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Verwaltungsreform tritt auf der Stelle

Jannis Papadimitriou7. Juli 2013

Die internationalen Geldgeber drängen Griechenland, seinen Staatsapparat zu verschlanken. Die wenigsten glauben, dass dies auch gelingt. Denn Klientelwirtschaft hat in der griechischen Verwaltung Tradition.

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Verbrannte EU-Flagge vor griechischem Parlament (Foto: LOUISA GOULIAMAKI/AFP/Getty Images)
Bild: AFP/Getty Images

Bereits im Herbst 2012 hat die griechische Koalitionsregierung unter Führung des konservativen Premiers Antonis Samaras 15.000 Entlassungen im öffentlichen Dienst bis Ende 2014 zugesagt. Zudem sollen mindestens 12.000 Staatsdiener noch in diesem Jahr an andere Stellen beordert werden, an denen sie dringender gebraucht würden. Für die aus EU, IWF und EZB bestehende Troika sind derartige Reformschritte Voraussetzung dafür, dass Griechenland die nächste Tranche in Höhe von 8,1 Milliarden Euro aus dem bereits vereinbarten Rettungspaket bekommt.

Druck der Troika

Doch die Umsetzung der Verwaltungsreformen gerät ins Stocken. In den vergangenen Tagen berichteten griechische Medien von einem Ultimatum der Troika an Athen, die längst zugesagten Entlassungen oder Zwangsversetzungen im öffentlichen Dienst bis Montag (08.07.2013) auf den Weg zu bringen. Sowohl die Regierung Samaras als auch die EU-Kommission in Brüssel dementierten das angebliche Ultimatum. Dennoch erklärte der für die Verwaltungsreform eigens berufene griechische Minister Kyriakos Mitsotakis, er würde voraussichtlich am Montag einen Gesetzesentwurf ins Parlament einbringen, der allen Forderungen der Troika Rechnung trägt.

"Die angestrebten Verwaltungsreformen sind notwendig, aber politisch nur schwer durchsetzbar", befürchtet Napoleon Maravegias, Professor für Politik- und Verwaltungswissenschaften an der Universität Athen. Voraussetzung für eine echte Reform wäre, dass die Leistungen der Beamten einer objektiven Prüfung unterzogen würden. Das sei in Griechenland besonders schwierig, denn erstens hätten die Betroffenen nur wenig Vertrauen in die staatlichen Institutionen und zweitens sei das Klientelsystem im Land immer noch allmächtig, so Maravejas.

Politik ohne "roten Faden"

Der in Frankreich promovierte Politikwissenschaftler wird wissen, wovon er spricht: Als Agrarminister in der griechischen Übergangsregierung unter Führung des obersten Richters Panagiotis Pikramenos im Jahr 2012 hat Maravejas wertvolle Einblicke in den Alltag der Athener Ministerien bekommen. Heute weiß er, dass der politische Wille zu echten Verwaltungsreformen im öffentlichen Dienst eher schwach ist.

Bettler mit Schild "Habe Hunger" auf Bürgersteig in Athen
Der Sparkurs treibt immer mehr Griechen in die ArmutBild: picture alliance/Robert Geiss

Das sei auch der Grund, warum auf politischer Ebene keine langfristige Planung, sondern nur noch Teilvorschläge und Spekulationen laut würden, erläutert der Politikprofessor: Mal käme die Empfehlung, das Ordnungsamt könnte mit der Polizei fusioniert werden, mal heiße es, für jede Entlassung erfolge eine Neueinstellung. Ein ganzheitlicher Ansatz oder ein roter Faden sei da jedenfalls nicht zu erkennen.

Fehlende Kontrolle

Erst 2010 ließ die damalige sozialistische Regierung die Gesamtzahl der griechischen Beamten überhaupt ermitteln. Seitdem weiß man, dass vor drei Jahren ziemlich genau 768.000 Menschen für den Staat tätig waren; allerdings waren in dieser Zahl Mitarbeiter von Kommunalunternehmen und großen Staatsbetrieben, wie etwa des Energieriesen DEI oder des Staatsrundfunks ERT, gar nicht enthalten. Eine umfangreiche Zählung aller Arbeitstätigen, die in irgendeiner Form aus öffentlichen Geldern bezahlt werden, bleibt immer noch aus. Und selbst bei den bereits erfassten Ministerien und Behörden gibt es nach wie vor kein ausführliches Organigramm, geordnet nach Abteilungen und Zuständigkeiten.

Auf dieser Grundlage könne man keine vernünftige Verwaltungsreform zustande bringen, mahnt die Journalistin und Arbeitsmarktexpertin Roula Salourou: "Nachdem eine Behörde die Zahl ihrer Mitarbeiter ermittelt hat, müsste sie doch einen Organisationsplan erstellen, damit auch jeder weiß, wer was macht im Haus", sagt Salourou. Ein solches Organigramm hätte sie jedoch nirgendwo gesehen, meint die Athener Journalistin. Der Grund dafür sei einleuchtend: Die öffentlichen Betriebe dienten traditionell der Versorgung von Parteianhängern und diese Mentalität sei noch allgegenwärtig - trotz Krise und Drucks seitens der Troika.

In einfachen Worten ausgedrückt: So manche Parteisoldaten in führenden Positionen hätten es wohl nicht gerne, dass jeder weiß, wer was macht in ihrer Behörde - dann würde nämlich auffallen, dass es sehr viele gibt, die gar nichts machen.

Fehlende Beamte

Dabei wären unterforderte Mitarbeiter für andere Aufgaben dringend gebraucht. Schließlich beschweren sich die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst seit Jahren über chronischen Personalmangel in mehreren Bereichen der Kernverwaltung, im Gesundheitswesen sowie in der Notfallvorsorge. Ihre Beschwerden seien völlig berechtigt, meint Roula Salourou und führt die Rentenkassen als Beispiel an.

Wer heute in Griechenland einen Rentenantrag stellt, müsse in der Regel zwei Jahre warten, bis die gesetzliche Rentenversicherung seinen Anspruch überhaupt geprüft hat. Eine schnellere Bearbeitung sei mangels Personal gar nicht möglich, erklärt die Athener Journalistin. Und sie fügt hinzu: "Eine absurde Situation: Zwei Jahre lang bekommen Sie kein Geld, weil Ihr Rentenantrag noch nicht beschieden wurde. Arbeiten dürfen Sie aber auch nicht, weil Sie als potenziell rentenberechtigt gelten".

Reformaufschub für den Verwaltungsminister?

Das sei ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig und dringend gezielte Versetzungen von Überhangkräften im öffentlichen Dienst wären, findet Salourou. Trotzdem bleiben diese weiterhin umstritten und politisch unerwünscht. Laut jüngsten Berichten von Athener Medien ist es sogar durchaus möglich, dass die Troika auf Druck der griechischen Regierung den Großteil der Stellenkürzungen und Zwangsversetzungen im öffentlichen Dienst auf den Herbst verschieben lässt. Vermutlicher Grund: Die dadurch zu erwartenden sozialen Spannungen sollen nicht die Urlaubssaison stören, in der Griechenland so viele Gäste erwartet wie nie zuvor.

Samaras und Westerwelle (Foto: dpa)
Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle hat Premier Antonis Samaras kürzlich seine Unterstützung zugesagtBild: picture-alliance/dpa

Ob nach dem Sommer der neue Verwaltungsminister Kyriakos Mitsotakis das Reformtempo erhöht, bleibt abzuwarten - es scheint aber nicht sehr wahrscheinlich, denn auch er stammt aus einer der mächtigen Polit-Dynastien, die seit Jahrzehnten die Geschicke Griechenlands bestimmen und mitverantwortlich für den heutigen Zustand des Landes sind. Der in Harvard studierte Soziologe ist Sohn des ehemaligen konservativen Premiers Kostas Mitsotakis sowie der Bruder von Ex-Außenministerin Dora Bakoyannis. Nach einer Blitzkarriere in der Finanzbranche darf sich der Spross der Politiker-Familie nun um die Verwaltungsreform im Land kümmern.