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Vom Flüchtling zum Unternehmer

Insa Wrede15. Februar 2016

Die Deutschen bekommen nicht genug Kinder, es fehlen Fachkräfte und es werden zu wenig Firmen gegründet. Werden Flüchtlinge nun zu Unternehmern und beleben den Arbeitsmarkt?

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Symbolbild Business Unternehmer Startup Unternehmensgründung Gewerbe
Bild: Fotolia/Gina Sanders

Kommt nach der Flüchtlingsflut nun die Flut an Unternehmensgründungen? Diverse Studien geben Anlass zur Hoffnung. So der Global Entrepreneurship Monitor (GEM), der die Gründungsaktivitäten in rund 60 Ländern vergleicht. "Ein sehr stabiles Ergebnis, das nicht nur für Deutschland, sondern für die Mehrzahl der Länder gilt, ist, dass Menschen, die in ein Land zuwandern, eine höhere Gründungsquote aufweisen als die Menschen, die in diesem Land schon längere Zeit leben oder dort geboren sind", sagt Rolf Sternberg, Wirtschaftsgeograph an der Universität Hannover und Leiter des GEM im Gespräch mit der DW.

Auch der Gründungsmonitor der staatlichen KfW Bank zeigt: Zuwanderer in Deutschland wagen häufiger den Schritt in die Selbstständigkeit und beschäftigten zudem mehr Mitarbeiter als hier geborene Gründer. Rund jeder fünfte Gründer in Deutschland hat ausländische Wurzeln oder eine ausländische Staatsbürgerschaft.

Flüchtlinge gleich Migranten?

So verlockend es ist, 'Hurra' zu rufen über die Aussicht, das bald viele der jetzigen Flüchtlinge ein Unternehmen gründen werden, muss zuerst einmal die Frage gestellt werden, ob man solche Studien über Migranten überhaupt auf die Flüchtlinge, die jüngst nach Deutschland gekommen sind, übertragen kann. Sternberg rät zur Vorsicht. "Man muss immer genau anschauen, welche Faktoren die Gründungswahrscheinlichkeit von Menschen beeinflussen." So sei es relevant, welche Vorbildung die Flüchtlinge haben, ob sie oder ihre Eltern schon einmal ein Unternehmen gegründet haben und ob sie Deutsch sprechen. Viele der Flüchtlinge hätten diese Sprachkenntnisse zumindest zu Beginn nicht. "Deshalb darf man Migrantendaten auch nur bedingt auf Flüchtlinge, als Teilgruppe der Migranten, übertragen."

Prof. Dr. Rolf Sternberg
Prof. Dr. Rolf SternbergBild: Uni Hannover

Vor allem setzt sich die Gruppe der Migranten in Deutschland aus Menschen mit ganz unterschiedlichen Herkunftsländern zusammen, gibt der Soziologe René Leicht von der Universität Mannheim außerdem zu bedenken. Migranten seien eben auch Menschen aus den USA, aus skandinavischen Ländern, Großbritannien oder Frankreich. "Ein Fünftel aller in Deutschland arbeitenden Briten sind selbstständig. Bei den Amerikanern ist das ähnlich", so Leicht. Insgesamt kämen etwa ein Viertel aller selbstständigen Migranten aus westlichen Industriestaaten. Und die haben natürlich einen anderen Hintergrund als Flüchtlinge aus Syrien, Irak oder Afghanistan.

Und selbst wenn man die Studien von Migranten auf Flüchtlinge übertragen kann - sie zeigen zwar, "dass die Migranten mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Unternehmen gründen, aber auch mit größerer Wahrscheinlichkeit dabei scheitern", meint Leicht. "Wenn man sich den Bestand an Selbstständigen anschaut, dann ist es so, dass die Selbstständigenquoten von Migranten und von Herkunftsdeutschen etwa gleich hoch liegen."

Keine umfassenden Informationen über Flüchtlinge

Erschwert werden Vorhersagen auch dadurch, dass es über die rund eine Million Flüchtlinge, die 2015 nach Deutschland gekommen sind, bislang keine verlässlichen Informationen gibt bezüglich Bildung und Beruf. Zwar seien Syrer, die einen Großteil der Flüchtlinge ausmachen, grundsätzlich besser gebildet, als Flüchtlinge aus manch anderen Nationen, meint der Soziologe Leicht. "Aber wir wissen nicht, ob eher die besser gebildeten das Land verlassen oder diejenigen, die noch weniger Chancen haben."

Beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das zur Bundesanstalt für Arbeit gehört, glaubt man aber daran, dass es durch die Flüchtlinge zu mehr Unternehmensgründungen kommen wird. "Ich gehe davon aus, dass unter den erwerbstätigen Flüchtlingen mindestens zehn Prozent aber möglicherweise bis zu fünfzehn Prozent Selbstständige sein werden", sagt Herbert Brückner Forschungsbereichsleiter für internationale Vergleiche und europäische Integration am IAB.

Danach relativiert er seine Aussage aber wieder: Diese Zahlen hätten das Wissen zur Grundlage, dass man über andere Migranten oder frühere Flüchtlinge habe, die in der Vergangenheit nach Deutschland gekommen sind, so Brücker. Seriöse Aussagen könne heute noch niemand machen.

Prof. Herbert Brücker
Prof. Herbert BrückerBild: Stefan Brending

Zahlen nennt er dann aber doch. "Wir reden ja immer von 1,1 Millionen Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr gekommen sind, von denen sind etwa 800.000 noch hier und wenn es gut läuft, haben wir im erwerbsfähigen Alter in diesem Jahr bis zu 400.000 Personen, die als asylberechtigt anerkannt worden sind." Man könne davon ausgehen, dass wir insgesamt vielleicht 150.000 erwerbstätige Flüchtlinge in diesem Jahr haben, die für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen - als Angestellte oder Selbstständige. "Das heißt, wir reden über sehr, sehr kleine Zahlen", so Brücker.

Und was mangelnde Sprachkenntnisse angeht, ist Brückner optimistisch. Er meint, man müsse nicht gleich perfekt Deutsch können, um sich hier selbstständig zu machen. "Das funktioniert in der Regel im Rahmen von persönlichen Netzwerken. Es gibt hier ja schon Communities etwa von Syrern oder Irakern. Da hilft man sich in der Regel untereinander und bewältigt dann gemeinsam diese Hürden."

Es wird Zeit brauchen

In einem sind sich die Experten jedoch einig: Schnell wird die Integration auf dem Arbeitsmarkt nicht gehen. Und in nächster Zeit werden auch nicht tausende anerkannte Flüchtlinge ein Unternehmen gründen. "Ich glaube, dass mehrere Jahre vergehen werden, bevor wir da deutliche Zahlen spüren können", sagt Peter Schnepper, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Gelsenkirchen. Aber es gäbe ein Potential an Unternehmensgründern unter den Flüchtlingen. In der aktuellen Diskussion aber seien andere Themen wichtiger, wie die Integration durch Bildung, durch Berufsorientierung und vor allem die Integration in die Gesellschaft.