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Vietnamesische Fischer im Streit mit China

Rodion Ebbighausen, Ly Son (Vietnam)7. Juli 2014

Den Preis für die Inselstreitigkeiten im Südchinesischen Meer zahlen vor allem die Fischer der Region. Diese haben oft keine andere Wahl, als sich zwischen die Fronten zu begeben.

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Der Fischer Bui Van Minh zeigt sein beschädigtes Schiff (Foto: DW/R. Ebbighausen)
Der Fischer Bui Van Minh zeigt sein beschädigtes SchiffBild: DW/R. Ebbighausen

Nicht weit entfernt von der zentralvietnamesischen Küste entfernt, erhebt sich ein kleines Vulkaneiland aus der Südchinesischen See. Am Fuße des von Wind und Wetter rundgeschliffenen Kegels liegen leuchtend grüne Reisfelder, in den Häfen schaukeln die rot-blauen Boote der Fischer. Ein Paradies - aber nur auf den ersten Blick. Wer genauer hinsieht, bemerkt eine Vielzahl militärischer Einrichtungen. Auf der ganzen Insel stehen Funkmasten, den Gipfel des Vulkans dominiert eine Radarstation, die den Schiffsverkehr im Südchinesischen Meer überwacht. Oberhalb einiger Klippen weht eine überdimensionale vietnamesische Flagge.

Die Insel Ly Son nimmt eine Schlüsselstellung in dem jahrzehntelangen Konflikt zwischen Vietnam und dem übergroßen Nachbarn China ein. Beide Länder streiten um die nur 160 Seemeilen entfernten Paracel-Inseln, den traditionellen Fanggründen der Fischer von Ly Son. China hat die Inseln 1979 bei einem Seegefecht erobert. Bis heute spricht Vietnam von einer unrechtmäßigen Besatzung.

Regelmäßige Zusammenstöße

Was dieser Streit jenseits der Geopolitik für die Menschen bedeutet, wird an Bord der kleinen Holzboote deutlich, auf denen die Fischer fast einen Monat auf See schuften, um ihre Familien zu ernähren. Die Arbeit der Fischer ist hart. Um ihre Familien ernähren zu können, müssen sie das ganze Jahr über hinausfahren. In der Taifunsaison zwischen August und Oktober machen ihnen Stürme das Leben schwer. Auch die Überfischung erschwert ihre Arbeit. Doch am meisten machen ihnen die Zusammenstöße mit chinesischen Küstenwachschiffen oder der chinesischen Fischereiaufsicht zu schaffen.

Le Tuc im Hafen von Ly Son (Foto: DW/R. Ebbighausen)
Le Tucs Familie ist seit Generationen Fischer. Er kann sich keine andere Arbeit vorstellen.Bild: DW/R. Ebbighausen

Le Tuc ist Fischer. Er sieht sich in der Tradition seiner Vorfahren, die seit Generationen auf Ly Son leben und in den Gewässern der Paracel-Inseln fischen. Auf seinem Boot arbeiten elf Männer. Er schildert gegenüber der Deutschen Welle, wie sein Boot am 03. Juni 2014 von der chinesischen Küstenwache angegriffen wurde: Gegen 19 Uhr abends ankerte er mit seiner Mannschaft etwa drei Seemeilen entfernt von einer Insel des Paracel-Archipels. Aus Sicht der Chinesen, die die Paracel-Inseln besetzt haben, also fraglos in chinesischen Hoheitsgewässern. Ein chinesisches Küstenwachschiff näherte sich und schoss mit einer Wasserkanone auf Le Tucs Boot. Dabei wurden die Scheiben des Bootes, der Kompass und die Antennen für Funk und Navigation zerstört und wichtige Teile der Schiffstechnik beschädigt. Herumfliegende Glasbruchstücke verletzten einen Seemann. Le Tuc musste den Heimathafen auf Ly Son anlaufen.

