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PolitikVietnam

Vietnam: Ungewisse Zukunft nach Rücktritt des Präsidenten

David Hutt
21. März 2024

Vo Van Thuong ist binnen kurzer Zeit der zweite Präsident, der von seinem Amt zurücktritt. Der Amtsverzicht folgt auf eine Anti-Korruptionskampagne, durch die bereits mehrere Spitzenpolitiker des Landes gestürzt wurden.

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Der vietnamesische Präsident  Vo Van Thuong, hier bei einer Rede in Japan, November 2023
Rücktritt im Schatten einer Anti-Korruptionskampagne: Vo Van Thuong war nur ein Jahr lang PräsidentBild: Richard A. Brook/AP Photo/picture alliance

Lange war das kommunistische Einparteiensystem Vietnams für seine Berechenbarkeit bekannt. Doch der plötzliche Rücktritt von Präsident Vo Van Thuong am Mittwoch - nach nur einem Jahr im Amt - lässt Zweifel an der Stabilität der politischen Führung aufkommen. Thuong ist bereits der zweite Präsident, der innerhalb der vergangenen zwei Jahre zurücktritt.

Am Mittwoch trat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Vietnams zusammen, um Thuongs Rücktritt aufgrund von "Verstößen" und "Mängeln" zu akzeptieren, wie die Kommunistische Partei offiziell mitteilte.

Sein Amtsverzicht fällt in die Zeit einer massiven Anti-Korruptionskampagne, die bereits einige Spitzenpolitiker des südostasiatischen Landes zu Fall gebracht hat.

In den letzten 18 Monaten sahen sich zwei Präsidenten zum Rücktritt gezwungen. Zudem wurden zwei stellvertretende Ministerpräsidenten und ein weiteres Mitglied des Politbüros entlassen. Das Politbüro, das auf dem letzten Nationalkongress im Jahr 2021 gewählt wurde, verkleinerte sich von 18 auf 14 Mitglieder. Damit ist es das kleinste Politbüro in der jüngeren Geschichte des Landes.

Hintergründe des Rücktritts

Der Sturz Thuongs dürfte auf laufende Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Immobilienunternehmen Phuc Son Group zurückgehen. Diesem wird eklatante Korruption in der Provinz Quang Ngai vorgeworfen. Dort war Thuong zwischen 2011 und 2014 Parteichef.

Einigen Medienberichten zufolge steht ein Verwandter von Thuong unter Verdacht, von der Immobiliengruppe Schmiergeld in Höhe von zwei Millionen Euro angenommen zu haben. Bereits im März waren der derzeitige Vorsitzende des Volkskomitees der Provinz Quang Ngai, Dang Van Minh, und der frühere Vorsitzende, Cao Khoa, im Zusammenhang mit dem Skandal verhaftet worden.

Nguyen Xuan Phuc, Thuongs Vorgänger im Amt des Präsidenten, war im vergangenen Jahr wegen "Verstößen und Verfehlungen" der ihm unterstellten Beamten zurückgetreten. Deren Fehlverhalten steht im Zusammenhang mit Korruption im Umfeld der Regierung während der COVID-19-Pandemie.

Ursprünglich angetreten, um die Korruption zu bekämpfen

Thuong trat sein Amt mit der Behauptung an, er sei "entschlossen, die Korruption zu bekämpfen". Damit entsprach er ganz der Anti-Korruptionslinie von Nguyen Phu Trong, dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei.

Trong wurde zwar bereits 2012 Parteichef. Doch seine Macht konnte er erst von 2016 an festigen. In jenem Jahr setzte er sich im Nationalkongress gegen seinen Hauptkonkurrenten, den damaligen Premierminister Nguyen Tan Dung, durch.

Dung galt weithin als Aushängeschild einer Fraktion innerhalb der Kommunistischen Partei, die Korruption als Mittel akzeptierte, das den Zusammenhalt im Parteiapparat fördere. Dies wurde vielfach als Abkehr von der sozialistischen Ideologie verstanden.

