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"Very British": Deutscher Blick auf Großbritannien

10. Juli 2019

Die deutsch-britischen Beziehungen sind nicht frei von Vorurteilen - auch und gerade in Zeiten des Brexit. Die Ausstellung "Very British" im Haus der Geschichte zeigt, was Deutsche und Briten verbindet.

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Eine Teetasse, auf der  "Very British - ein deutscher Blick" steht. Aus der gleichnamigen Ausstellun  im Haus der Geschichte in Bonn
Bild: DW/H. Mund

Kostbar wie die britischen Kronjuwelen wird er als Einzelstück in einer Ausstellungsvitrine präsentiert: der Lederfußball, mit dem die Nationalspieler der deutschen und der englischen Mannschaft 1966 das legendäre WM-Endspiel in London bestritten haben.

Früher wurde nicht bei jedem Einwurf ein neuer Ball ins Spiel gebracht, da musste der harte Lederball das gesamte Spiel aushalten. 4:2 ging das Spiel im Wembley-Stadion aus. Das spielentscheidende Tor löste jahrelange Diskussionen aus und löst noch immer vereinzelt Ressentiments auf beiden Seiten aus.

Wie die Deutschen die Briten sehen

Karikatru von Theresa May, die sich eine Pistole, mit der Aufschrift "Brexit" in den Mund steckt. Aus der Ausstellung Very British - ein deutscher Blick im Haus der Geschichte in Bonn
Britische Politik als "Lachnummer" im KarnevalBild: DW/H. Mund

Das Haus der Geschichte in Bonn widmet sich in seiner aktuellen Wechselausstellung den deutsch-britischen Beziehungen seit 1945. "Very British - ein deutscher Blick" ist nicht nur der Titel, sondern auch Fokus der Kuratoren, die sogar das berühmte Tigerfell aus dem britischen Silvestersketch "Dinner for One" in einem Privatbesitz aufgetrieben haben. In Großbritannien kennt das schräge TV-Stück fast niemand, in Deutschland ist es Kult.

Britischer Humor spielt eine wichtige Rolle bei der historischen Schau. Wie die Deutschen - bis zur Wiedervereinigung 1990 vor allem in der BRD - ihre englischen Nachbarn und deren kulturelle Eigenarten gesehen haben, wirkt in der Rückschau kurios, hat aber seinen Grundton behalten. "Spinnen die Briten?" ist als Schlagzeile auf einem historischen Titelblatt zu lesen, die auch von heute sein könnte. Die Briten sind den Europäern seit jeher fremd geblieben.

Objekt der Begierde: Der Wembley-Fußball

Die Auswirkungen des Brexit-Chaos beschäftigten die Ausstellungsmacher in Bonn auch sehr konkret. Die entscheidende Frage war, ob die Kunsttransporte und Kuriere mit den Exponaten ohne Probleme nach Deutschland kommen oder schon an der Grenze steckenbleiben würden. Ein harter Brexit hätte das Ausstellungsprojekt, das 2016 konzipiert worden ist, zu Fall bringen können.

Der Direktor des National Football Museums in Manchester, Tim Desmond, transportierte den kostbaren Wembley-Fußball deshalb auch lieber in seiner privaten Reisetasche. Am Tag vor der Ausstellungseröffnung platzierte er ihn eigenhändig in der Vitrine im Haus der Geschichte. Sicher ist sicher.

Ein brauner Leder-Fußball. Aus der Ausstellung Very British - ein deutscher Blick im Haus der Geschichte in Bonn
Der Fußball des legendären WM-Endspiels 1966 im Londoner Wembley-StadionBild: DW/H. Mund

Damals hatte der deutsche Spieler Helmut Haller nach dem Endspiel kurzerhand den Ball mitgehen lassen und heimlich als Souvenir mit nach Deutschland genommen. Nicht gerade förderlich für die Freundschaft der beiden Fußball-Nationen. Erst 1996 erhielt der englische Fußballverband die Trophäe offiziell aus Deutschland zurück.

Nur zwei Wochen darf das nationale Heiligtum deshalb in Bonn bleiben, länger wollen die Briten nicht auf den Lederball verzichten. "Der Fußball steht heute für eine friedliche Konkurrenz", betonte Direktor Hans Walter Hütter bei der Pressekonferenz.

Kostbare Exponate: Königskrone von Georg I.

Andere wertvolle Exponate wurden speziell mit der Genehmigung der britischen Königin nach Deutschland ausgeliehen. Ein ganzer Ausstellungsraum ist der Verehrung der "Royal Family" gewidmet.

Im Mittelpunkt: die Königskrone Georgs I., der aus Hannover stammte. Seine Regentschaft repräsentiert auch die deutschen Wurzeln des britischen Königshauses. Der wertvolle Kopfschmuck gehört zu den Kronjuwelen und wird im Tower von London aufbewahrt. Ohne Erlaubnis der Queen darf er nicht das Land verlassen.

Königin Elisabeth II. und ihr Mann Prinz Philipp beim Deutschland-Besuch 1965
Begeistert gefeiert: Queen Elisabeth II. und Prinz Philipp beim Staatsbesuch 1965Bild: picture-alliance/dpa/K. Rohwedder

Die Bewunderung für Glanz und Glamour der britischen Monarchie ist in Deutschland ungebrochen, wie die Ausstellung in Bonn zeigt. Historischer Höhepunkt war der erste Staatsbesuch von Queen Elizabeth II. nach dem Krieg im Jahr 1965. Am 18 Mai - einem sonnigen Frühlingstag - landete die Königin mit Prinz Philipp und großer Entourage auf dem Flughafen Köln/Bonn. Damals war Bonn noch Regierungssitz und Hauptstadt.

Begeisterung für das britische Königshaus

Insgesamt elf Tage dauerte der Staatsbesuch der Queen. Jede Etappe wurde von einem Tross an Journalisten, Fotografen und Reportern begleitet. Historische Wochenschau-Berichte erzählen von der grenzenlosen Begeisterung, die der königliche Besuch Mitte der 1960er Jahre in Westdeutschland auslöste.

Und immer wieder Bildergeschichten für die Presse: Die Queen huldvoll grüßend in der Staatskarosse, die Queen beim Händeschütteln mit dem deutschen Volk, die Queen mit Schutzhelm bei der Besichtigung eines Stahlwerkes, die Queen in festlicher Abendrobe beim Staatsbankett des deutschen Bundespräsidenten. Das türkisfarbene Abendkleid von Königin Elizabeth, das der britische Modeschöpfer Hardy Amies mit unzähligen Perlen besticken ließ, ist in Bonn zu bewundern.

Teller und Tassen, die Kate Middleton und Prinz William zeigen
Für Souvenirjäger: Andenken von der Hochzeit von Kate und Prinz Willliam (2011)Bild: picture-alliance/dpa

Die königstreue Euphorie der Deutschen über alles, was das britische Königshaus betrifft, ist längst an die nachfolgenden Generationen der Royals übergegangen, wie die Bonner Ausstellung unterhaltsam zeigt. Die Enkel der Queen sind inzwischen die Stars der "Yellow Press". Kitschige Souvenirs - Tassen, Teller, Etuis, Schlüsselanhänger - mit Porträts von Prinz William und Kate sowie Prinz Harry und Meghan, garantieren Millionen-Umsätze - auch in Deutschland.

Versöhnliche Nachkriegs-Geschichte

Die deutsch-britischen Beziehungen bekommen nach dem Zerfall der Anti-Hitler-Koalition 1945 ein neues politisches Fundament. Winston Churchill erwähnt bereits 1945 in einem Telegramm an den US-Präsidenten Harry S. Truman den "Eisernen Vorhang". 1956 bekommt er für seine politische Weitsicht den Karlspreis in Deutschland verliehen.

Churchill, Truman und Stalin geben sich die Hände und lächeln
Potsdamer Konferenz 1945: Premierminister Churchill mit US-Präsident Truman und dem sowjetischen Diktator StalinBild: picture-alliance/dpa

1948/49 schreibt die Berliner Luftbrücke ein weiteres Kapitel deutsch-britischer Geschichte. Neben den Amerikanern fliegen auch "Rosinenbomber" der Royal Air Force Lebensmittel und das Allernötigste zur Versorgung der hungernden Berliner Bevölkerung ein. Die Sowjets beenden die "Berliner Blockade" am 12. Mai 1949.

Der "Kalte Krieg" bestimmt danach das Verhältnis der Deutschen zum Inselstaat und umgekehrt. Lange erkennt die britische Regierung die Ostzone und später auch die DDR als Staat nicht an. Ausschließlich Westdeutschland unter Bundeskanzler Konrad Adenauer ist für die Briten Ansprechpartner für alle bilateralen Verhandlungen.

Groß-Berlin: Schauplatz für Spionageschichte(n)

Die stark zerbombte Frontstadt Berlin wird zum Tummelplatz für Spionagedienste aus aller Welt. In den vier Sektoren herrscht Besatzungsrecht. Britische Schriftsteller wie John le Carré und später Timothy Garton Ash, die sich mit Deutschland intensiv beschäftigen, geraten ins Visier von Stasi und KGB, des DDR- und Sowjet-Geheimdienstes. Spionageromane sind in Nachkriegsdeutschland Bestseller, viele werden erfolgreich verfilmt.

Szene aus dem Film Bridge of Spies: Zwei Männer stehen im Schnee an einem Auto
Spionagegeschichte im Kalten Krieg: Tom Hanks im Kinofilm "Bridge of Spies", Regie: Steven Spielberg (2014)Bild: 2014 Twentieth Century Fox

In der BBC werden jeden Freitag im Radio Briefe von kritischen DDR-Bürgern verlesen, die über geheime Postfächer rausgeschmuggelt wurden - ein weitgehend unbekanntes Kapitel, das die Bonner Ausstellung beleuchtet. Der britische Soldatensender BFN begeistert mit seinen Pop- und Musiksendungen die jungen Leute im deutschen Sendegebiet. DJ und Moderator Chris Howland, bekannt als "Mr. Pumpernickel", ist ein Star in Westdeutschland.

Bands wie die Beatles und die Rolling Stones werden in den 1960er Jahren zum musikalischen Exportschlager Großbritanniens. Die Fans in Deutschland verehren sie wie Heilige. Popkultur aus "Swinging London" verändert die deutsche Kulturlandschaft nachhaltig. Die britische Musik - von Elton John bis Sting, von Ed Sheeran bis Adele - prägt bis heute den deutsch-britischen Kulturaustausch. Die Exponate im Haus der Geschichte erzählen davon.

Die Ausstellung "Very British - Ein deutscher Blick" ist vom 10. Juli 2019 bis zum 8. März 2020 im Haus der Geschichte in Bonn zu sehen. Den Katalog gibt es auf Deutsch und Englisch.