Viele Hürden für einen islamischen Religionsunterricht
2. Januar 2006"Islamische Unterweisung" am Hansa-Gymnasium in Köln: Acht Schüler sitzen an ihren Tischen und sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem christlichen und dem muslimischen Glaubensbekenntnis herausfinden. Lehrer Emin Alan hilft ihnen dabei. So klärt er seine 13- und 14-jährigen Schüler zum Beispiel darüber auf, dass Jesus auch für die Muslime von Bedeutung ist. Allerdings nur als einer von mehreren Propheten, nicht jedoch als Sohn Gottes.
Seit sechs Jahren unterrichtet der aus der Türkei stammende Alan am Hansa-Gymnasium das Fach "Islamische Unterweisung". Ihm ist wichtig, dass die 800.000 muslimischen Schüler in Deutschland auch in der Schule Wissen über den Islam erhalten, denn der Islam sei Bestandteil ihrer Identität. "Ich finde, es ist auch ein Verfassungsauftrag an den Staat, dass er den Schülern die Möglichkeit geben soll, ihre Religion zu erlernen," meint Alan.
Kein klassischer Religionsunterricht
Das Fach "Islamische Unterweisung" wird an dem Kölner Gymnasium parallel zur Praktischen Philosophie sowie zur katholischen und evangelischen Religionslehre angeboten. Es soll muslimischen Schülern die Möglichkeit geben, sich mit ihrer Religion auseinanderzusetzen - ohne jedoch wirklich Religionsunterricht im klassischen Sinne zu sein. Denn die Kinder bekommen, anders als der Begriff "Unterweisung" suggeriert, im Unterricht lediglich theoretische, religionskundliche Informationen. Anders als im Korankurs oder bei der Predigt in der Moschee werden keine Glaubenssätze oder religiöse Wahrheiten gepredigt.
Zudem nehmen am Unterricht auch nicht-muslimische Kinder teil, wie Toljan Eifler: "Ich nehme hier teil, weil ich hier vielleicht etwas Neues lernen. Ich wusste vorher eigentlich kaum etwas über den Islam." Überrascht habe ihn schließlich, dass das Glaubensbekenntnis der Muslime dem der Christen ziemlich ähnlich sei. "Vorher hatte ich gedacht, das wäre ganz anders."
Islam ist nicht Islam
Tatsächlich soll das Fach ausdrücklich zur besseren Verständigung zwischen Schülern verschiedener Herkunft und Konfessionen beitragen. Die muslimischen Verbände in Deutschland wollen jedoch mehr. Sie fordern schon seit Jahren einen islamischen Religionsunterricht, der in seinem Bekenntnischarakter dem der evangelischen und katholischen Kirche gleichen soll - also einen Unterricht, der nicht nur theoretisch über den Islam informiert, sondern den Kindern direkt muslimische Werte und den islamischen Glauben vermittelt.
Schwierig hierbei ist allerdings, dass die Muslime in Deutschland sich bislang auf keine einheitliche Interessenvertretung einigen konnten und in unterschiedliche Richtungen gespalten sind. Diese Unterschiede sind nicht nur religiös, sondern teils politisch begründet - und auch das Herkunftsland muslimischer Migranten spielt dabei oft eine Rolle. Und natürlich möchten Sunniten, Schiiten und auch Aleviten jeweils ihre Sicht des Islam lehren.
Muslime müssten anerkannt werden
Inzwischen werden islamische Religionslehrer auch an der Universität ausgebildet. In Münster kann man seit einem Jahr Islam auf Lehramt studieren - ein bisher einzigartiger Studiengang in Deutschland. Sven Muhammad Kalisch hat den Lehrstuhl des Faches inne. Er erklärt, dass die Zukunft der bei ihm ausgebildeten islamischen Religionslehrer davon abhängt, ob es den muslimischen Organisationen einzeln oder auch gemeinsam gelingen wird, in Deutschland nach Artikel 7 des Grundgesetzes formell als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Erst dann könne es an deutschen Schulen auch regulären islamischen Religionsunterricht mit Bekenntnischarakter geben. Dieser müsse übrigens auf Deutsch stattfinden, meint Kalisch.
"In Deutschland gibt es Muslime ganz unterschiedlicher ethnischer Herkunft: Es gibt deutsche Konvertiten. Und es gibt arabisch-, türkisch-, pakistanisch-, iranischstämmige Muslime - eigentlich Muslime aus aller Herren Länder. Daher kann unser Ziel nur sein, allen Muslimen hier, die daran interessiert, einen solchen Religionsunterricht zukommen zu lassen. Und das bedeutet: Er muss auf Deutsch sein."
2008 wird der erste Jahrgang ausgebildeter islamischer Religionslehrer die Universität Münster verlassen. Lehrstuhl-Inhaber Kalisch ist zuversichtlich, dass sich bis dahin die Gesetzeslage geändert hat. Denn gerade in Deutschland sei man an einem geregelten - und vor allem transparenten - islamischen Religionsunterricht interessiert. Man beklage ja immer wieder, dass viele Kinder bisher in privaten Moscheevereinen und Koranschulen unterrichtet würden, deren Lehrinhalte der Öffentlichkeit meist verborgen blieben.