Nguyen Phu Trong, Generalsekretär der Kommunistischen Partei, hier bei einem Auftritt in Hanoi, 2022
Setzte eine umfassende Anti-Korruptionskampagne in Gang: Nguyen Phu Trong, Generalsekretär der Kommunistischen ParteiBild: SNA/IMAGO

Sorgen um politische Stabilität

Trong wollte die Ideologie und die "sozialistische Ethik" wieder in den Vordergrund der Politik rücken. Zu diesem Zweck startete er eine umfassende Anti-Korruptionskampagne, die seitdem viele der mächtigsten Politiker des Landes zu Fall brachte.

Zwar hat diese Kampagne die Politik bis zu einem gewissen Grad gesäubert. Sie hat dabei aber die Normen und stabilisierende Mechanismen des repressiven und hierarchischen vietnamesischen Einparteiensystems erschüttert und dadurch zu wachsender Instabilität geführt.

Seit den 1990er Jahren folgt die Kommunistische Partei einer Reihe ungeschriebener und wie auch kodifizierter Regeln. Darunter fallen eine Begrenzung der Amtszeit für hochrangige Politiker auf zwei Jahre, ein Rentenalter von 65 Jahren und eine Gewaltenteilung zwischen den vier wichtigsten politischen Ämtern des Landes.

Im Jahr 2018 brach Trong diese Verhaltensregeln, als er nach dem plötzlichen Tod des amtierenden Staatspräsidenten nicht nur als Parteichef agierte, sondern vorübergehend auch das Präsidentenamt übernahm.

Drei Jahre später gewann er eine dritte Amtszeit als Generalsekretär, obwohl er zu diesem Zeitpunkt  bereits 77 Jahre alt war und damit das von der KP vorgesehene Rentenalter deutlich überschritten hatte.

Nachdem er mehrere Wochen lang nicht mehr öffentlich aufgetreten war, machten im Januar Gerüchte über seinen schlechten Gesundheitszustand die Runde. Die Rede war von einem Schlaganfall.

Allgemein wird nun damit gerechnet, dass Trong beim nächsten Nationalkongress im Jahr 2026 zurücktreten wird. Trong war bestrebt, das Amt des Parteichef noch stärker zu machen und mit einem kleine Klügel an Gefolgsleuten zu konsolidieren. Sein Nachfolger wird über eine erheblich größere Macht verfügen als die meisten früheren Generalsekretäre.

"Dass Trong die Regeln der Partei gebrochen hat, trägt ebenso wie sein schlechter Gesundheitszustand zu einer zunehmenden Unsicherheit über den Nachfolgeprozess bei", sagt Tuong Vu, Professor und Direktor des US-Vietnam Research Center an der University of Oregon. "Dies wiederum wirkt sich stark auf die Stabilität des Regimes aus. Denn bereits jetzt versuchen sich verschiedene Fraktionen zu positionieren, um ihren Mitgliedern im nächsten Kongress Spitzenpositionen zu sichern."

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Verdächtiges Timing?

Inzwischen fragen sich einige Beobachter, ob die Vorwürfe aus der Vergangenheit des zurückgetretenen Präsidenten der Spitze der Kommunistischen Partei – sie hatte seiner Ernennung letztes Jahr zugestimmt – wirklich neu waren. Der Zeitpunkt seines Rücktritts deutet zumindest darauf hin, dass dieser erzwungen worden sein könnte.

"Irgendjemand hat sich wirklich mit seiner Vergangenheit beschäftigt", sagt Zachary Abuza vom National War College in Washington. "Das deutet darauf hin, dass der Rücktritt politisch gewollt war."

Nun muss die KP über Thuongs Nachfolger entscheiden. Hält die Partei an der Regel fest, dass der neue Präsident eine volle Amtszeit Mitglied des Politbüros gewesen sein muss, kämen nur fünf Kandidaten für das Amt infrage. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die entsprechende Regel geändert wird.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp 

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