Ein ähnliches Schicksal erlitt Bui Van Minh. Zehn Tage später wurde sein Schiff von zwei Booten der chinesischen Fischereiüberwachung in der Nähe der Paracel-Insel Phu Lam (Woody Island) gestoppt und geentert, berichtet er. Zwei Mitglieder seiner Mannschaft tauchten gerade nach Seegurken. Die Chinesen befahlen ihm mit Gesten, die Taucher sofort nach oben zu holen. Doch er weigerte sich, da ein zu schnelles Auftauchen das Leben seiner Männer gefährdet hätte. Daraufhin hätten die Chinesen auf die Männer eingeprügelt, einige Scheiben und sämtliche technischen Anlagen zerstört und die Besatzung schließlich gezwungen, den bisherigen Fang auf das chinesische Schiff umzuladen, so der Fischer. Vier Stunden dauerte der Zwischenfall. Ohne Navigationshilfen und Funkgerät blieb Bui Van Minh nur der Kompass, um die Rückfahrt nach Ly Son anzutreten.

Keine Alternative

Der französische Aktivist Andreas Menras bereist seit einiger Zeit die vietnamesischen Fischerdörfer der Region und versucht herauszufinden, wie viele chinesische Übergriffe es gegeben hat. Bis heute dokumentierte er 700 Zusammenstöße seit 2002 in internationalen oder umstrittenen Gewässern. Etwa 30 vietnamesische Schiffe sind im gleichen Zeitraum versenkt oder konfisziert worden. Seit der Platzierung der chinesischen Ölbohrinsel in der Nähe der Paracel-Inseln Anfang Mai 2014 und heftigen Protesten aus Vietnam, habe die Zahl der Übergriffe deutlich zugenommen, so Menras.

Die Fischer interessieren sich wenig für die geopolitischen Streitigkeiten zwischen Vietnam und China. Le Tuc spricht für alle, wenn er sagt: "Seit Generationen fischt meine Familie in den Gewässern um Hoang Sa. Niemand kann mich von hier vertreiben." Die Fischer haben auch gar keine Alternative. Die Hälfte aller auf Ly Son lebenden etwa 20.000 Menschen lebt direkt oder indirekt vom Fischfang. Sollten sie tatsächlich nicht mehr bei den Paracel-Inseln fischen können, verlören sie ihre Lebensgrundlage.

Mehr Unterstützung

Le Tuc musste sein Boot für mehr als 50 Millionen Vietnam-Dong (1700 Euro) reparieren lassen. Hinzu kam der Einkommensverlust von drei Wochen, die er nicht aufs Meer fahren konnte. Eine riesige Summe, weit mehr als ein Vietnamese laut Weltbank durchschnittlich im ganzen Jahr verdient (1135 Euro). Betroffen sind auch die Familien aller elf Besatzungsmitglieder.

Bui Van Minh auf seinem Boot in Ly Son (Foto: DW/R. Ebbighausen)
Die Chinesen haben die Fässer mit den Seegurken aufgeschnitten und die Vietnamesen gezwungen, ihren Fang umzuladen.Bild: DW/R. Ebbighausen

Wie viele andere Fischer wünscht sich Le Tuc mehr Unterstützung von der vietnamesischen Regierung. Beistand hat er jedoch bisher nur von privaten Spendern und Firmen bekommen. Auch die vietnamesische Küstenwache kann nicht immer helfen. Die Küste Vietnams ist mehr als 3400 Kilometer lang. Obwohl Vietnam seit kurzem zu den Ländern mit mittlerem Einkommen gehört, verfügt es nicht über die Ressourcen, um seine Küstengewässer effektiv zu schützen, geschweige denn, der chinesischen Küstenwache oder Fischereibehörde etwas entgegenzusetzen.

Ob mit oder ohne Unterstützung sind Le Tuc und Bui Van Minh entschlossen, weiter in den umstrittenen Gewässern zu fischen. "Ich habe keine Angst vor den Chinesen", sagt Le Tuc. "Wir haben keine Wahl. Die Verluste, die wir von Zeit zu Zeit erleiden, müssen wir eben hinnehmen." Und Bui Van Minh fügt noch hinzu: "Wenn die Chinesen so weitermachen, werden wir uns eines Tages wehren."