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Vier Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe

Wolfgang Dick6. November 2015

Der Bundestag debattiert zur Stunde darüber, wie Sterbehilfe künftig geregelt werden soll. Mehr Rechtsklarheit für Ärzte, Patienten und Angehörigen wird angestrebt. Zur Abstimmung stehen vier Gesetzesentwürfe.

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Schwerstkranker Mann wird zu Hause palliativ behandelt (Foto: Sven Simon/dpa)
Bild: picture alliance/Sven Simon

Mit steigender Lebenserwartung gibt es immer mehr Menschen, die im Alter mit schweren Krankheiten und großem Schmerz zu kämpfen haben. Ihr Wunsch ist es oft, ihrem Leiden ein Ende zu setzen, wenn sie es als unerträglich empfinden. Professionelle Sterbehilfevereine und die Verdopplung von Suizidbeihilfen seit Jahresbeginn zwingen den Gesetzgeber zu reagieren. Fast ein Jahr lang diskutierten Bundestagsabgeordnete, ob und welche Gesetze sie erlassen sollen, um den Rahmen für ein menschenwürdiges Sterben zu setzen und Fehlentwicklungen vorzubeugen.

Bundestagspräsident Norbert Lammert spricht vom anspruchsvollsten Gesetzgebungsprojekt dieser Legislaturperiode. Abgeordnete ganz unterschiedlicher Parteien haben sich zusammengeschlossen, um Regelungen zu finden, die sie mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Vier Gesetzentwürfe sind auf diese Weise entstanden.

Entwurf 1

SPD-Politikerin Kerstin Griese (Foto: Horst Galuschka/dpa)
Befürworterin Kerstin Griese (SPD)Bild: picture-alliance/dpa/H. Galuschka

Kernaussage: Verbot jeder kommerziellen, "gewerbsmäßigen" Suizidbeihilfe.

Strafmaß: 3 Jahre Haft oder Geldbuße.

Patienten- und Angehörigenrechte: Beihilfe zur Selbsttötung soll im Einzelfall straffrei bleiben. Eine Strafandrohung soll aus dem Strafgesetzbuch ausdrücklich herausgenommen werden.

Ärzterechte: Auf Wiederholung angelegte Suizidassistenz ist verboten und strafbar. Hier sehen Rechtsexperten mögliche Probleme für Palliativmediziner in Hospizen und Ärzte auf Intensivstationen. Sie sind durch ihr Amt "gewerbsmäßig tätig". Welche ihrer Aktionen daher als Sterbehilfe ausgelegt werden könnten und aufgrund ihrer wiederholt ausgeübten Tätigkeit doch noch als strafbar gelten, fragt zum Beispiel der wissenschaftliche Dienst des Bundestags.

Ziel: Kein Dienstleistungsangebot soll geschaffen werden, kein Gewöhnungseffekt und keine gesellschaftliche Normalisierung des assistierten Selbstmords sollen eintreten.

Erhoffte Konsequenz: Ohne kommerzielle Sterbehilfeangebote sinkt die Anzahl der Suizide und der Druck etwas unternehmen zu müssen, um "anderen nicht zur Last zu fallen".

Unterstützer: 216 Abgeordnete folgen Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD), darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), Gesundheitsminister Herman Gröhe, SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und Grünen-Chef Cem Özdemir. Die Fraktionschefs von Union, SPD und Grünen im Bundestag sprachen sich in einem gemeinsamen Brief für diesen Entwurf aus.

Entwurf 2

CDU-Politiker Peter Hintze (Foto: Gregor Fischer/dpa)
Befürworter Peter Hintze (CDU)Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Kernaussage: Ärzte sollen unheilbar Kranken beim Suizid helfen dürfen.

Strafmaß: keine Verschärfung vorgesehen

Partienten- und Angehörigenrechte: Vorrang für Patientenautonomie. Die individuelle Entscheidung soll gestärkt werden. Bedingung: deutliche Einwilligung des Patienten, Volljährigkeit und umfassende Beratung vor Suizidhilfe in schwerwiegenden Fällen, die von mehreren Ärzten eingestuft werden muss (Vier-Augen-Prinzip).

Ärzterechte: Ihr Standesrecht soll vereinheitlicht und mit Befugnissen neu gefasst werden.

Ziel: größere Rechtsklarheit für Ärzte

Erhoffte Konsequenz: Mit legalisierter Arztassistenz erübrigen sich Sterbehilfevereine automatisch.

Unterstützer: 109 Abgeordnete. Dem Bundestagsvizepräsidenten und ehemaligen Pfarrer Peter Hintze (CDU) sowie dem Gesundheitsexperten Karl Lauterbach (SPD) folgen zum Beispiel Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und die neue SPD-Generalsekretärin Katarina Barley.

Entwurf 3

Grünen-Politikerin Renate Künast (Foto: Wolfgang Kumm/dpa)
Befürworterin Renate Künast (Grüne)Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Kernaussage: Verbot nur für gewinnorientierte Sterbehilfe - "selbstlose" Vereine und Ärzte sollen beim Suizid assistieren und Kostenerstattung erhalten dürfen.

Strafmaß: für kommerzielle Anbieter bis zu 3 Jahre Haft

Patienten- und Angehörigenrechte: Sie sollen Angebote zur Suizidhilfe straffrei annehmen dürfen, allerdings nur unter Einhaltung klarer Regeln: suizidpräventive Beratung, 14 Tage Frist zwischen Beratung und endgültiger Entscheidung.

Ärzterechte: Mehr Rechtssicherheit. Ärzten soll auch der Gewissenskonflikt (Hilfe nur zum Leben?) erleichtert werden.

Ziel: keine Tabuisierung und keine Kriminalisierung von Angeboten, mit denen aus menschlicher Überzeugung Schwerstkranken geholfen werden soll

Erhoffte Konsequenz: Durch liberalere Regelungen wird verhindert, dass sich unheilbar Kranke auf grausame Weise selbst töten oder Hilfesuche Familien belasten.

Unterstützer: 54 Abgeordnete um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke).

Entwurf 4

CDU-Politiker Patrick Sensburg (Foto: Jörg Carstensen/dpa)
Befürworter Patrick Sensburg (CDU)Bild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Kernaussage: Totalverbot jeder assistierter Suizidbeihilfe

Strafmaß: bis zu fünf Jahre Haft

Patienten- und Angehörigenrechte: Anstiftung und Beihilfe zum Suizid sind verboten. Schon der Versuch der Suizidassistenz soll strafbar sein.

Ärzterechte: Für sie soll eine Richtlinie gelten: Hilfe zum Leben, nicht zum Tod. Nur passive Sterbehilfe wie zum Beispiel der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen sollen weiterhin erlaubt sein und straffrei bleiben.

Ziel: Unterstützung des natürlichen Sterbeprozesses, klare Werte in der Gesellschaft

Erhoffte Konsequenz: Angebote der Palliativmedizin zur Linderung von Schmerzen sowie seelische Unterstützung beim Sterben werden gestärkt und ausgebaut.

Unterstützer: 35 Abgeordnete um Patrick Sensburg (CDU) und Thomas Dörflinger (CDU).

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