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Virchow: "Rechte Szene hofft auf zweites Köln"

Peter Hille29. Oktober 2014

Ist die rechte Szene im Aufwind? Die Hooligan-Krawalle in Köln hätten zwar für Entsetzen gesorgt, aber auch für Aufmerksamkeit und für Anerkennung von rechts, so Rechtsextremismus-Forscher Fabian Virchow im DW-Interview.

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Hooligans in Köln am 26.10.2014 - Foto: Wolfgang Rattay (Reuters)
Bild: Reuters/Wolfgang Rattay

DW: Herr Virchow, rund 5000 Rechtsextremisten und Hooligans haben mit Krawallen am vergangenen Wochenende in Köln für Aufregung gesorgt. Lässt sich erkennen, welche Wirkung dieser Aufmarsch auf die rechte Szene hatte? Sind die Rechtsextremen in Deutschland im Aufwind?

Virchow: Wenn man aktuell auf die Facebook-Seiten und in die Blogs der rechten Gruppierungen schaut, dann wird das als großer Erfolg gefeiert, weil man mal wieder die Kontrolle über die Straße hatte. In den vergangenen Jahren sind die Aufmärsche von rechts ja oft blockiert oder von der Polizei stark begleitet worden. Und in diesem Fall ist es anders gewesen: Mehrere Tausend konnten recht ungehindert in Köln demonstrieren. Sie haben zum Teil Personen gejagt, Journalisten angegriffen. In der Selbstwahrnehmung gilt das als großer Erfolg.

Nicht nur auf den Seiten rechtsextremer Gruppen wird darüber gejubelt. "Endlich hat mal jemand was gegen die Salafisten getan" - so oder so ähnlich fiel bei einigen Nutzern von sozialen Netzwerken die Reaktion aus. Haben die Rechtsextremen ein Thema gefunden, mit dem sie bei den Menschen ankommen?

Das Thema Salafismus ist ja im gesellschaftlichen Raum. Darüber sprechen viele, die sich kritisch äußern, insbesondere über die gewalttätigen jungen Männer des Neo-Salafismus. Aber die extreme Rechte hat das Thema schon länger entdeckt. Die "Pro-Bewegung" in Nordrhein-Westfalen etwa hat dazu Kundgebungen veranstaltet, die allerdings relativ schwach besucht waren. Und mit diesem Ereignis von Köln, das bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat, wird es für die extreme Rechte noch einmal attraktiver, sich dieses Themas anzunehmen. Dazu gehören auch weitere Kundgebungen, die bereits angekündigt sind. Dafür wird es sicher auch einige öffentliche Unterstützung geben. Allerdings: Dort wo in einem Umfang wie jetzt in Köln geschehen Gewalttaten zu erwarten sind, wird man auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt bleiben.

Politikwissenschaftler Fabian Virchow - Foto: Oliver Killig (dpa)
Fabian VirchowBild: picture-alliance/dpa/O.Killig

Können Sie erkennen, dass weitere gewaltbereite Sympathisanten durch die Krawalle in die rechte Szene gelockt wurden?

Das ist nicht zu übersehen. Diejenigen, die nicht dabei waren, wollen gerne beim nächsten Mal dabei sein. Man erhofft sich ein zweites Köln. Man will das wiederholen, mindestens in der Größenordnung wie beim ersten Mal und ebenso unkontrolliert und uneingeschränkt von der Polizei. Bei Neonazi-Demonstrationen in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren haben Rechtsextremisten das Eskalationsniveau kontrolliert, um zu vermeiden, dass die nächste Demonstration verboten wird. Bei der Mischung von Hooligans und Neonazis in Köln spielten solche taktischen Überlegungen keine große Rolle. Da geht es tatsächlich darum, sich mit der Polizei oder anderen Anwesenden in die Konfrontation zu begeben.

Wie schätzen Sie denn das Gewaltpotenzial dieser Gruppierungen ein? Sind das biertrinkende Feierabend-Prügler oder besteht die Gefahr von Rechts-Terrorismus?

Das ist sicherlich keine Szene, die Taten systematisch plant, wie es die Terrorgruppe NSU getan hat. Das ist eher, etwas salopp gesagt, rohe Straßengewalt. Da allerdings ist auch weiterhin ein hohes Niveau zu erwarten. Und da ist Köln in der Szene als Auftakt gesehen worden und entsprechend laufen die Diskussionen, das fortzusetzen.

Von Hooligans umgestürzter Polizeiwagen in Köln - Foto: Wolfgang Rattay (Reuters)
Von Hooligans umgestürzter Polizeiwagen in Köln: "Leidtragenden sind viele Polizeibeamtinnen und -beamte"Bild: Reuters/Wolfgang Rattay

Entstehen bei diesen Diskussionen neue rechtsextreme Netzwerke?

Da muss man abwarten. Die Szene ist recht vielfältig, die für Köln mobilisiert und an den Krawallen teilgenommen hat. Da sind Gruppen, die in der Vergangenheit in erster Linie als Hooligans unterwegs waren, mit einer bestimmten rassistischen Grundstimmung. Dann haben wir neonazistische Strukturen außerhalb der rechtsextremen Partei NPD. Und wir haben Parteimitglieder. Wenn sich das als Bündnis stabilisiert, dann haben wir in der Tat ein neues rechtsextremes Netzwerk.

Etwas gemäßigtere, nicht gewaltbereite Gruppen schließen sich dem jedoch nicht an?

Gruppen wie etwa die "Pro-Bewegung" versuchen, als Bürgerbewegung Reputation zu gewinnen und bürgerliche Kreise anzusprechen. Deren politische Ziele will ich nicht entschuldigen. Aber die werden sich nicht auf eine gemeinsame Aktion mit dieser Hooligan-Struktur verständigen. Die werden sagen: Das Anliegen ist berechtigt, aber das Mittel ist falsch.

Wie sollte der Staat Ihrer Meinung nach auf die Ankündigung weiterer Aufmärsche von Hooligans und Neonazis reagieren?

Die erste Lehre aus den Ereignissen in Köln muss sein, das Phänomen ernst zu nehmen. Und zwar ernster, als man das vorher getan hat. Dass die Polizei nicht entsprechend vorbereitet war, konnte jeder sehen, der sich das aus der Nähe angeschaut hat. Und die Leidtragenden sind viele Polizeibeamtinnen und -beamte gewesen. Eine vernünftige Vorbereitung ist notwendig. Und man muss im Einzelfall darüber nachdenken, ob Aufmärsche, aus denen heraus systematisch Gewalt ausgeübt wird, durch das Demonstrationsrecht gedeckt sind.

Fabian Virchow ist Professor an der Fachhochschule Düsseldorf. Dort leitet er den Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus.