Altuğ die Entscheidung.

Opferfest als kirchlicher Feiertag und Mitbestimmung beim Religionsunterricht

Neu ist auch, dass jeweils drei islamische und alevitische Feiertage den Status von kirchlichen Feiertagen erhalten. Muslimische Arbeitnehmer haben dann einen gesetzlichen Anspruch darauf, sich freinehmen zu können, etwa am Opferfest. Sie müssen sich aber Urlaub nehmen oder die Zeit nacharbeiten. Muslimische Schüler sollen schulfrei bekommen.

Auch in Sachen Religionsunterricht soll es an Hamburger Schulen Änderungen geben. Der ist in der Stadt in den meisten Schulen konfessionsübergreifend und liegt in der Verantwortung der evangelischen Kirche. Nach Meinung von Zekeriya Altuğ von der DITIB ist dieser gemeinsame Unterricht aber zu sachlich und zu wenig religiös: "Aus unserer Sicht war das bisherige Modell nicht bekenntnisorientiert, insbesondere für die Muslime nicht. Der Unterricht hatte bestenfalls nur informativen Charakter", kritisiert er die bislang gängige Praxis. Künftig sollen Aleviten und Muslime in Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirche die Inhalte des Hamburger Religionsunterrichts festlegen. Außerdem sollen auch alevitische und muslimische Lehrer zum Einsatz kommen.

EIn Lehrer gibt alevitischischen Religionsunterricht Foto: Jörn Perske (dpa)
Alevitischer Religionsunterricht in DeutschlandBild: picture alliance/dpa

Uneinigkeit über konkrete Ausgestaltung

Ob die stärkere Einbeziehung der Muslime und Aleviten in das Schulwesen aber tatsächlich zu einem bekenntnisorientierten Religionsunterricht führen wird, ist noch nicht klar. Für Dietrich Wersich von der CDU würde ein bekenntnisorientierter Unterricht bedeuten, dass nicht mehr konfessionsübergreifend unterrichtet werden könne. "Für uns ergeben sich da schon noch einige Fragen, wobei wir in der Vergangenheit immer gesagt haben, wir wollen an dem Religionsunterricht für alle festhalten und keinen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht für islamische Kinder." Auch Bürgermeister Scholz möchte an der bisherigen überkonfessionellen Regelung festhalten.

In anderen Fragen besteht ebenfalls noch Uneinigkeit. Etwa über die Frage, ob die Regelungen im Vertrag auch Gesetzesänderungen nach sich ziehen. Dies betrifft zum Beispiel den Bau von Moscheen, die Mitwirkung der Verbände im Rundfunkrat oder die Frage, ob muslimischen Frauen überall erlaubt wird, ein Kopftuch zu tragen. Die DITIB wünscht sich, dass Kopftuchträgerinnen in keiner Weise diskriminiert oder dämonisiert werden. "In dem Sinne wäre eine Zulassung von Frauen zu allen Berufen, in denen das Ablegen des Kopftuches aus technischen Gründen nicht unbedingt nötig ist, ein Zeichen der Akzeptanz und auch des Willens, dass die Frau mit ihrer religiösen Identität am gesellschaftlichen Leben teilnehmen soll", so Zekeriya Altuğ im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Dietrich Wersich, CDU-Fraktionschef der Bürgerschaft in Hamburg. (Foto: Pressefoto Hamburger CDU)
Dietrich Wersich von der Hamburger CDUBild: CDU-Bürgerschaftsfraktion Hamburg

Doch das ist zumindest mit der oppositionellen CDU in Hamburg nicht zu machen: "Wir haben eine klare Haltung dazu. Wir wollen, dass die Kräfte, die den Staat vertreten - sei es die Staatsanwältin, die Polizistin oder die Lehrerin im Unterricht - Neutralität wahren und keine religiösen Symbole tragen", sagt CDU-Fraktionschef Wersich.

Grundsätzlich bewerten aber beide Seiten den Vertrag als positiv. Auch die evangelische und die katholische Kirche begrüßten ihn. Nun muss er noch formell vom Senat beschlossen werden. Im Herbst wird der Vertrag dann der Bürgerschaft vorgelegt.