Virtual Normality - Netzkünstlerinnen 2.0
Sie erschaffen Alter-Egos und bedienen Klischees, um überhöhte Schönheitsideale vorzuführen. Sind Netzkünstlerinnen die neuen Feministinnen? Das Museum der bildenden Künste in Leipzig widmet ihnen eine Ausstellung.
Eine ganz eigene Ästhetik
Die 13 Künstlerinnen der Ausstellung "Virtual Normality - Netzkünstlerinnen 2.0" sind alle "digital natives". Ihre Inspiration finden sie im Internet, ihre Ästhetik orientiert sich an Plattformen wie MySpace oder Tumblr. Ihre Themen: Rollenklischees und Identität. Izumi Miyazaki gibt sich auf diesem Bild unscheinbar, fast schon niedlich...
Den Blickwinkel umkehren
Im Vergleich wirken andere Bilder der Asiatin umso verstörender - so wie dieses mit dem Titel "Tomatoe". Ihr Material ist der eigene Körper, die eigene Identität. Miyazaki sowie ihre Netz-Kolleginnen spielen mit den Möglichkeiten der Virtualität. Sie erschaffen neue Charaktere, schlüpfen in Rollen und wollen so Stereotypen ad absurdum führen.
"Reality Artist" - Signe Pierce
Neben Fotos werden auch Videos gezeigt, etwa "American Reflexxx" von Signe Pierce. Für dieses soziale Experiment stülpte sich die Künstlerin eine silberne Maske über und spazierte betont sexy durch die Straßen einer amerikanischen Kleinstadt. Schlussendlich wurde sie von einer Frau, die sich von ihr provoziert oder gestört fühlte, zu Boden gestoßen.
Viel Lärm ums Haar
Die Künstlerinnen wählen zum Teil bewusst Motive, die bei einigen Zuschauern Unbehagen auslösen. Bei Arvida Byström etwa lugen des Öfteren Achsel- oder Schamhaare hervor. In einem Werbespot des Sportartikelherstellers Adidas zeigte sie sich mit unrasierten Beinen und erntete etliche Hasskommentare und sogar Vergewaltigungsandrohungen.
Das Spiel mit dem männlichen Blick
Bystörm genauso wie ihre Kollegin Leah Shrager lassen sich von derartigen Hassausbrüchen nicht einschüchtern. Primär geht es ihnen nicht um Provokation, sondern darum, sich so geben zu können, wie sie es möchten. Im Fall von Leah Shrager eben auch gerne lasziv.
Weiblichkeit mal anders
Das Spiel mit eigenen Sexualität beherrscht auch die Fotografin Stephanie Sarley. Mit viel Humor stellt sie in ihrer Bilderserie "Foodporn" weibliche Geschlechtsorgane nach. Sie möchte zeigen, dass die Darstellung von Vulvas weder obszön noch verwerflich ist.
Eine haarige Sache
Welchen Einfluss hatten westliche Schönheitsideale auf Frauen mit Afro-Haar? Damit setzt sich Nakeya Brown in ihrer Kunst auseinander. Viele Frauen mit krausem Haar versuchen ihr Haar zu glätten und stecken Unsummen in ihre Haarpflege. Seit Anfang der 2000er gibt es in den USA das "Natural hair movement". Auch Brown setzt sich mit ihrer Kunst für die Schönheit von "natürlichem" Afro-Haar ein.
Gegen den Hass
Die Netzkünstlerinnen beziehen mit ihrer Kunst mitunter starke feministische Positionen. Alle haben mit Hasskommentaren zu kämpfen. Doch keine von ihnen ist bereit aufzugeben. Ihre Devise: Weitermachen, bis es keinen Hass mehr gibt. Die Ausstellung ist vom 11. Januar bis 8. April 2018 in Leipzig zu sehen.