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Virusimpfung als Schutz vor Diabetes?

Gudrun Heise
19. Mai 2020

Diabetes Typ 1 hat nichts mit falscher Ernährung oder zu wenig Bewegung zu tun. Es ist eine Autoimmunerkrankung. Wissenschaftler habe Hinweise darauf gefunden, dass eine Virusimpfung helfen könnte.

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Symbolbild Volkskrankheit Diabetes
Bild: picture-alliance/dpa/F. May

Allein in Deutschland leben mehr als sieben Millionen Menschen mit Diabetes. Mehr als 90 Prozent der Betroffenen leiden an Diabetes Typ 2. Ein Großteil von ihnen ist übergewichtig, bis hin zur Fettleibigkeit. Das ist zwar nicht die einzige Ursache, aber ein entscheidender Auslöser. Betroffene können auf diese beeinflussbaren Risikofaktoren durchaus einwirken. Sie können die Faktoren minimieren und so einem Diabetes Typ 2 sogar in einigen Fällen vorbeugen. Aber auch die genetische Veranlagung spielt eine große Rolle.

Wesentlich seltener ist Diabetes Typ 1 mit rund 300.000 Betroffenen in Deutschland, davon etwa 30.000 Kinder. Auslöser für diese Form der Diabetes ist fast immer eine Autoimmunreaktion. Dabei greifen die Abwehrzellen des Immunsystems die Insulin produzierenden Beta-Zellen an, richten sich also gegen den eigenen Körper.

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Bei den meisten tritt diese Autoimmunerkrankung im Kindes- oder Jugendalter auf, bei etwa 30 bis 40 Prozent erst nach dem 18. Lebensjahr. Die Rate der Neuerkrankungen ist dramatisch. In Deutschland steigt sie derzeit jedes Jahr um drei bis fünf Prozent. Vor allem Kleinkinder sind davon betroffen. Warum die Zahl der Neuerkrankungen stark zunimmt, ist nicht geklärt.

Weltweit arbeiten Forscher daran, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. Sie gehen davon aus, dass als mögliche Ursachen neben genetischen Anlagen auch Umweltfaktoren, Ernährung – vor allem im Säuglingsalter – und andere Einflüsse auf das Immunsystem verantwortlich sein könnten. Die Forschung läuft auf Hochtouren, noch gibt es allerdings zu viele Unbekannte, um eindeutige Gründe auszumachen.

Warum das Immunsystem die körpereigenen Beta-Zellen angreift, wissen die Forscher nicht. Die einzige Therapiemöglichkeit ist die Gabe von Insulin. Das müssen die Betroffenen in regelmäßigen Abständen bis ans Ende ihres Lebens gegen die Autoimmunerkrankung spritzen. Gerade für Kinder und Jugendliche kann das zu einer Tortur werden.

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Infektionen mit Rotaviren

In der Diabetesforschung sind vor allem Rotaviren in den Fokus geraten. Sie sind die häufigsten Erreger viraler Durchfallerkrankungen, von denen Kinder unter fünf Jahren betroffen sind. Die Infektionen verlaufen oft schwer, sodass häufig eine Behandlung im Krankenhaus nötig ist.

Rotaviren sind darüber hinaus sehr ansteckend. Es reichen schon zehn Viruspartikel, sogenannte Virionen, um sich zu infizieren - und sie breiten sich schnell aus. Stecken sich Erwachsene mit Rotaviren an, bleibt die Infektion oft ohne jegliche Symptome. Für Kinder aber kann sie gefährlich werden.

Bei Kleinkindern, die gegen Rotaviren geimpft wurden, kam es seltener zu Diabetes Typ 1. Das ergab eine Studie in Australien. Dort haben die Verantwortlichen schon 2007 die Impfung gegen diese Virusart eingeführt.

Eine Studie in den USA kam gar zu dem Ergebnis, dass bei den geimpften Kindern ein um etwa 33 Prozent geringeres Risiko besteht, an Diabetes Typ 1 zu erkranken. Entsprechend gehen Forscher davon aus, dass eine Impfung gegen bestimmte Viren auch gegen die Entstehung dieser Form von Diabetes helfen könnte.

 

Infografik SARS-CoV-2 Vorerkrankung DE

Weltweite Diabetesforschung

Teresa Rodriguez-Calvo ist Nachwuchsgruppenleiterin am Institut für Diabetesforschung am Helmholtz-Zentrum München. Auch sie forscht darüber, ob es einen möglichen Zusammenhang zwischen bestimmten Viren und der Entstehung von Diabetes Typ 1 gibt. "Eine meiner Hauptinteressen ist es, die Rolle von Viren bei Diabetes Typ 1 zu verstehen und insbesondere, ob sie die Krankheit auslösen könnten. Viele Studien haben einen Zusammenhang zwischen sogenannten enteroviralen Infektionen und Diabetes Typ 1 gezeigt."

Die Enteroviren können gefährliche Krankheiten auslösen. Dazu gehören beispielsweise Kinderlähmung, Hepatitis oder auch Pneumonie und Myokarditis, auch als Herzmuskelentzündung bekannt.

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In Zusammenarbeit mit einer Biobank beschafft Rodriguez-Calvo Proben aus der Bauchspeicheldrüse von Menschen mit und ohne Diabetes Typ 1. Sie untersucht, ob vor und nach der Diagnose Spuren von Enteroviren in der Bauchspeicheldrüse vorhanden sind. "Ich untersuche ihre antivirale Immunantwort. Jede Probe, die wir erhalten, stammt von jemandem, der leider verstorben ist. Das ist eine sehr tragische Situation, aber dank dieser Spender und ihrer Familien können wir viele Aspekte der Krankheit untersuchen."

Fit und gesund - Diabetes

24 Stunden, sieben Tage die Woche

Teresa Rodriguez-Calvo hat ihr eigenes Labor gegründet, um ihre Forschung zur Immunpathologie des Diabetes Typ 1 fortzusetzen. "Wir wissen heute, dass Diabetes Typ 1 eine genetische Komponente hat und dass er sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen vorkommen kann."

Menschen mit Diabetes Typ 1 müssen ihrem Körper lebenslang Insulin von außen zuführen, um zu überleben. Ein Problem bei der Behandlung der Krankheit mit Insulin bestehe darin, dass sie eine ständige Überwachung und auch eine entsprechend angepasste Lebensweise erfordere, erklärt Rodriguez-Calvo.

"Es handelt sich um eine Krankheit, die rund um die Uhr und sieben Tage die Woche mit den Patienten lebt und um die sich der Patient ständig kümmern muss. Deshalb ist es so wichtig, die Ursachen zu erforschen und bessere Therapiemöglichkeiten zu finden und hoffentlich irgendwann auch eine Heilung", sagt die Wissenschaftlerin.

Die Rolle der Viren

Im Laufe der Jahre hat Rodriguez-Calvo schon viele Belege gesammelt, die zeigen, dass Viren mit Diabetes Typ 1 in Verbindung gebracht werden können. Hier liegt auch das Potential für Therapien. "Die Verabreichung eines Impfstoffs zu einem frühen Zeitpunkt im Leben könnte zumindest bei einigen Personen beweisen, ob Diabetes Typ 1 durch Virusinfektionen wie etwa die mit dem Rotavirus verursacht wird", sagt sie.

Weltweit versucht die Diabetesforschung den Ursachen für die Erkrankung auf die Spur zu kommen, um dann auch entsprechende Therapien und Medikamente entwickeln zu können. Vorerst aber führt für Menschen mit Diabetes Typ 1 kein Weg an der Insulinspritze vorbei.