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Von den Nazis ermordet und dann vergessen

Harrison Mwilima
13. Dezember 2020

Bayume Mohamed Husen war Kindersoldat in Deutsch-Ostafrika. Später wollte er für Hitler in den Krieg ziehen. Er starb im Konzentrationslager Sachsenhausen.

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Zwei Bilder von Mahjub bin Adam Mohamed: als Kindersoldat in Uniform und als Erwachsener
B. Mohamed Husen sah sich sein ganzes Leben eher als Deutscher denn als Afrikaner Bild: Sammlung Bechhaus-Gerst

Es war ein Zufallsfund: Während einer Recherche im Bundesarchiv stieß Marianne Bechhaus-Gerst auf ein ungewöhnliches Dokument. Es belegt, dass die Nazis einst den Suaheli-Lehrer Bayume Mohamed Husen im Konzentrationslager Sachsenhausen nördlich von Berlin internierten.

"Ich war wirklich überrascht von diesem Dokument, denn trotz meiner Studien wusste ich nichts über die Erfahrungen der Afrikaner während der Nazi-Zeit", sagt die Professorin für Afrikanistik an der Universität zu Köln. Selbst bei der Suche in anderen wissenschaftlichen Arbeiten habe sie keine Studien zu dem Thema gefunden.

Das Buch "Treu bis in den Tod" über die Lebensgeschichte von Bayume Mohamed Husen
"Treu bis in den Tod" erzählt die tragische Lebensgeschichte von Bayume Mohamed HusenBild: Harrison Mwilima

Deshalb begann sie mit intensiven Nachforschungen über das Leben des Mahjub bin Adam Mohamed (auch bekannt als Bayume Mohamed Husen). 2007 veröffentlichte Marianne Bechhaus-Gerst dann das Buch "Treu bis in den Tod. Von Deutsch-Ostafrika nach Sachsenhausen - Eine Lebensgeschichte".

Kindersoldat mit zehn Jahren 

Husen wurde 1904 in Daressalaam geboren worden, der heutigen Finanzhauptstadt Tansanias. Damals gehörte die Stadt zu  Deutsch-Ostafrika; heute teilen sich Tansania, Ruanda und Burundi das Staatsgebiet der ehemaligen Kolonie. Husens Vater stammte aus dem Sudan und diente als Askari (als Askari wurden in Afrika einheimische Soldaten oder Polizisten in den Kolonialtruppen der europäischen Mächte bezeichnet, Anmerk. d. Red.).

"Es gab Widerstandsbewegungen in den Küstengebieten Deutsch-Ostafrikas", erklärt Bechhaus-Gerst. "Deshalb beschlossen die Deutschen, ausländische Soldaten zur Unterdrückung dieser anti-kolonialen Bewegungen zu rekrutieren, da die einheimischen Soldaten nicht gegen ihr eigenes Volk kämpfen würden."

Obwohl Mahjub zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 erst zehn Jahre alt war, schloss er sich seinem Vater an, um als Kindersoldat in der deutschen Kolonialarmee zu dienen. Laut Bechhaus-Gerst wurden die meisten Kindersoldaten während des Krieges als "Signalgeber" (Nachrichtenübermittler, Anmerk. d. Red.) eingesetzt. Vermutlich übernahm auch Mahjub diese Aufgabe in der deutschen Kolonialarmee.

Männer in Uniform stehen in Reih und Glied unter Palmen, neben ihnen zwei uniformieret Reiter
Askari-Kompanie in Deutsch-Ostafrika beim Truppen-Appell Bild: Bundesarchiv, Bild 105-DOA3056/Walther Dobbertin/CC-BY-SA

Die fast drei Jahrzehnte der deutschen Kolonialherrschaft in der Region hörten mit dem Ende des Ersten Weltkriegs auf. Mahjub arbeitete weiterhin für deutsche Unternehmen, unter anderem als Kellner für eine deutsche Reederei. 1929 blieb er dann in Deutschland.

Er änderte seinen Namen in Husen und heiratete eine deutsche Frau aus dem Sudetenland. Kurz vor der Machtübernahme der Nazis 1933 ließ sich das Paar in der Großstadt Berlin nieder. Husen arbeitete als Suaheli-Lehrer an der Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, sowie als Kellner im "Haus Vaterland", einem Vergnügungspalast am Potsdamer Platz.

Menschen stehen in der Bücherabteilung im KaDeWe 1932
Großstadtleben: Bücherabteilung im Kaufhaus des Westens (KaDeWe, um 1932)Bild: picture-alliance/akg-images

Begeisterter Kolonialist

Husen spielte auch in Filmen mit, darunter die Kolonial-Propagandafilme "Die Reiter von Deutsch-Ostafrika" (1934) und "Carl Peters" (1941). Zweimal beantragte er, für seine Verdienste im Ersten Weltkrieg ausgezeichnet zu werden, allerdings erfolglos. Er wandte sich auch persönlich an die deutschen Behörden, wann immer er finanzielle Probleme hatte. "Er war sehr mutig, das zu tun, besonders während der Nazi-Zeit", so Marianne Bechhaus-Gerst. "Die meisten Schwarzen taten alles, um nicht mit öffentlichen Ämtern in Berührung zu kommen."

Um sein Überleben und das seiner Familie während der Nazi-Zeit zu sichern, engagierte sich Husen auch in der neokolonialen Bewegung, deren Ziel es war, die ehemaligen Kolonien zurückzugewinnen. Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, meldete er sich freiwillig als Soldat, allerdings wurde er abgelehnt. "Er fühlte sich mehr als Deutscher denn als Ostafrikaner", sagt Bechhaus-Gerst.

Deportiert wegen "Rassenschande"

Was Husen während der Nazi-Zeit in Schwierigkeiten brachte, waren zahlreiche außereheliche Beziehungen mit anderen deutschen Frauen. "Er wurde innerhalb von sechs Wochen zweimal Vater, mit einem Kind von seiner Frau und einem weiteren von einer Frau, mit der er eine Affäre hatte."

Marianne Bechhaus-Gerst
Sie erforschte Husens Lebensgeschichte: Durch Zufall stieß Marianne Bechhaus-Gerst darauf Bild: Harrison Mwilima

Marianne Bechhaus-Gerst zufolge wurde Husen "Rassenschande" vorgeworfen - das Verbot sexueller Kontakte und Ehen mit Deutschen galt ursprünglich für Juden und wurde später auf alle "nicht-arischen" Gruppen ausgeweitet. 1941 wurde Husen ins Konzentrationslager Sachsenhausen deportiert, wo er drei Jahre später starb.

Sein Stolperstein wurde entfernt

In Berlin erinnert seit 2007 ein Stolperstein an Bayume Mohamed Husen. Der Messingblock ist in den Gehweg vor seiner letzten bekannten Adresse eingelassen, der Brunnenstraße 193. 

"Für mich war es sehr wichtig, auch der Opfer aus Afrika zu gedenken", sagt Bechhaus-Gerst, die hinter der Initiative stand. "Es scheint, als seien Afrikaner vergessene Opfer der Nazi-Zeit."

2020 musste ein neuer Stolperstein eingesetzt werden, der alte war gestohlen worden. Die Koordinierungsstelle Stolpersteine vermutete einen rassistischen Hintergrund. Benachbarte Stolpersteine waren damals unversehrt geblieben.Adaption: Torsten Landsberg

Stolperstein von Bayume Mohamad Husen in Berlin
Heute erinnert dieser Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig an Husen und seine Deportation nach Sachsenhausen.Bild: Harrison Mwilima