Vinyl vs. CD
15. Oktober 2015Viele Geschichten ranken sich um die erste Schallplatte im Leben. Da haben Verwandte für die erste Jazz-Platte zusammengelegt. Die heimlich vom Taschengeld gekaufte Suzie Quattro-LP musste in das Geschäft zurück gebracht werden. Oder die erste Beatles-LP landete, von der empörten Mutter entdeckt, im Mülleimer.
Und wenn die Eltern nicht für Geschichten gesorgt hatten, so machten manche Platten auch schon mal selber Geschichte: Die "Ummagumma" von Pink Floyd zeichnete sich dadurch aus, dass man sie nur im berauschten Zustand ertragen konnte. Die "Made in Japan" von Deep Purple war vom Abspielen auf Partys so zerkratzt, dass die Knackser lauter als die Musik waren. Die Platte einer verhassten Band wurde mit einem Feuerzeug erhitzt, dann konnte man Beulen hineindrücken. Zugegebenermaßen ist das ziemlich radikal, doch Fakt ist, dass keine CD solche Geschichten aufweisen kann.
Denn die CD kam zu einer Zeit, in der die große musikalische Revolution schon vorbei war: Die aufmüpfige Jugend war erwachsen geworden, Eltern hatten sich daran gewöhnt, dass es laute Gitarrenmusik gab, andere Themen wurden wichtiger: Atomkraft, Kalter Krieg, Friedensbewegung. Die Bedrohung durch Marschflugkörper war weitaus größer als die durch ein paar wildgewordene Rockmusiker oder kiffende Jazzer.
Kniefall vor der Compact Disc
1981 wurde auf der Funkausstellung in Berlin die erste CD präsentiert. 1982 existierte bereits eine Abba-CD, noch bevor man den ersten CD-Player kaufen konnte. 1983 gab es ungefähr 700 Titel auf dem CD-Markt - zunächst einmal nur ein kleines Angebot für Neugierige und Technik-Begeisterte. Das änderte sich schlagartig mit der Akzeptanz dieses neuen Wunder-Tonträgers: Erstaunlich war, dass die Leute sofort bereit waren, für eine CD das Doppelte auszugeben. Eine Langspielplatte kostete Mitte der 80er um die 16 D-Mark (ca. 8 Euro). Für eine CD blätterte man 32 D-Mark und mehr hin. Ein CD-Player gar war kaum zu bezahlen, der kostete bis zu 1.800 D-Mark.
Wie rasant die Entwicklung voran ging, zeigen ein paar Zahlen, die der Verband der phonographischen Wirtschaft veröffentlicht hat: 1984 noch wurden 71 Millionen Schallplatten verkauft, dagegen drei Millionen CDs. Nur fünf Jahre später wurden in Deutschland erstmals mehr CDs als LPs verkauft (56,9 Millionen CDs gegen 48,3 Millionen Platten).
Die CD hat viele Vorteile gegenüber der Schallplatte. Zunächst der Klang: vollständig, sauber, glasklare Höhen, ordentliche Bässe, große Dynamik. Da zerrte, knackste und rauschte nichts. Endlich war es vorbei mit dem lästigen Umdrehen, mit diesen Riesenscheiben, die man immer vorsichtig anfassen musste, mit denen man sich außerdem noch die Regale vollstopfte. Auf Knopfdruck konnte man plötzlich Titel anwählen, ohne mit der Nadel herumzufummeln. Ein paar Kratzer machten der CD nichts aus. Diese kleinen und unempfindlichen Scheiben waren einfach extrem praktisch. Nicht wenige Musikfans haben sich ihre Lieblingsplatten nochmal als CD angeschafft: Hörgenuss ohne Störgeräusche.
Je mehr CDs gekauft wurden, desto weniger Schallplatten kamen auf den Markt. Es gab sogar eine kurze Übergangszeit, zu der man, wenn man was ganz Außergewöhnliches suchte, weder die Platte noch die CD bekam, weil die Platte nicht mehr gepresst wurde, und die CD noch nicht hergestellt war.
Ein Herz für Schallplatten
Die Zahlen vom Tonträgermarkt zeigen, dass die Schallplatte schon längst wieder im Kommen ist. Schon seit Jahren steigt das Interesse der Musikfans wieder an der schwarzen Scheibe. Immer mehr Plattenfirmen sehen das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Denn die Produktion einer LP ist weitaus kostenintensiver als die einer CD. Eine CD ist in 3,4 Sekunden fertig, eine Schallplatte braucht 29 Sekunden. Trotzdem stehen auch große Labels wie Sony oder EMI bei den wenigen verbliebenen Presswerken Schlange, um von ihren Top-Acts Langspielplatten in Auftrag zu geben. Vor wenigen Jahren waren es noch Auflagen von 700 bis 1000 Stück.Doch die Tendenz steigt. Ein Schallplattenpresswerk in Niedersachsen hatte Ende 2008 einen Riesenauftrag aus den USA bekommen: Die amerikanische Plattenfirma der Band Metallica hatte 80.000 Exemplare des Albums "Death Magnetic" bestellt.
Seit 2007 gibt es den weltweiten "Record Store Day", der von namhaften Musikern unterstützt wird. Seit sieben Jahren feiern Deutschlands Plattenläden sich selbst dierekt eine ganze Woche lang - in der "Plattenladenwoche".
Seit neuestem gibt es monatliche Vinyl-Charts - dominiert werden sie zur Zeit noch von den Alben der großen Rock- und Metalbands. Doch immer mehr Bands produzieren ihre Musik auch wieder für den Vinylmarkt.Der Konsum von Musik hat sich seit MP3 und Musikstreaming extrem verändert. Musik ist quasi überall zu haben - mühelos, für wenig Geld. Wer Platten hört, hört Musik bewusster. Genau das will eine eine wachsende Zahl von Musikfreunden - und dem trägt die Plattenindustrie nun Rechnung.